Kunst: Diesmal geht es um 100.000 Euro

Die Bahnunterführung sieht nicht sehr ansehnlich aus. 
Aber rechtfertigt dies eine Kunst-Sanierung für mehr als 15.000 Euro?
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  • Die Bahnunterführung sieht nicht sehr ansehnlich aus.
    Aber rechtfertigt dies eine Kunst-Sanierung für mehr als 15.000 Euro?
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Typisch Jesteburg? Die Bahnunterführung am Ortsausgang ist in einem schlimmen Zustand. Das einst sehenswerte Kunstwerk ist kaum noch zu erkennen. Doch statt Künstler aus dem Ort oder die Jungen und Mädchen der Oberschule zu bitten, sich kreativ auszutoben, wird vermutlich der Berliner Künstler Michael Conrads den Zuschlag bekommen - für 15.000 Euro. Zudem bekommt der Verein „Naturbühne Jesteburg“ fast 60.000 Euro geschenkt - ein Darlehen soll in einen Zuschuss umgewandelt werden.

mum. Jesteburg. „Jesteburgs Geldschleuder wird wieder angeworfen“ lautet fast schon traditionell die WOCHENBLATT-Schlagzeile, um die Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Tourismus und Kultur (WTK) der Gemeinde Jesteburg anzukündigen, in der die Vereine um finanzielle Unterstützung bitten. Neues Jahr, neues Glück - am heutigen Mittwoch, 25. Oktober, dürfen die Ausschuss-Mitglieder wieder bestimmen, welche Vereine aus dem Gemeinde-Füllhorn bedacht werden. Es wird eine interessante Sitzung, die um 19 Uhr im Sitzungsraum der Seniorenbegegnungsstätte (Sandbarg 32) beginnt. Fünf Vereine bitten um Zuschüsse in Höhe von insgesamt 100.000 Euro. Zwei Anträge dürften für besonders viel Gesprächsstoff sorgen. Unter anderem will Ausschuss-Vorsitzender Hans-Jürgen Börner (SPD) mehr als 15.000 Euro für die Verschönerung der Bahnunterführung ausgeben. Zudem soll das 60.000-Euro-Darlehen für den Bau der „Naturbühne“ in einen Zuschuss umgewandelt werden.

Eine Übersicht:
• Kunstverein Jesteburg: Kunsthaus-Kuratorin Isa Maschewski möchte 5.000 Euro haben. Sie begründet ihren Antrag mit der steigenden Beliebtheit des Kunsthauses. „Die Zahl unserer Mitglieder ist auf über 320 gestiegen, was uns zu einem der mitgliederstärksten Kunstvereine, nicht nur in der Region, sondern auch im ländlichen Bereich in ganz Niedersachsen werden ließ. Die Qualität des Programms hat schon lange auch überregional großen Anklang gefunden. Die Besucherzahlen aus dem Jahr 2016 konnten wir 2017 stabil halten, so dass wir am Ende des Jahres wohl bei etwas mehr als 6.000 Besuchern liegen werden. Wir können einen definitiven Anstieg der Attraktivität, der Bekanntheit und der Beliebtheit des Kunstvereins und unseres Programms verzeichnen.“

• Jesteburger „Podium“: Vorsitzende Karin Neudert hält sich mit finanziellen Forderungen selten zurück. Für 2016 verlangte sie 10.000 Euro. Diesmal ist sie mit 6.500 Euro bescheidener. Neudert betont, dass das Programm „ein sehr anspruchsvolles Niveau“ hat. Als besonderes Highlight sei ein Konzert eines Streichquartetts geplant, das bereits in der Elbphilharmonie aufgetreten sei. Im Schnitt würden die einzelnen Veranstaltungen von bis zu 100 Gästen besucht werden - „und unsere Besucherzahl steigt ständig“, so Karin Neuert.

• Kunstnetz Jesteburg: Stefanie Busch bittet um einen Zuschuss in Höhe von 1.700 Euro. Davon sollen zwei Veranstaltungen - die Mai-Ausstellung im „Heimathaus“ mit 1.100 Euro und die Gartenreise mit 600 Euro - unterstützt werden.

