Ernte-Bilanz: Zu heiß und zu trocken
Landwirte rechnen mit deutlich schlechterer Ernte / Futterknappheit in der Tierhaltung erwartet.
(mum). Während sich die meisten Menschen im Landkreis Harburg über das seit Wochen gute Wetter freuen, stellen die hohen Temperaturen und vor allem das Ausbleiben von Regen die Landwirte vor große Probleme. "Das Jahr 2018 brachte einen sehr schwierigen und überaus unbefriedigenden Vegetationsverlauf mit sich", fasste Ulrich Peper, Leiter der Buchholzer Außenstelle der Landwirtschaftskammer, zusammen. Gemeinsam mit Kreislandwirt Willy Isermann und dem Landvolk-Vorsitzenden Rudolf Meyer präsentierte er jetzt erste Zahlen. Schon die Ausgangslage - ein deutlich zu nasser Herbst in 2017, gefolgt von lang anhaltender Trockenheit im Frühjahr ließ wenig Gutes erahnen.
Die Entwicklung der Wintersaaten über den Jahreswechsel hinweg sei durchwachsen verlaufen. Während es zunächst noch mild blieb, führte eine kurze, heftige Dauerfrostphase Ende März zu Problemen bei den ohnehin geschwächten Wintersaaten. Durchweg ausgedünnte Pflanzenbestände gingen so in die Hauptvegetationsphase ab April. Hohe Temperaturen und die winterliche Restfeuchte des Bodens führten zu einem schnellen Wachstum, der dann jäh durch die einsetzende Trockenheit gebrochen wurde, schilderte Peper. "Das witterungsbedingt ohnehin schwach ausgebildete Wurzelwerk war damit überfordert, einer Vertrocknung der Pflanzenmasse effektiv entgegen zu wirken", so Peper. Die für Getreide und Raps so wichtigen Hauptvegetationsmonate Mai und Juni hätten dann zu wenig Niederschlag und zu hohe Temperaturen gebracht.
"Dort wo es geht, läuft die landwirtschaftliche Beregnung spätestens seit Mitte Mai auf Hochtouren", informierte Isermann. Viele Bestände seien mit drei oder vier Durchfahrten versorgt worden. Allerdings sei eine Beregnung nur bei etwa einem Drittel aller Flächen möglich.
Was für den Ackerbau gilt, trifft auch für die Grünlandbewirtschaftung zu. Das junge Frühjahrsgras sei besonders energie- und eiweißreich gewesen. "Während der erste Schnitt bis Mitte Mai qualitativ hervorragend ausfiel und häufig nur die Menge fehlte, war der zweite Schnitt Anfang Juni vielerorts ein Totalausfall", so Peper. Die abgeernteten Flächen seien unter der Sonne verbrannt. "Ergeben sich im weiteren Vegetationsverlauf keine Alternativen, wird es bei vielen Rinderhaltern zu Futterengpässen kommen." Auch Pferdepensionen seien betroffen.
Die aktuelle Wetterlage lasse eine sehr zügige Ernte erwarten. Schon sehr schnell nach der Wintergerste, die bereits seit Wochen abgeerntet wird, kann der Winterraps folgen. Danach sind Roggen und Sommergerste sowie am Schluss der Weizen erntereif.
"Durch den insgesamt beschwerdereichen Vegetationsverlauf erwarten wir beim Getreide und beim Raps, bezogen auf den Landkreis Harburg, eine weit unterdurchschnittliche Ernte", so Peper. Dabei sei bei besseren Standorten ohne Beregnung mit einem Ertragsrückgang von 20 bis 25 Prozent gegenüber dem fünfjährigen Mittelwert zu rechnen. An trockenen Standorten würden Rückgänge von 30 bis 50 Prozent erwartet. "Auf nicht wenigen Flächen droht auch ein weitgehender Totalausfall", so Peper.
