Organisierte Flüchtlings-Kriminalität?
Polizei warnt vor Tätern aus dem russisch-eurasischen Bereich.
mum. Jesteburg. „Die Kriminalität in Jesteburg hat aufgrund der dort wohnenden Flüchtlinge zugenommen. Jede Woche stehen Streifenwagen vor dem Hotel Niedersachsen, wo bis zu 100 Asylbewerber untergebracht sind!“ - Solche Sätze sind in dem kleinen Dorf häufig zu hören - beim Friseur, im Restaurant und beim Einkaufen. Noch deutlicher werden die Leute bei Facebook. Dort ist mitunter von weiblichen Ladenbesitzern zu lesen, die sich nicht mehr trauen, allein im Geschäft zu stehen, wenn fremdländisch aussehende Männer die Räume betreten. Sind das alles nur Gerüchte? Wird bewusst mit den Ängsten der Bürger gespielt? Oder beruhen die Aussgen auf tatsächlichen Beobachtungen? Derzeit sind in der Samtgemeinde Jesteburg etwa 220 Flüchtlinge untergebracht.
Die Wahrheit liegt dazwischen. Das bestätigten jetzt Polizeikommissar Lars Nickelsen (Pressesprecher der Polizeiinspektion Harburg) und Polizeioberrat Frank Freienberg (Leiter des Zentralen Kriminaldienstes in Buchholz) im
WOCHENBLATT-Gespräch. „Es ist richtig, dass die Kriminalität im vergangenen Jahr deutlich zugenommen hat“, so Freienberg. Das gelte für Jesteburg ebenso wie für den ganzen Landkreis. „Ich kann aber nicht bestätigen, dass dies mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen zusammenhängt.“
Der Polizeioberrat macht das am Beispiel von Jesteburg deutlich. Die offiziellen Zahlen für 2015 würden erst nach Ostern veröffentlicht. 2014 habe es aber allein in der Samtgemeinde 436 Straftaten gegeben. Letztes Jahr seien es knapp über 500 gewesen. 2015 habe es in der Samtgemeinde 31 angezeigte Straftaten von Asylbewerbern gegeben. Diese kämen zum Teil aus dem gesamten Bundesgebiet und nicht ausschließlich aus Jesteburg. 13 Mal handelte es sich dabei um Ladendiebstähle, bei denen überwiegend Dinge des täglichen Bedarfs gestohlen wurden. Zudem registrierte die Polizei sechs Körperverletzungen. „Aber keines dieser sechs Vergehen richtete sich an Deutsche“, so Freienberg. Die Flüchtlinge seien in der Unterkunft untereinander in Streit geraten.
Der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes weist auf eine Besonderheit hin: Im Schatten der Flüchtlingskrise seien organisierte Banden am Werk. „Wir sprechen in diesem Fall von Dieben im Gesetz“, so der Polizist (siehe Kasten). Es gehe dabei um gut organisierte Banden aus dem russisch-eurasischen Bereich. Freienberg schließt nicht aus, dass die Mitglieder dieser Kreise als Asylbewerber ins Land geschickt werden. Zudem sei es auch möglich, dass sie später angeworben werden.
„Wir haben es in Jesteburg erlebt, dass ein Ladendieb auf der Flucht durch das Hotel Niedersachsen gelaufen ist. Er wollte den Eindruck erwecken, er würde dort wohnen“, so Jesteburgs Verwaltungschef Hans-Heinrich Höper. Nickelsen ergänzt: „Mitunter entsteht in der Bevölkerung der falsche Eindruck, dass Flüchtlinge oft straffällig werden. Nicht jedes Mal, wenn ein Streifenwagen vor einer Unterkunft steht, bedeutet dies, dass eine Straftat vorliegt.“
Freienberg will zudem ein weiteres Gerücht aus der Welt schaffen. „Wir halten keine Straftaten zurück, nur weil sie von Flüchtlingen begangen wurden.“ Die Polizei gebe über ihre Pressestelle Delikte von Asylbewerbern genauso weiter, wie die von Deutschen.
Dem spricht allerdings entgegen, dass das WOCHENBLATT erst Ende des Jahres berichtet hatte, dass es eine Richtlinie des niedersächsischen Innenministeriums für Polizeidienststellen gibt, mit Vorkommnissen mit Flüchtlingen möglichst defensiv umzugehen.
Diebe im Gesetz
(mum). Die Organisation „Diebe im Gesetz“ entstand laut Landeskriminalamt (LKA) in der Sowjetunion zu Beginn der 1920er-Jahre. Zu der Zeit seien Kriminelle zusammen mit den damaligen Regimegegnern in Strafgefangenenlagern inhaftiert worden. Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre habe sich für die organisierte Kriminalität in Russland und den anderen ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion die Gelegenheit geboten, ihren Einfluss zu vergrößern. Die Mitglieder der „Diebe im Gesetz“ begehen nach Angaben des LKA meist Straftaten wie Wohnungseinbrüche, Ladendiebstähle oder Rauschgifthandel. Die Vereinigung gehorche bestimmten Regeln und Gesetzen. Die Mitglieder schreckten auch vor Gewalt nicht zurück, um Opfer einzuschüchtern. Der von den Banden angerichtete Schaden liegt laut BKA allein im Bereich Ladendiebstahl bundesweit pro Jahr bei 250 Millionen Euro.
Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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