• Kunststätte Bossard: Museumsleiterin Dr. Gudula Mayr bittet um einen Zuschuss in Höhe von 1.600 Euro für ein Musiktheaterprojekt. Die Aufführung von „Der Zauberer von Oz“ soll im Februar 2019 stattfinden und in Kooperation mit Loretta Wollenberg organisiert werden. Die Kunststätte selbst wird jedes Jahr pauschal mit 25.000 Euro unterstützt. Weitere 105.000 Euro hat die Gemeinde für die Bereitstellung der Räume am Sandbarg ausgegeben. 

Aus Darlehen wird Geschenk

(mum). Im Blickpunkt dürfte am Mittwoch auch ein Antrag stehen, der sich mit der „Naturbühne“ beschäftigt. Der Verein „Naturbühne“ hatte 2012 ein Darlehen in Höhe von 60.000 Euro für den Bau der Bühne erhalten. Nach den Beratungen im WTK-Ausschuss und im Verwaltungsausschuss soll das Darlehen durch einen Zuwendungsbescheid in Höhe des verbleibenden Betrages von 59.466,60 Euro abgelöst werden. Das bedeutet, der Verein bekommt das Geld geschenkt. Offensichtlich geht man nicht davon aus, dass der Verein jemals in der Lage ist, die Summe aufzubringen. Die Konzerte und Veranstaltungen sind im besten Fall kostendeckend. Rücklagen bestünden nicht, so bittet der Verein zusätzlich um einen rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 5.000 Euro für ein „Truck Stop“-Konzert.
Positiv: Im Gegensatz zu anderen Jesteburger Kunst- und Kulturschaffenden schafft es der „Naturbühnen“-Vorstand, diese Zuschüsse in der Regel zurückzuzahlen. Zuletzt flossen 5.000 Euro für das Konzert von Stefan Gwildis zurück an die Gemeinde. Vereinsvorsitzender Bernd Jost betont, dass die Bühne im Besitz des Vereines bleiben soll. „Wir werden für den Zustand weiterhin verantwortlich sein.“ Außerdem weist er darauf hin, dass durch die Nebengebäude und weitere Investitionen inzwischen ein Wert von mindestens 120.000 Euro entstanden sei.

Auf ein Wort

15.000 Euro für einen Berliner Künstler?

Den Vogel schießt Politik-Veteran Hans-Jürgen Börner (SPD) ab. Er setzt sich für ein neues Kunstwerk an der Bahnunterführung am Ortsausgang Richtung Bendestorf ein. Die Verwaltung hat bereits abgelehnt, die Koordination zu übernehmen. Stattdessen wird Kunsthaus-Kuratorin Isa Maschewski vorgeschlagen. Offensichtlich spielt es im Rathaus keine Rolle, dass sie bereits mit der Fertigstellung des Kunstpfads überfordert ist (das WOCHENBLATT berichtete mehrfach). Die Eröffnung des Pfads wurde mehrfach verschoben. Dazu gab es reichlich Wirbel um die missglückte und überteuerte Straßenkunst.
Einen Vorschlag hat Börner auch schon: Der Berliner Künstler Michael Conrads würde für 14.935 Euro „Under the brige“ an die Wand werfen.
Typisch für Maschewski und Börner ist, dass Conrads in Jesteburg bereits tätig war - natürlich gegen Honorar. 3.000 Euro bekam er für das Straßenkunstprojekt an der Buskehre. Und auch im Kunsthaus stellte Conrads bereits aus - sicherlich nicht, ohne auch dafür eine Gage zu bekommen. Nicht im Preis eingeschlossen ist die Vorbereitung des Untergrunds. 2008 zahlte Jesteburg dafür 5.500 Euro.
Die Idee, die Bahnunterführung mit einem Kunstwerk aufzuwerten, ist gar nicht schlecht. Nur warum kommen nicht Jesteburger Künstler zum Zug? Genauso könnten sich Kinder des Dorfes (etwa aus der Oberschule) beteiligen. Genau dies hatten die Jesteburger gefordert, als Maschewski mehr als 10.000 Euro für die Straßenkunst verschleuderte. Aber Kunst aus dem Dorf ist für Börner und Maschewski offensichtlich nicht gut genug. Oder will Börner womöglich Maschewski und ihrem Künstler-Kumpel Conrads finanziell unter die Arme greifen?
Sascha Mummenhoff

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Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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