Für Niedersachsen prognostiziere man aktuell einen Ernterückgang von 17 Prozent, deutschlandweit von nur vier Prozent. Da es in Südeuropa und in weiten Teilen von Frankreich viel geregnet hat, erwartet Peper dort eine gute Ernte, sodass "die Ertragseinbußen des Nordens und des Nordostens global ausgeglichen werden". Die lokalen Verhältnisse seien nicht entscheidend, wenn es um den Weltmarktpreis geht. Derzeit erwarte man weltweit eine Weizenerzeugung leicht unter dem Verbrauch von 710 Millionen Tonnen. Demgegenüber stehen Lagerbeständige aus den zurückliegenden Jahren (270 Millionen Tonnen allein 2017). Konkret bewegen sich die Einstiegspreise untergliedert nach Fruchtart, Verfügbarkeit und Qualität für Getreide aktuell in einer Spanne von 15 bis 18 Euro je Dezitonne (Vorjahr 13 bis 15 Euro). Dabei wird das Qualitätsgetreide kaum besser bezahlt als Futtergetreide. Bei Raps sind Erntepreise im Bereich von 33 bis 35 Euro je Dezitonne (Vorjahr 34 bis 35 Euro) denkbar. Ein solches Preisniveau reiche in Anbetracht der schwachen Ernte keinesfalls aus, die Kosten der Produktion zu decken.
Stabiler stelle sich dafür die Situation auf dem Milchmarkt dar. Nach langer Krise hatten sich die Preise für Milchprodukte im vergangenen Jahr endlich erholt. "Ein Trend war dies jedoch nicht. Die Preise für Milchprodukte sind erneut unter Druck geraten und man muss abwarten, in welche Richtung es geht", so Peper.
55.000 Hektar Nutzfläche
Im Landkreis Harburg werden etwa 55.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in der Agrarstatistik ausgewiesen. Die Nutzfläche besteht zu etwa zwei Dritteln aus Ackerland (36.500 Hektar) und einem Drittel aus Grünland (18.500 Hektar). Auf dem Acker werden 13.500 Hektar mit Getreide (Vorjahr 16.500 Hektar) und 10.500 Hektar (Vorjahr 9.000 Hektar) mit Mais bestellt. Raps wächst auf 1.700 Hektar (Vorjahr 2.100 Hektar). Weiterhin gibt es 4.000 Hektar mit Hackfrüchten (1.000 Hektar Zuckerüben, 3.000 Hektar Kartoffeln) sowie 4.500 Hektar Sonderkulturen (unter anderem Weihnachtsbäume, Spargel und Erdbeeren). Die Restfläche (2.300 Hektar) besteht mehrheitlich aus Brachflächen. Darunter inzwischen mehr als 1.000 Hektar, die mit Blühpflanzen bewachsen sind und den Insekten helfen.
Damit hat sich der Anbau auf dem Acker im Vergleich zum Vorjahr merklich verändert. Während die Getreidefläche aufgrund der Bestellproblematik im Herbst 2017 um 3.000 Hektar zurückging, hat sich die Maisanbaufläche um 1.500 Hektar erhöht. Demgegenüber steht ein leichter Zuwachs bei den Sonderkulturen.
Vertrockneter Winterweizen
Ulrich Peper erklärt, woran man den schlechten Zustand von Winterweizen erkennt.
• Es sind dunklere Trockenstellen zu finden (der Bestand wirkt sehr ungleich).
• Der Bestand steht deutlich dünner als üblich.
• Die Einzelpflanzen sind deutlich kürzer.
• Die Ähren sind kürzer als normal. Zusätzlich kam es zu Reduzierungen im oberen und unteren Bereich der Ähre. In Stresssituationen stellt die Pflanze ihre Versorgung der außenliegenden Ährenbereiche ein. Nur in der Mitte der Ähre wachsen noch normalgroße Körner, die in der Natur dazu dienen würden, die Art zu erhalten.
Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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