Ein Gesetz aus den USA sorgt für steigende Zahlen in Deutschland
Fälle von Kinderpornografie nehmen drastisch zu
tk. Landkreis. Die Zahl der Strafverfahren wegen Kinderpornografie ist im Kreis Stade im Jahr 2020 um 118 Prozent von elf auf 24 Fälle gestiegen. Auch im Kreis Harburg steigt die Fallzahl an. Der Grund dafür liegt in den USA. Die Internetprovider dort sind per Gesetz verpflichtet, Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch umgehend an das „National Center for Missing and Exploited Children" (NCMEC) zu melden. Ein Paradebeispiel dafür, wie vernetzt die Welt ist.
Aus den USA werden die Daten, die einzelnen Ländern und Tätern zugeordnet werden können, weitergeleitet. In Deutschland an das Bundeskriminalamt (BKA), das die Fälle an die jeweiligen Landeskriminalämter schickt, die dann die Kinderporno-Fälle an die zuständigen Polizeiinspektionen weiterleiten. In Stade müssen die Ermittlerinnen und Ermittler dann häufig terrabytegroße Datenträger auswerten. "Alle Kolleginnen und Kollegen, die im Sachgebiet 'KiPo' tätig sind, machen das freiwillig", erklärt Stades Polizeisprecher Rainer Bohmbach. Denn die Arbeit mit diesen Missbrauchsfällen sei sehr belastend.
"Das ist eine proaktive Bekämpfung von Kinderpornografie", erklärt ein Mitarbeiter des LKA in Hannover, der in dem zuständigen Dezernat arbeitet. Der Unterschied zu Deutschland: Die Daten müssen in den USA unverzüglich gemeldet und anschließend von den Providern gelöscht werden. Das Netz wird dafür systematisch gescannt. Wenn Ermittler aus Deutschland wegen eines Kinderporno-Verdachtsfalls bei einem Internetprovider oder sozialem Netzwerk nachfassen, sei die Antwort dagegen häufig: Die Daten haben wir nicht. Das mache die Strafverfolgung nicht einfacher.
So sind allein im vergangenen Jahr 58.000 Fälle aus den NCMEC-Verfahren in den USA ans BKA gegangen, so der Ermittler. Natürlich sei es nicht bei allen zu einer anschließenden Strafverfolgung gekommen. Er rechnet mit einer weiter "drastisch steigenden" Zahl der Verfahren.
Die eigentliche Ermittlungsarbeit erfolgt vor Ort. In Stade wurde dafür das Sachgebiet "KiPo" neu eingerichtet. "Jeder einzelne Datenträger, jedes Bild, jedes Video muss gesichtet werden", erklärt Rainer Bohmbach. Eine Software, die diese belastende Arbeit abnehmen könnte, sei noch nicht ausgereift genug, um die Augen der Ermittlerinnen und Ermittler zu ersetzen.
Ein Problem für die Polizei: Was häufig mit wenigen Fotos und einer IP-Adresse beginne, könne schnell wachsen. "Speicher werden immer größer und preiswerter", sagt Rainer Bohmbach. Wenn der Verdacht so konkret werde, dass es zu einer Durchsuchung bei einem Beschuldigten komme, dann werde die Datenmenge mitunter riesig. Der LKA-Experte kennt Einzelfälle, bei denen ein Täter bis zu eine Million Kinderpornos besaß. Er spricht daher von "Jägern und Sammlern".
Was diese Täter sammeln, erklärt Stades Polizeisprecher, werde von Polizeibeamtinnen und -beamten bearbeitet, die überwiegend jung sind und die jederzeit aus dieser Ermittlungsaufgabe aussteigen könnten. Zudem könne jederzeit Hilfe angefordert werden, wenn das, was die Ermittler sehen müssen, sie zu stark belaste. Angesichts der stetig steigenden Fallzahl wird die Arbeit in den kommenden Jahren zu- und nicht abnehmen.
(thl). "Wie auch in anderen Polizeiinspektionen in der Polizeidirektion Lüneburg ist in der Polizeiinspektion Harburg seit 15. April 2020 ein Sachgebiet 'KiPo' eingerichtet, welches sich u.a. auch mit dem NCMEC-Verfahren beschäftigt", bestätigt Jan Krüger, Sprecher der Polizeiin-spektion Harburg auf Nachfrage. "Wie bereits in der Kriminalstatistik dargestellt, haben wir im Landkreis auch eine Steigerung von Fällen aus dem Bereich der Jugendlichen und Heranwachsenden, bei denen solche Bilder häufiger in den WhatsApp Gruppen verwendet werden." Die Auswertung der Datenmengen sei davon abhängig, welches Material und welche Datenträger sichergestellt werden.
"Insofern ist die Datenmenge stark variabel. Allerdings lag die Menge im Jahr 2020 auch in der PI Harburg im Bereich mehrerer Terrabyte, was einen erheblichen Auswerteaufwand bedeutet", so Krüger.
Insgesamt stieg die Zahl der Sexualdelikte im Landkreis Harburg im vergangenen Jahr von 211 auf 231 Fälle.
Wie viele davon allerdings unter die Rubrik "Besitz oder sich Verschaffen von Kinderpornografie" fallen, diese Zahlen nennt Krüger nicht. Mehrere Terrabyte Daten.
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