Zwei Superintendenten im WOCHENBLATT-Gespräch
Fachkräftemangel gibt es auch in Gotteshäusern
Die Region profitiert von der Nähe zu Hamburg / Berufsbild Pastor wird sich wandeln (tk). Ist das realistisch? Gottesdienst nur noch alle zwei Wochen, weil der Kirche Pastorinnen und Pastoren fehlen? Der Fachkräftemangel als Bremse in der Wirtschaft macht auch vor der Evangelischen Kirche nicht halt. In der Landeskirche gibt es Schätzungen, dass bis 2030 rund 600 Stellen unbesetzt sein könnten. Das WOCHENBLATT hat in den Kirchenkreisen Hittfeld und Buxtehude nachgefragt. Die beiden Superintendenten Dirk Jäger (Hittfeld) und Dr. Martin Krarup (Buxtehude) sehen das Problem, sind für unsere Region aber dennoch optimistisch. Die Kirchen werden nicht abgeschlossen.
"Wir profitieren von der Lage in der Metropolregion vor den Toren Hamburgs", sagt Martin Krarup. Partnerinnen und Partner von Pastoren und Pastorinnen würden zum Beispiel leichter einen Job finden. Und die Nähe zu Hamburg mit den kulturellen Angeboten sei attraktiv. "Ein klarer Standortvorteil", so Krarup. Es sagt aber dennoch: "Wir sitzen alle in einem Boot." Was bedeutet, dass der Fachkräftemangel bei Seelsorgern ein Thema ist, das alle Gemeinden angeht.
Sein Hittfelder Kollege Dirk Jäger hält nichts von unnötigem Alarmismus ("Die Zahlen unbesetzter Stellen sind unbeständig"), macht sich aber dennoch Gedanken, wie dem Mangel zu begegnen wäre. Sein Ansatz: das Berufsbild zu verändern. Junge Theologinnen und Theologen würden "völlig zu Recht einfordern, dass sie nicht rund um die Uhr im Dienst sind". Sprich: mehr geregelte Arbeits- und Freizeit. Jägers Ansatz: "Seelsorge kann auch im Team erfolgen." Wenn Pastor A. frei hat, ist Pastorin B. für die Menschen Ansprechpartnerin. Jederzeit im Dienst zu sein, sei heute nicht mehr durchzusetzen. "Wir müssen den Pfarrberuf attraktiver gestalten", so Jäger. Dabei übt er auch Kritik: "Das hätten wir mühelos schon vor 20 Jahren angehen können." Er wünsche sich "etwas mehr Mumm" bei der Problemlösung.
Wird der Beruf Pastor als Teamarbeit betrachtet, gebe es einen weiteren Vorteil: Arbeitsteilung nach Interesse und Neigungen. Dem einen mache die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mehr Spaß, der andere können vielleicht Seniorenarbeit besser, so Jäger.
Übrigens: Ein Grund, warum zum Beispiel der Kirchenkreis Buxtehude weit weniger vom Seelsorger-Mangel als andere Regionen betroffen ist, hat historische Gründe. Als im Mittelalter und der frühen Neuzeit viele Kirchen gebaut wurden, "sind viele Dörfer auf der Geest dafür schlichtweg zu arm gewesen", sagt Martin Krarup. So habe nicht jedes Dorf sein eigenes Gotteshaus bekommen. Die einzelnen Landgemeinden sind dadurch historisch schon größer, weil es weniger Kirchen und damit auch weniger zu besetzende Stellen gibt.
(tk). Das Theologiestudium dauert zu lange und hat mit der Pflicht, Latein, Griechisch und Hebräisch zu lernen, zudem extrem hohe Hürden, lautet ein Kritikpunkt an der akademischen Nachwuchs-Ausbildung. Für Buxtehudes Superintendenten Dr. Martin Krarup ist Latein aber unverzichtbar. "Sonst könnte ein Pastor oder eine Pastorin nicht einmal Inschriften in der Kirche lesen." Auch viele Kirchenlieder seien auf Latein.
Den Verzicht auf die beiden anderen Sprachen hält Krarup ebenfalls für falsch. "Dabei geht es nicht um intellektuelle Erhöhung, sondern um Inhalte", so der Superintendent. Für ihn müsse ein Pastor in der Lage sein, Textstellen im Original lesen zu können, um ein tieferes Verständnis zu erlangen. "Das ist etwas, was die Menschen zu Recht von uns erwarten", sagt er.
"Das Berufsbild wird trotzdem bunter", sagt Martin Krarup. Etwa dadurch, dass Quereinsteiger über einen Studiengang Pastorin bzw. Pastor werden können.
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