Krankenhauschefs warnen
Kliniken stehen vor dem finanziellen Kollaps
"Die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser ist schlicht katastrophal. Den deutschen Krankenhäusern, auch unseren im Landkreis Harburg, drohen nicht nur schmerzhafte Einschränkungen bei der Patientenversorgung. Für viele Krankenhäuser stellt sich aufgrund der sich weiter zuspitzenden wirtschaftlichen Lage die Existenzfrage." Das sagte Rainer Rempe (CDU), Landrat des Landkreises Harburg, am Donnerstag bei einer überregionalen Pressekonferenz im Winsener Krankenhaus. Zusammen mit verschiedenen Krankenhaus-Geschäftsführern, darunter Norbert Böttcher (Krankenhäuser Buchholz und Winsen), Dr. Hans-Heinrich Aldag (Waldklinik Jesteburg, gleichzeitig Vorsitzender der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft, NKG) und Dr. Michael Moormann (Klinikum Lüneburg), machte Rempe auf die prekäre Situation der Krankenhäuser aufmerksam. "Die Situation der Krankenhäuser ist so angespannt wie nie zuvor. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wehren sich gegen eine kalte Flurbereinigung der Krankenhauslandschaft", erklärte Norbert Böttcher in seiner Funktion als Geschäftsführer der Bezirksarbeitsgemeinschaft Lüneburg der NKG.
Für Krankenhäuser addierten sich aktuell zwei schwerwiegende Hauptproblemfelder auf, betonte Rempe: Auf der Erlösseite stehe der schleppend anlaufende Regelbetrieb nach der Corona-Pandemie durch Pflegepersonalmangel bei gleichzeitigem Wegfall des Rettungsschirms. Auf der Kostenseite machten den Kliniken verschiedene Preissteigerungen zu schaffen. .
Maßgebliche Gründe für die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme der Kliniken seien die Einschränkungen des Regelbetriebs infolge der Corona-Pandemie und ständig steigende Personalanforderungen trotz des allgemeinen Fachkräftemangels. Die Personalanforderungen beruhten so gut wie gar nicht auf der Pandemie, sondern es seien vom Bundesgesetzgeber initiierte überbordende Strukturanforderungen, die im Ergebnis den Patienten nicht zugutekommen und die mit dem Fachkräftemangel in keinster Weise zu vereinbaren seien. Folge: In den Krankenhäusern in Winsen und Buchholz könnten derzeit von 559 Planbetten 90 Betten nicht belegt werden, weil hierfür nicht ausreichend Pflegekräfte zur Verfügung stehen. Die Gründe seien ein hoher Krankenstand, der nur zum Teil Corona-bedingt sei, und nicht besetzbare Stellen.
Diese Entwicklung sei nicht neu, sie habe sich aber in der jetzigen Situation mit Pandemie- und Kriegsfolgen dramatisch verschärft. "Die gesunkenen Fallzahlen in Folge der Pandemie führen in fast allen Krankenhäusern unmittelbar zu erheblichen Erlösverlusten", betonte Rempe. Krankenhäuser könnten nicht, wie andere Wirtschaftsunternehmen, ihre Erlösminderungen oder ihre massiven Kostensteigerungen über Preisanpassungen weitergeben. Das liege an dem Krankenhausfinanzierungssystem, das sich seit 1978 mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz entwickelt habe und seitdem laufend weiterentwickelt wurde. Ohne eine sofortige Wiederaufnahme des Regierungshandels der Bundesregierung laufe man Gefahr, dass die Krankenhäuser diesem Kostendruck nicht standhalten werden. Standortschließungen von systemrelevanten, bedarfsnotwendigen Krankenhäusern wären die Folge, warnte Rempe: "Wir sind nicht zu blöde, unsere Hausaufgaben zu machen und rufen nach der finanziellen Hilfe der Politik, nein, wir haben während der gesamten Pandemie unsere Hausaufgaben gemacht und stehen fassungslos davor, wie untätig wir zurzeit im Regen stehen gelassen werden."
Auf der Kostenseite machten sich massive Preissteigerungen bei Energie, Medizinprodukten, Medikamenten, IT-Produkten und Dienstleistungen sowie Lebensmitteln bemerkbar. Diese würden im bestehenden Krankenhaus-Finanzierungssystem nicht berücksichtigt. Für die Kliniken gelte die Deckelung der Steigerungsrate. Die Deckelung für 2022 fuße auf den Wirtschaftsdaten von 2020. Daraus ergebe sich ein Erlösanstieg um gut 2,3 Prozent.
Die Folgen der sich deutlich abzeichnenden Dramatik würden bereits im Herbst spürbar sein, warnten die Krankenhaus-Geschäftsführer. Die Krankenhäuser würden in ihrer Leistungsfähigkeit massiv angeschlagen in die bevorstehende nächste Corona-Welle schlittern. Mit zunehmender Insolvenzgefahr, nach Erhebungen der NKG waren bereits vor den aktuellen Kostensteigerungen mehr als drei Viertel der 168 Krankenhäuser in Niedersachsen mittel- bis langfristig in ihrer Existenz bedroht, würden die Krankenhäuser, anders als in den vorhergehenden Wellen, nicht mehr in der Lage sein, ihre Versorgungsangebote uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den eigenen Standort in die Bekämpfung der Pandemie einzubringen. Die Notfallversorgung sei damit absehbar stark beeinträchtigt. (os).
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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