Sind Krankenhäuser ausreichend finanziert?
Geschäftsführer kontern AOK-Chef
Ist die Finanzierung der Krankenhäuser ausreichend oder nicht? Diese Frage bewegt viele Menschen seit geraumer Zeit. Jürgen Peter hat dazu trotz Millionendefiziten in vielen Einrichtungen, die durch Steuergeld ausgeglichen werden müssen, eine klare Meinung: "Der laufende Betrieb der Kliniken ist auskömmlich finanziert", erklärte der Vorstandschef der AOK Niedersachsen jüngst in einem Interview mit der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Peter verweist u.a. auf den sogenannten Landesbasiswert, der durchschnittliche Preis für eine stationäre Behandlung, der im vergangenen Dezember erhöht worden sei. Gleichzeitig wirft Peter den Verantwortlichen in den Krankenhäusern "Panikmache" vor, indem sie wiederholt auf die Möglichkeit von Insolvenzen und Schließungen ihrer Einrichtungen hinweisen, wenn die Finanzierung nicht sichergestellt werde.
Das WOCHENBLATT fragte bei den Verantwortlichen der regionalen Krankenhäuser nach: Wie bewerten sie die Situation und was halten sie von den Aussagen des AOK-Chefs Peter?
Mehrkosten werden nicht vergütet
"Dass die Krankenhausfinanzierung seit Jahren nicht auskömmlich ist, liegt auf der Hand", betont Siegfried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken Buxtehude und Stade. Stark steigende Gehälter, die seit Mitte der 1990er Jahre nicht vollständig refinanziert werden, oder Inflationen im bis zu zweistelligen Prozentbereich, die bei Weitem nicht in dieser Höhe vergütet wurden und werden, sorgten für immer größere Finanzlöcher in den Kliniken. Auch die Notfallversorgung sei stark unterfinanziert. "Krankenhäuser wie unsere Elbe Kliniken, die rund um die Uhr eine Notfallversorgung sicherstellen, haben nicht selten jährlich ein Millionendefizit nur in diesem Bereich", berichtet Ristau. Dass viele Kliniken aufgrund von Personalmangel oder hohen Krankheitsquoten besonders seit der Corona-Pandemie regelmäßig punktuell Stationen schließen müssen, senke auf der anderen Seite die Einnahmen drastisch, während die Ausgabenseite stabil bleibe bzw. steige. "Das fehlende Stammpersonal muss außerdem teilweise durch teures Leasing-Personal ergänzt werden, um die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten zu können", betont Ristau. Die Mehrkosten in Höhe von meist mehr als 50 Prozent würden allerdings nicht vergütet. "Das alles sind nachweisbare Tatsachen, die für sich sprechen. Dabei ist diese Aufzählung noch lange nicht vollständig", so der Geschäftsführer. Dass sich seit Jahren viele Krankenhäuser nur durch Millionenzuschüsse der Kommunen oder Landkreise vor Ort über Wasser halten, obwohl diese gar nicht für die Finanzierung zuständig sind, sage vieles über die angebliche Auskömmlichkeit der Krankenhausfinanzierung aus.
Länder kommen Verpflichtungen nicht nach
Auch im Investitionsbereich seien Krankenhäuser stark unterfinanziert. Die Bundesländer seien gesetzlich dazu verpflichtet, die Investitionen z.B. für Modernisierungs- oder Baumaßnahmen in vollem Umfang zu tragen. "Dem kommen die Länder jedoch in keinster Weise nach", kritisiert Ristau.
Er sei davon überzeugt, dass auch kleinere Krankenhäuser eine Zukunft haben. "Wir leben in einer ländlichen Region, wo kleinere Kliniken extrem bedeutend für die Gesundheitsversorgung sind. Dass es dabei einer gewissen Spezialisierung in Krankenhäusern bedarf, ist unbestritten", sagt Ristau. In diesem Zusammenhang werde es in den kommenden Jahren durch die neue Krankenhausreform zwangsläufig Änderungen in den Strukturen und Angeboten der Krankenhäuser geben. Im Umkehrschluss könnten größere Kliniken gar nicht alles auffangen, was vorher die vielen kleineren Kliniken geleistet haben und noch leisten. "Wir dürfen außerdem nicht vergessen, dass die Menschen immer älter werden. Es benötigen perspektivisch also nicht weniger Patienten eine medizinische Behandlung im Krankenhaus, sondern eher mehr. Und das im Alter am besten wohnortnah", verdeutlicht Ristau.
