AfD-Mahnmal für "Opfer der Willkommenskultur" in Buchholz
Wie ehrlich ist diese Trauer?
Auf ein Wort
Auf der einen Seite Gemüse, Obst und Fisch, auf der anderen Seite ein Traueraltar: Dieses Bild bot sich den Besuchern des Buchholzer Wochenmarkts am vergangenen Mittwoch. Der AfD-Ortsverband Buchholz hatte das Sandstein-Stuhlpaar des Künstlers Timm Ulrichs mit einem schwarzen Tuch bedeckt und dort Kerzen aufgestellt. Den Grund erfuhren die Passanten auf einem grauen Aufsteller: Man gedenke der "Opfer der Willkommenskultur", darunter folgten Namen von Menschen, die durch Ausländer zu Tode kamen. Stilecht hatten sich die AfD-Vertreter ganz in Schwarz gekleidet.
Ich frage mich: Wie ehrlich ist diese Trauer? Hätte das Mahnmal auch stattgefunden, wenn nicht Anfang der Woche das schreckliche Verbrechen am Hauptbahnhof in Frankfurt geschehen wäre, bei dem ein Mann aus Eritrea einen Jungen (8) und seine Mutter vor einen einfahrenden Zug stieß und der Junge getötet wurde? Wohl kaum. Für mich ist das Mahnmal ein perfider Versuch der AfD, aus einem Verbrechen politisches Kapital zu schlagen. Frei nach dem Motto: Wenn Europas Grenzen dicht wären, könnte ein Mann wie der Täter gar nicht erst nach Deutschland kommen. Wenn es tatsächlich um die angeblichen "Opfer der Willkommenskultur" ginge, hätte die AfD das Mahnmal auch auf einen späteren Zeitpunkt verschieben können.
Nach allem, was bisher bekannt ist, wurde dem mutmaßlichen Täter von Frankfurt bereits im Jahr 2008 in der Schweiz Asyl gewährt - lange vor der Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Einen Zusammenhang zwischen der wahnsinnigen Tat des Mannes und der Willkommenskultur, die in vielen Kommunen zum Glück von vielen ehrenamtlichen Helfern geleistet wird, kann man nicht herstellen. Das konnten im übrigen auch die AfDler in Buchholz nicht. Darauf angesprochen, flüchteten sie sich in die bekannten Schreckensszenarien einer "Überfremdung" und einem drohenden "Bürgerkrieg" durch den Zuzug zu vieler Moslems.
Auch auf die Nachfrage, ob die AfD ein Mahnmal für einen Eritreer geplant hat, der jüngst in der hessischen Kleinstadt Wächtersbach aus einem Auto heraus angeschossen worden war, hatten die Vertreter auf dem Wochenmarkt keine Antwort. Zur Erinnerung: Am 26. Juni schrieb die AfD-Bundestagsfraktion auf ihrer Facebookseite: "Wir dürfen uns von Mördern nicht den politischen Diskurs bestimmen lassen." Da ging es um die Konsequenzen aus dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen mutmaßlich rechtsextremen Mann. Nur knapp vier Wochen später postet die Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, kurze Zeit nach dem Verbrechen in Frankfurt: "An Entsetzlichkeit ist diese Tat nicht mehr zu überbieten. Was muss noch passieren? Schützt endlich die Bürger unseres Landes - statt die grenzenlose Willkommenskultur!" Doppelzüngiger geht's kaum! Oliver Sander
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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