Einigung über Bahntrasse nach Hannover
Neubaustrecke ist vom Tisch
Aufatmen in vielen Dörfern im Landkreis Harburg: Vorerst werden keine ICE auf ihrem Weg von Hamburg nach Hannover mit bis zu Tempo 300 auf einer neu gebauten Strecke auf riesigen Dämmen und durch Tröge durch den Landkreis donnern, und auch keine Güterzüge: Der Neubau einer Schnellstrecke der Deutschen Bahn entlang der A7 von Hamburg nach Hannover ist vorerst vom Tisch.
Offenbar haben sich der Bund und das Land Niedersachsen auf einen Ausbau der bestehenden Trasse über Lüneburg und Uelzen geeinigt, bestätigte Bahn-Vorständin Ingrid Felipe. "Wir werden umgehend Gespräche mit unseren Auftraggebern, dem Bundesverkehrsministerium und dem Land Niedersachsen, suchen, um für die bestehenden Anforderungen - erweiterter Umfang der Generalsanierung und Ausbau der Kapazitäten zur Erreichung der verkehrspolitischen Ziele des Deutschlandtakts - gemeinsam die nächsten Schritte festzulegen." Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums betont, es müssten "dringend zusätzliche Kapazitäten auf diesem Korridor geschaffen" und er durch die Generalsanierung und eine Erweiterung der Kapazitäten "für den Deutschlandtakt ertüchtigt" werden. Später müsse man die "künftig nötige Kapazität" im Personen-und Güterverkehr noch einmal betrachten.
Strecke über Lüneburg und Uelzen wird saniert
Statt eines Neubaus soll die Strecke über Lüneburg und Uelzen saniert und wo nötig mit weiteren Gleisen und Weichen ausgestattet werden. Dafür wird die ursprünglich für 2026 geplante "Generalsanierung" erweitert und auf 2029 verschoben, damit der - bisher nicht vorgesehene - zusätzliche Ausbau geplant werden kann. Denn auch die Bestandsstrecke kann schneller werden, indem man nicht nur vorhandene Gleise saniert, sondern durch zusätzliche ergänzt. Bisher wurden ICE vor allem durch Bahnhöfe ausgebremst. Das könnte man durch zusätzliche Gleise verbessern. Bahn-Experten sehen eine Möglichkeit, die Durchfahrt durch den Bahnhof Lüneburg so von bisher 120 km/h auf 190 km/h zu beschleunigen.
Der neue Vorstoß kommt offenbar vom niedersächsischen Verkehrsminister Olaf Lies (SPD). Er hatte Ende Juli bei einem Gespräch mit Kommunalpolitikern und Vertretern der Deutschen Bahn im Uelzener Rathaus vorgeschlagen, die sowieso anstehende Generalsanierung der Bahnstrecke Hannover-Hamburg dazu zu nutzen, Teile des Alpha E-Projektes schon mit auszubauen. Erst danach solle entschieden werden, ob und welcher zusätzliche Bedarf tatsächlich noch bestehe. Und zwar in einem Raumordnungsverfahren.
Langer Streit über Neubau
Vorausgegangen war ein jahrzehntelanger Streit um die Notwendigkeit einer ganz neuen Trasse: Das Vorhaben hatte Tausende im Landkreis auf die Barrikaden gebracht und rund 25 Bürgerinitiativen auf den Plan gerufen, weil es zahlreiche Ortschaften im Landkreis zerschnitten und große Teile der Landschaft zerstört hätte. Und das, obwohl es 2015 im Dialogforum Schiene Nord einen Kompromiss zwischen Trassengegnern und Bahn gegeben hatte. Über sein Ergebnis ("Alpha-E", Ausbau der Bestandsstrecke) hatte sich die Bahn kürzlich hinweggesetzt und die alten Neubaupläne wiederbelebt.
Das Ziel der Planungen: Mehr Güterverkehr ermöglichen und den ICE nach Hannover beschleunigen, um den so genannten Deutschland-Takt - ein Fahrplanziel der Bahn nach schweizerischem Vorbild - zu ermöglichen. Durch den Streckenneubau könnten eventuell 13 Minuten Fahrzeit eingespart werden. Außerdem sollten auf der Strecke Güterzüge Container und Massengüter gen Süden transportieren. Der Containerumschlag sei aber nicht so gestiegen wie prognostiziert, sagt Bahnexperte und Tostedts Samtgemeinde-Bürgermeister und Sprecher des Projektbeirates Alpha-E, Dr. Peter Dörsam. "Der Containerumschlag stagniert, und wir werden in Zukunft viel weniger Massengüter als angenommen zu transportieren haben." Denn durch die angestrebte Klimawende müssten viel weniger Kohle- und Mineralölerzeugnisse transportiert werden.
Dörsam freute sich daher sehr über die überraschende Wende in der Haltung von Bahn und Bund: "Jetzt gibt es eine echte Chance, bei der Bahn in absehbarer Zeit eine echte Verbesserung zu erreichen." Denn eine reine Sanierung der schon lange überlasteten Bestandsstrecke zwischen Hamburg und Lüneburg ohne zusätzliche Gleise hätte keine Verbesserungen gebracht. So könne man endlich in absehbarer Zeit auch die erforderlichen Weichen auf dieser Strecke einbauen, um den Regionalverkehr zu verbessern.
Ein Engpass werde aber die größtenteils eingleisige Strecke Rothenburg-Verden bleiben: "Seit zwei Jahren hat die Bahn den Auftrag, die Strecke auszubauen. Ich verstehe nicht, warum da nichts passiert", so Dörsam weiter. Denn wenn ab 2029 auf der Lüneburger Strecke gebaut wird, müssen Züge nach Hannover umgeleitet werden - über eben diese Verbindung.
Bürger bleiben skeptisch
Stefan Mundt von der Bürgerinitiative Trassenalarm aus Meckelfeld mag sich unterdessen noch nicht so richtig freuen: "Wir haben schlechte Erfahrungen mit der Bahn gemacht." Man freue sich natürlich, warte aber mit dem Jubel ab, bis eine offizielle Bestätigung aus Berlin vorliege, dass es keine Neubautrasse geben werde. "Wir wissen auch noch gar nicht, was in den Ausbauplänen für die Bestandsstrecke stehen soll." Auch Reinhard Crasemann von der BI Y-Monster ist misstrauisch: "Wir sind nicht zufrieden, bevor es etwas Schriftliches gibt. Wir werden das sehr genau beobachten." Er glaubt, dass die Kosten eine wichtige Rolle spielen. "Dass ein Neubau schon aus Kostengründen utopisch ist, predigen wir schon seit Jahren." Das neue Umschwenken der Bahn auf eine Sanierung könnte auch damit zusammenhängen, dass jetzt der Bund jetzt auch Sanierungskosten der Bahn übernehme und nicht nur Neubaukosten.
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