Bessere Strukturen schaffen
Es ist sinnvoll, die gewachsenen Strukturen im Hinblick auf Zentralisierung und Spezialisierung zu verändern. Das würde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit qualitativ wie wirtschaftlich Vorteile mit sich bringen. Deshalb sei die geplante Krankenhausreform so wichtig. Ristau: "Mit einer aktiven Einbeziehung der Marktteilnehmer wird es sicherlich gelingen, neue und bessere Strukturen zu schaffen. Der Übergang bis zur Umsetzung der Reform kostet jedoch Geld und muss entsprechend begleitet werden." Insofern sei schnelles Handeln erforderlich, um für die Versorgung notwendige Kliniken auf dem Weg dorthin nicht zu verlieren.
Forderung nach Vorhaltepauschalen
Ein elementarer Bestandteil der Reform müsse sein, dass die Finanzierung von Kliniken nicht mehr nahezu ausschließlich durch reine Mengen geschieht. Dazu bedürfe es Vorhaltepauschalen – also Gelder, die dafür da sind, um ein Krankenhaus rund um die Uhr betreiben zu können, auch wenn gerade weniger Patienten da sind. Es brauche zudem einen Automatismus bei der Steigerung von Personalkosten für alle Berufsgruppen – genauso wie einen Automatismus bei der Anpassung der Vergütung an Preissteigerungen bzw. die Inflation. "Schließlich können Krankenhäuser auch bei steigenden Kosten ihre Preise nicht selbst anpassen", betont Ristau.
"Wir werden ausgehungert"
Auch Kai Uffelmann, Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, wehrt sich gegen den Vorwurf der Panikmache. "Es ist doch völlig normal, dass man sich Gedanken macht, wenn man nicht weiß, wie die Refinanzierung gesichert werden kann", betont er. Die Erlössituation sei unzureichend. "Über dieses Thema reden wir immer wieder, aber es geschieht nichts. Im Gegenteil: Wir werden von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ausgehungert", kritisiert Uffelmann. In Zahlen bedeutet das, dass der Landkreis Harburg im vergangenen und laufenden Jahr das Defizit seiner Krankenhäuser von jeweils etwa 17 Millionen Euro mit Steuergeldern ausgleichen muss, Geld, das an anderer Stelle fehlt. "Wir fordern ja keine Zuschüsse, sondern lediglich die Bezahlung von erbrachten medizinischen und pflegerischen Leistungen", sagt Uffelmann.
Schon jetzt eine schlanke Struktur
Man habe bereits alles Betriebswirtschaftlich Mögliche getan, um das Defizit zu senken, berichtet der Geschäftsführer. Zudem habe es in der Region Nordost-Niedersachsen bereits die geforderte Bereinigung gegeben, sagt er und verweist auf die Schließung der Krankenhäuser in Salzhausen sowie Scharnebeck (Landkreis Lüneburg). "Damit haben wir bereits eine relativ schlanke Struktur in der Gesundheitsversorgung", betont Uffelmann.
Transparenzgesetz führt zu mehr Bürokratie
Er rechnet nicht damit, dass sich in dieser Legislaturperiode noch etwas am Grundproblem ändern wird. "Wir sind von der Lösung des Grundproblems, nämlich der Abarbeitung der Unterfinanzierung, weit entfernt. Dass das für eine ganze Wirtschaftsbranche gilt, ist schon sehr speziell", betont Uffelmann. Stattdessen bekomme man ein Transparenzgesetz, dass keiner brauche und das zu noch mehr Bürokratie führe.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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