Nur noch fünf Flüchtlinge in der Woche
Reiner Kaminski nennt im WOCHENBLATT-Interview Zahlen zur aktuellen Asylbewerber-Situation im Landkreis Harburg.
(mum). Die Zahl derjenigen, die als Flüchtlinge in den Landkreis Harburg kommen, ist drastisch gesunken. Statt 120 Personen vor gut zweieinhalb Jahren, sind es derzeit höchsten fünf in der Woche. Das hat Folgen auf die Unterbringungssituation, aber auch auf die Kosten. WOCHENBLATT-Redakteur Sascha Mummenhoff sprach mit Reiner Kaminski, Fachbereichsleiter Soziales beim Landkreis Harburg, über die Situation.
WOCHENBLATT: Wie viele Flüchtlinge gibt es im Landkreis Harburg?
Reiner Kaminski: Es sind 3.865 Personen. Darunter fallen unter anderem geduldete Flüchtlinge, Menschen mit einem Aufenthaltstitel aus humanitärem Grund, die nach dem 1. Januar 2014 nach Deutschland einreisten und zur Familienzusammenführung Eingereiste. Letzteres nur dann, wenn die hier lebende Bezugsperson einen Aufenthaltstitel aus humanitärem Grund besitzt.
WOCHENBLATT: Wie viele Flüchtlinge sind in diesem Jahr dazu gekommen?
Kaminski: Das sind 155 Personen bis zum 31. August. Im Durchschnitt sind es derzeit 4,43 Personen pro Woche.
WOCHENBLATT: Wie viele Unterkünfte und Plätze gibt es?
Kaminski: Wir verfügen über 57 Unterkünfte mit 2.452 Plätzen. Zehn Unterkünfte mit 597 Plätzen stehen derzeit leer.
WOCHENBLATT: Was kostet dieser Leerstand?
Kaminski: Die Kosten belaufen sich monatlich auf knapp 200.000 Euro. Außerdem zahlt der Landkreis 95.000 Euro im Monat für 268 eingelagerte Containermodule.
WOCHENBLATT: Wie viele Unterkünfte sollen geschlossen werden und in welchen Zeitraum?
Kaminski: Die Planung für 2019 wird derzeit erarbeitet und voraussichtlich im Sozialausschuss auf der Sitzung am 24. September vorgestellt.
WOCHENBLATT: Gibt es Zahlen darüber, wie viele Flüchtlinge inzwischen selbst Wohnraum gemietet haben?
Kaminski: Etwa zehn Personen pro Monat verlassen unsere Unterkünfte, um in privaten Wohnraum zu ziehen.
WOCHENBLATT: Wie viele Personen beschäftigt der Landkreis im Bereich "Flüchtlinge"?
Kaminski: Die Abteilung 54 "Migration" beschäftigt 51 Menschen.
WOCHENBLATT: Gibt es Pläne, die Zahl zu reduzieren oder zu erhöhen?
Kaminski: Im Zuge des starken Zuzugs von Flüchtlingen im Jahr 2015 wurde die Mitarbeiterzahl in der zuständigen Abteilung kontinuierlich erhöht. In den Jahren 2016/17 wurde kontinuierlich eine Ablaufoptimierung mit Personalbedarfsmessung durchgeführt. Mit Rückgang der Flüchtlingszahlen wird der Personalbedarf angepasst. Rückgängige Flüchtlingszahlen sind aber nicht der einzige Indikator für den Arbeitsanfall. Die steigende Anzahl Geduldeter und der hohe Arbeitsaufwand für die Aufenthaltsbeendigung erfordern ebenso einen besonderen Arbeitseinsatz wie die Schließungen von Flüchtlingsunterkünften mit der damit verbundenen Organisation der Umzüge der Bewohner.
WOCHENBLATT: Wie hoch sind die Kosten für einen Flüchtling im Monat?
Kaminski: Die durchschnittlichen Kosten für einen Flüchtling sind schwierig zu ermitteln. Dies liegt daran, dass im Laufe eines Jahres kontinuierlich Flüchtlinge dazu kommen oder auch aus dem Leistungsbezug herausfallen. Es können somit nicht einfach die Gesamtkosten auf alle Flüchtlinge verteilt werden. Wir haben daher die durchschnittliche Zahl der Flüchtlinge, die Leistungen beziehen, ermittelt und dieses ins Verhältnis zu den Gesamtkosten gesetzt. Daraus ergeben sich im Jahr 2017 je Flüchtling Ausgaben in Höhe von etwa 15.000 Euro. Die Landespauschale für 2017 betrug 11.192 Euro pro Person und Jahr.
