Dieter Klars Roadtrip in die eigene Kindheit
Buxtehudes Kulturmacher Dieter Klar hat nach 50 Jahren einen längst vergessenen Ort wiederentdeckt
tk. Buxtehude. Einige Menschen reisen an exotische Plätze, um intensiv zu (er)leben. Der weitgereiste Buxtehuder Kulturmacher Dieter Klar war vor einigen Wochen auf einem Roadtrip in die eigene Kindheit. Und das kam so: Die Tour mit dem Auto in spannende Städte Europas war geplant, der Abstecher in die Kindheit dagegen eine Überraschung. "Es war wie eine Reise mit der Zeitmaschine", sagt Dieter Klar. Straßburg war eigentlich das erste Ziel. Doch das kleine Pfälzer Dörfchen Käshofen, geplant als Mini-Zwischenstopp, wurde unversehens zum Ort des Wiederfindens. "Eine Schublade zu längst vergessenen Erinnerungen wurde geöffnet." Dieter Klar hatte als Zehnjähriger das Ende des Zweiten Welkriegs bei seiner Tante Hilde in Käshofen erlebt, hier war er oft zu Gast, hatte Freunde in dem Dörfchen gefunden.
Zwei Dinge haben sich in Dieter Klars Käshofen-Erinnerungen eingebrannt: Seine Mutter schubste den kleinen Dieter samt Schwester in den Graben und wirft sich über ihre Kinder, um sie vor Tieffliegern zu schützen. "Die Patronen die ich danach fand, waren noch warm", erinnert sich der Buxtehuder Kulturmacher. Szenenwechsel im Kopfkino: "Ich sitze in einem Fenster im Haus meiner Tante, Beine nach draußen, zerlumpte und verwundete deutsche Soldaten ziehen vorbei. Am nächsten Abend, am selben Fenster, ziehen US-Truppen vorbei und verschenken Bonbons und Kaugummi."
Diese Bilder hatte Dieter Klar im Kopf, als er mit seiner Frau Annemieke auf das Dorf zusteuert. Von Käshofen hatte Annemieke vorher noch nichts gehört. Sieben Kilometer vor dem Ort, auf einer Anhöhe, Vollbremsung: "Hier war es", rief Dieter Klar. Hier wäre er beinahe von den Tieffliegern erwischt worden.
Das Haus von Tante Hilde findet er auf Anhieb. 50 Jahre war er nicht mehr da. Niemand ist Zuhause. Mit niemanden hat der Buxtehuder seit fünf Jahrzehnten Kontakt gehabt. "Ein paar Leute standen in der Nähe herum", erinnert sich Dieter Klar. Er spricht sie an, fällt automatisch in den Pfälzer Dialekt. Er fragt, ob sich noch jemand an seine Tante erinnert. Die Männer fragen ihn, ob er denn noch weiß, wer die Christa ist. Sie ist Tante Hildes Adoptivtochter. Dieter Klar erinnert sich und erlebt eine Überraschung: "Ich bin Christas Mann, die ist auf dem Acker und kommt gleich wieder", sagt einer der Käshofener. Dieter und Annemieke Klar sitzen anschließend mit Christel und Fritz Klein im Haus der längst verstorbenen Tante Hilde und reden und reden. "Ich habe die Erinnerungen, die plötzlich wieder auftauchten, aufgesogen wie ein Schwamm." An Egon etwa, Dieter Klars bester Freund aus Käshofen. "Der war leider wenige Tage vor unserem Besuch gestorben", sagt Klar. Dass er oft mit dem Rad aus Frankfurt kam, war ihm entfallen. Oder das er als kleiner Knirps oft auf den großen Pferden eines Bauern geritten ist.
"An all das wieder zu denken, sich zu erinnern, hat mich sehr berührt", sagt Dieter Klar. Ob er noch einmal nach Käshofen fährt? "Ich weiß es nicht", sagt er. Jetzt wäre es eine geplante Erinnerungsreise und so würde ein Stück der Magie fehlen. Und die neuen, alten Erinnerungen sind so lebendig, dass sie mehr als zusammenhanglose Bruchstücke im Kindheits-Kopfkino sind.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.