Diskussion um Bossard-Erweiterung
Landrat Rainer Rempe zum Spiegel-Bericht über Johann Bossard: "Der Bericht schafft keine neuen Fakten!"
mum. Winsen. Landrat Rainer Rempe (CDU) ist ein leidenschaftlicher Befürworter der "Kunsthalle der Lüneburger Heide". Daran ändert auch der Spiegel-Bericht nichts. WOCHENBLATT-Redakteur Sascha Mummenhoff sprach mit ihm über die jüngsten Veröffentlichungen. Rempe ist auch Vorsitzender des Stiftungsrats der Kunststätte.
WOCHENBLATT: Kann man nach der Veröffentlichung noch an der Umsetzung der Erweiterung festhalten?
Rainer Rempe: Der Spiegel-Bericht schafft keine neuen Fakten, aufgrund derer man jetzt eine andere Entscheidung treffen muss, sondern stellt lediglich eine sehr einseitige Interpretation bereits bekannter Inhalte dar. Die Kunststätte hat sich in der Vergangenheit sehr ausführlich und öffentlich mit der Rolle von Johann Bossard im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Der Stiftungsrat hat sich hier intensiv eingebracht und immer wieder auch einzelne Kunstwerke und schriftliche Äußerungen Bossards diskutiert. Dabei wurde deutlich, wie komplex das Thema ist und wie wichtig es ist, möglichen NS-Belastungen der Bossards auf den Grund zu gehen. Mit der Dokumentation "Über dem Abgrund des Nichts - Die Bossards in der Zeit des Nationalsozialismus" wurde die Haltung der Bossards zum Nationalsozialismus umfassend aufgearbeitet.
WOCHENBLATT: Diese Dokumentation, für die Bossard-Leiterin Gudula Mayr verantwortlich ist, wird im Spiegel scharf kritisiert (die Veröffentlichung diene "eher einer Weißwaschung der braunen Vergangenheit Bossards").
Rempe: Zunächst einmal ist jede Kritik völlig legitim. Ohne selbst Historiker oder Kunsthistoriker zu sein, teile ich diese pauschale Bewertung nicht. An dem damaligen, interdisziplinären Forschungsprojekt haben neben Frau Mayr zahlreiche Wissenschaftler mitgearbeitet. Gemeinsam und in der Gesamtschau aller Dokumente sind sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bossards in den Jahren 1932 bis 1934 zwar den Nationalsozialisten und Teilen ihrer Programmatik aufgeschlossen gegenüberstanden, sie aber nie NSDAP-Mitglieder waren und sich auch nicht parteipolitisch engagierten. Stattdessen standen sie dem Nationalsozialismus in den kommenden Jahren mit wachsender Distanz gegenüber. Regimekritiker oder Widerstandskämpfer sind die Bossards nie gewesen. Ihnen ging es darum, ihr Leben und ihre Kunst unabhängig weiterzuführen. Dies alles wird in der Dokumentation umfassend und schlüssig dargelegt.
WOCHENBLATT: Der Spiegel-Bericht macht Bossards Meinung zu Juden deutlich ("Wäre doch ein Jude dazwischen, damit ich ihm die Schuld geben könnte"/ "Götzenkult des Juden"). Bossard war ein Antisemit. Wie bewerten Sie diese Aussagen?
Rempe: Wenn man diesen einzelnen Satz liest, ist er ohne Frage antisemitisch und abzulehnen. Gerade Äußerungen wie diese gaben dem Stiftungsrat damals den Anstoß, das bereits erwähnte Forschungsprojekt zu Bossard anzustoßen, um seine Rolle in der NS-Zeit kritisch zu hinterfragen und umfassend darüber aufzuklären. Das kann aber immer nur in der Gesamtschau geschehen und nicht anhand einzelner Aussagen. Trotzdem wird auch diese Äußerung Anlass sein, das Ganze noch einmal sehr kritisch zu prüfen. Sollte das Projekt umgesetzt werden, wird gerade die Aufarbeitung ein wesentlicher Baustein sein.
• Bossard-Leiterin Gudula Mayr äußerte sich bis Redaktionsschluss gegenüber dem WOCHENBLATT nicht zu der Kritik, Johann Bossard vom Nazi-Vorwurf freigewaschen zu haben.
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Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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