Nach dem schlimmen Zugunglück in Buxtehude
"Sehe jeden Tag Erwachsene, die die Schranke ignorieren"
"Ich beobachte jeden Tag erwachsene Menschen, die bei geschlossener Schranke die Bahngleise überqueren", sagt Carola Seel, Inhaberin des Floristikfachgeschäfts "De Blomenwagen", das direkt am Bahnhof in Neukloster liegt. Nicht weit davon entfernt kam es am Donnerstagnachmittag zu einem furchtbaren Unfall. Eine Schülerin (12) wurde von einer S-Bahn erfasst. Das Mädchen war auf den Gleisen gewesen
Dieses tragische Unglück ist für Carola Seel Anlass, sich mit einem dringenden Appell an die Menschen zu wenden: "Bitte nicht bei geschlossener Schranke über die Gleise gehen." Das beobachtet sie nämlich fast jeden Morgen. "Welches Vorbild ist das für Kinder und Jugendliche?", fragt sie sich. Bei den Menschen, die sich offenbar wissentlich in Lebensgefahr bringen, handele es sich fast ausschließlich um Erwachsene.
Von Einsicht in grundsätzlich falsches Verhalten kann wohl kaum die Rede sein. Wenn Carola Seel nur ignoriert wird, wenn sie die Leute anspricht, ist das noch die höfliche Variante. "Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram" bekomme sie häufiger zu hören.
Anmotzen statt Einsicht
Wie es zu dem Unglück mit der Zwölfjährigen kam, steht nicht fest. Der Triebwagenführer der S-Bahn hatte noch eine Notbremsung eingeleitet, doch der Zug erfasste das Kind. Das Mädchen wurde schwerverletzt mit einem Rettungshubschrauber in eine Hamburger Klinik geflogen.
"21-22-tot": Bundespolizeisprecher warnt eindringlich
(tk). Holger Jureczko, Sprecher der Bundespolizei Bremen, die für die Bahnstrecke zwischen Buxtehude und Stade zuständig ist, warnt vor dem Betreten von Gleisen oder dem Umgehen von geschlossenen Schranken mit eindringlichen Worten: "21-22-tot." Die gnadenlose Rechnung: Ein heranrauschender Zug wird beim Überqueren der Gleise meistens erst in 100 Metern Entfernung richtig wahrgenommen. "Der Blick ist nach unten gerichtet, um nicht über die Schienen zu stolpern." Bei 40 Metern pro Sekunde, die der Zug zurücklegt, bleiben dem Menschen auf den Schienen genau drei Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. Eine Rechnung, die fast immer mit dem Tod endet.
Zug steht erst nach 600 Metern
Ein Zug, der mit 120 Stundenkilometern unterwegs ist, braucht ungefähr 600 Meter, um zum Stehen zu kommen. Bei längeren und deutlich schwereren Güterzügen könne der Anhalteweg sogar bis zu einem Kilometer betragen, erklärt Holger Jureczko. Jedes Betreten von Gleisen sei daher ein potenziell tödliches Unterfangen.
Zudem, auch das gibt der Pressesprecher der Bundespolizei zu bedenken: Wer verbotenerweise geschlossene Schranken umgeht oder als Abkürzung übers Gleisbett will, gefährdet nicht nur sich. "Die Zugführer sind in jedem Fall traumatisiert, wenn sie einen Menschen überfahren." Sie hätten nicht den Hauch einer Chance, rechtzeitig bis zum Stillstand abzubremsen.
Wer zum Beispiel am Bahnhof Neukloster die geschlossenen Schranken ignoriere, dürfe nicht sicher sein, dabei nie ertappt zu werden. "Es gibt Kontrollen", sagt der Sprecher der Bundespolizei. Wer erwischt wird, muss 350 Euro bezahlen.
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