Ist Religionsfreiheit mehr wert als andere Grundrechte?
Warum ich Klagen gegen Gottesdienst-Verbot falsch finde
Ist Religionsfreiheit ein höherwertigeres Recht als andere Grundrechte? Ich rege mich über diejenigen auf, die allen für mich verständlichen Einschränkungen zum Trotz noch Party machen. Die ihr vermeintliches Recht auf Freizeitvergnügen über den notwendigen Schutz aller anderen vor einer Infektion mit Covid-19 stellen. Doch genauso ärgerlich werde ich, wenn ich lese, dass es Klagen gegen das Verbot von Gottesdiensten gibt. Das wird unter anderem damit begründet, dass dies ein Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit sei.
Es steht außer Frage, dass es viele Menschen gibt, die Ostern beim Gottesdienst in einer (vollbesetzten) Kirche Halt in einer schweren Zeit finden würden. Und ja, es gibt auch Menschen, die keinen Zugang zu den (Online)Angeboten haben, die alle Kirchengemeinden in Corona-Zeiten entwickelt haben.
Die Begründung, warum gegen das Gottesdienstverbot geklagt wird, lässt ganz klar durchscheinen, dass für die Kläger das Recht auf freie Religionsausübung einen höheren Stellenwert als andere im Grundgesetz verankerte Grundrechte hat. Wir haben das Recht der Versammlungsfreiheit. Demo-Organisatoren könnten ja mittels Ordnern für den richtigen Abstand bei höchstens 50 Teilnehmern sorgen. Ein Berliner Probst, der zu den Klägern gehört, begründet mit diesem Abstands-Argument, dass es Gottesdienste geben könnte.
Wir haben im Grundgesetz auch das Recht der freien Berufsausübung. Jede Besitzerin oder jeder Besitzer eines Einzelhandelsgeschäftes, das wegen Corona schließen muss, kann seinen Beruf derzeit nicht ausüben - der grundgesetzlich garantieren Freiheit zum Trotz. Wir haben sogar das grundgesetzlich verbriefte Recht, unsere Persönlichkeit frei zu entfalten. Sollten Corona-Ignoranten jetzt gegen das Partyverbot klagen?
Haben Kirche und Religion andere, tiefergehende Rechte? Ich finde nicht und die Klagen gegen nachvollziehbare - wenn auch harte - Verbote sind kein Zeichen von Solidarität. Daran ändert sich auch nichts, weil der Staat die Religionsfreiheit garantiert. In Artikel elf, dort wird die Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet garantiert, steht, dass dieses Recht unter anderem bei Seuchengefahr eingeschränkt werden darf. Hier endet also derzeit auch die Freizügigkeit, eine Kirche für den Gottesdienst zu besuchen - egal ob in Konstanz oder Flensburg.
Tom Kreib
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