Kommunen fordern mehr Unterstützung
Eltern und Rentner entlasten Kindergärten?

Mütter protestierten: Im Dezember musste eine Krippengruppe in Jesteburg wegen Personalmangel geschlossen werden | Foto: bim
  • Mütter protestierten: Im Dezember musste eine Krippengruppe in Jesteburg wegen Personalmangel geschlossen werden
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In vielen Kommunen ist die Kinderbetreuung gerade ein Problem: Es gibt zu wenig Erzieher auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb müssen Betreuungszeiten in Kindergärten eingeschränkt oder ganze Gruppen zeitweise geschlossen werden, wie zum Beispiel im Winter in Jesteburg und in Maschen und in einigen anderen Kindergärten des Landkreises geschehen. Flexible Betreuungsvorschläge von Jesteburger Eltern mussten da noch wegen strikter gesetzlicher Vorgaben abgelehnt werden.

Die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) plant jetzt Änderungen beim Niedersächsischen Gesetz über Kindertagesstätten und Kindertagespflege (NKiTaG), die mehr Flexibilität schaffen und zum Herbst in Kraft treten könnten. Eine Arbeitsgruppe der kommunalen Spitzenverbände bezog jetzt Stellung. Ihr Fazit: Dadurch würden keine Probleme gelöst. Stattdessen fordern Städte und Gemeinden höhere Zuschüsse zu den Personalkosten, flexible und niedrigere Betreuungsstandards, zumindest in Randzeiten.

Problem 1: Zu geringe Zuschüsse vom Land

„Die Kosten der Kindertagesstätten entwickeln sich zum finanziellen Sprengsatz für die kommunalen Haushalte", schreibt der Präsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Landrat Sven Ambrosy aus dem Landkreis Friesland. Die Kommunen brächten 2,25 Milliarden Euro für den Betrieb der Kindertagesstätten auf. Das Land zahle aber nicht genug dazu: Zur angestrebten Zwei-Drittel-Beteiligung des Landes an den Personalkosten fehlten 400 Millionen Euro pro Jahr, Tendenz steigend.

Tatsächlich werde nicht einmal die gesetzlich vereinbarte Beteiligung erreicht, so Ambrosy. Hinzu komme, dass das Land sich beispielsweise an den Kosten für manche Teilzeitkräfte gar nicht beteilige und Finanzierungszusagen im Krippenbereich nicht einhalte. „So werden wir die stärkere Nachfrage und den wachsenden Anspruch an Kita-Betreuung nicht weiter leisten können“, sagt der NLT-Präsident.

Die Kinderbetreuung wird tatsächlich in vielen Gemeinden zur Kostenfalle: So kann in Jesteburg ein dringend gebrauchter neuer Kindergarten nicht gebaut werden, weil die Gemeinde kein Geld hat und umso mehr auf angemessene Zuschüsse angewiesen ist.

Problem 2: Erziehermangel

Dr. Jan Arning, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetags (NST), sieht vor allem den Erziehermangel als dramatisch an: Bei zwölf vom NST befragten Städten gebe es aktuell 160 unbesetzte Stellen für pädagogische Kräfte bei städtischen Kitas. Diese Zahl werde sich bis zum Jahr 2026 auf voraussichtlich 640 erhöhen. „Es fehlen insbesondere Erzieherinnen und Erzieher. Wenn sich das Land nicht stärker bewegt und mehr Flexibilität bei den Personalstandards schafft, wird es auch weiterhin keine Verlässlichkeit geben“, erklärt Arning.

Weil sie die Probleme täglich erfahren, bemühen sich einige Kommunen selbst um Linderung. So hat die Stadt Buchholz im April mit der Kampagne "Kitas in der Nordheide" ein Portal (www.kitasindernordheide.de) eingerichtet: Alle 27 Einrichtungen in der Stadt bieten dort unter anderem bei einer Jobbörse offene Stellen an.
Der DRK-Kreisverband beteiligt sich an dem Modellprojekt der berufsbegleitenden Erzieherausbildung, bei dem sozialpädagogische Assistenten in Teilzeit berufsbegleitend zu Erziehern ausgebildet werden.
Auch die Metropolregion Hamburg versucht über eine länderübergreifende Koordinierungsstelle Fachkräfte, zum Beispiel auch Erzieher, im Norden zu halten.

Was trotzdem aber nach wie vor viele junge Leute abschreckt: Die klassische Erzieherausbildung ist unbezahlt, weil rein schulisch. Nur bei einer sogenannten Praxisintegrierten Ausbildung PiA gibt es Praktika, die auch bezahlt werden müssen. Die geplanten Gesetzesänderungen dürften insofern kaum eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt bringen.

Problem 3: Zu hohe Standards

Dr. Marco Trips, Präsident des Niedersächsischer Städte- und Gemeindebundes (NSGB), weist außerdem  auf "überbordenden Standards" hin. "Unsere Kitas müssen vor allem immer dann schließen, wenn die Standards und Vorgaben des Landes nicht mehr aufrechterhalten werden können." Außerhalb der Kernzeiten könne man eine wertschätzende Betreuung "durch weitere geeignete Personenkreise" zulassen, um Schließungen zu verhindern. Das könnten eventuell auch Eltern oder Rentner sein. Für Eltern sei entscheidend, dass Kitas verlässlich geöffnet sind.

Geplante Neuerungen im Kindergartengesetz

  • Um den Mangel an pädagogischen Fachkräften zu mindern, sollen erfahrene Assistenzkräfte bis zum 31. Juli 2030 als Gruppenleitungen eingesetzt werden dürfen, sofern diese eine spezielle Weiterbildung beginnen.
  • Bis 2026 soll die Betreuung in Randzeiten flexibler gestaltet werden: Unter bestimmten Bedingungen dürfen zwei Assistenzkräfte (statt einer Fach- und einer Assistenzkraft) eingesetzt werden.
  • Der Einsatz von zwei Assistenzkräften muss nicht mehr genehmigt, sondern nur angezeigt werden. Damit soll Bürokratie reduziert werden.
  • Bis 2026 wird die Möglichkeit erweitert, in unvorhersehbaren Fällen "geeignete Vertretungspersonen" einzusetzen, um flexibler auf personelle Engpässe reagieren zu können.
  • Eine Verlängerung der Übergangsfristen bis 2028 gibt bestimmten Einrichtungen der Großtagespflege mehr Zeit, sich an neue Regelungen anzupassen.
  • Die Regelung zur verpflichtenden dritten Kraft in Krippengruppen bleibt bestehen, allerdings wird den Trägern ermöglicht, bei Personalmangel flexibel zu reagieren, ohne die Gruppen schließen zu müssen.
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Redakteur:

Gabriele Poepleu aus Jesteburg

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