WOCHENBLATT: Gibt es eine Statistik darüber, wie viele Flüchtlinge inzwischen anerkannt sind?
Kaminski: Im Jahr 2017 waren es 681 positive Entscheidungen und in 2018 aktuell 168 positive Entscheidungen. In der Zahl sind die Abschiebeverbote mit enthalten. Wenn gegen den Bescheid Klage erhoben wurde - etwa seitens des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten - bleibt es bis zur Beendigung des Klageverfahrens bei der Gestattung.
WOCHENBLATT: Und wie viele Flüchtlinge haben einen Job gefunden und sind nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen?
Kaminski: Zu dieser Frage gibt es keine passende Statistik. Nur eine, die Auskunft über Personen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern gibt. Seit Sommer 2017 ist dabei ein erheblicher Zugang an Beschäftigung zu verzeichnen. Und zwar von 291 Beschäftigungsverhältnissen im Juni 2017 auf 1.226 im November 2017. Aufgrund saisonaler Entwicklungen ist die Zahl im Januar 2018 wieder auf 856 zurückgegangen.
WOCHENBLATT: Danke für das Gespräch.
Kosten für den Landkreis
Die Aufwendungen umfassen alle Kosten (unter anderem Personal, Leistungen, Krankenhilfe und Unterbringung).
Kostenbeteiligungen gibt es nicht nur vom Land, sondern auch von anderen Stellen, deshalb sind noch einmal die Erstattungen insgeamt aufgeführt.
Die Ansätze für 2018 und 2019 sind aus der Haushaltsplanung Mitte 2017. Hier gibt es natürlich noch keine belastbaren Zahlen.
2017 (alle Beträge gerundet):
• Aufwendungen: insgesamt rund 43,2 Millionen Euro
• Erstattungen Land: 28,4 Millionen Euro
• Erstattungen insg.: 32,8 Millionen Euro
• Kosten Landkreis: 10,4 Millionen Euro
Haushaltsansatz 2018 (alle Beträge gerundet):
• Aufwendungen: insgesamt rund 42,2 Millionen Euro
• Erstattungen Land: 22,3 Millionen Euro
• Erstattungen insg. : 28,5 Millionen Euro
• Kosten Landkreis: 13,7 Millionen Euro
Haushaltsansatz 2019 (alle Beträge gerundet):
• Aufwendungen: insgesamt rund 40,8 Millionen Euro
• Erstattungen Land: 21,3 Millionen Euro
• Erstattungen insg.: 27,2 Millionen Euro
• Kosten Landkreis: 13,6 Millionen Euro
Aktueller Bestand an Unterkünften
Diese Unterkünfte wurden 2017 geschlossen:
• Hoopte (Hoher Morgen 22, Winsen), 10 Plätze
• Appel (An der Kreisstraße, Holenstedt), 9 Plätze
• Winsen (Im Saal 22), 29 Plätze
• Bendestorf (Im alten Dorfe 2), 12 Plätze
• Salzhausen (Schulstraße 10), 8 Plätze
• Elbmarsch (Elbuferstraße 164), 10 Plätze
• Jesteburg (Gartenstraße 17), 14 Plätze
Diese Unterkünfte wurden/werden im Jahr 2018 geschlossen:
• Jesteburg (Erikaweg 1), 28 Plätze
• Neu Wulmstorf (Hauptstraße 69), 49 Plätze
• Klecken (Bahnhofstraße 89, Rosengarten), 28 Plätze
• Jesteburg, Hotel Niedersachsen, 100 Plätze
• Buchholz (Bremer Straße 74e) 22 Plätze
• Buchholz (Bahnhofstraße 7), 10 Plätze
• Meckelfeld (Seevedeich 5 Seevetal) 55 Plätze
• Meckelfeld (Zürnweg 7, Seevetal), 56 Plätze
• Winsen (Hinterm Böge 12), 12 Plätze (ist zum 21. Dezember gekündigt, aber noch in Nutzung)
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Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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