Landkreis Harburg ist bundesweit Vorreiter
Digitales Netzwerk für Frauen mit Gewalterfahrungen
bim./nw. Landkreis. Beleidigung, Bedrohung, Stalking, Schläge, Vergewaltigung und sogar Totschlag oder Mord - Gewalt an Frauen ist keine Seltenheit. Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal im Leben von physischer oder sexualisierter Gewalt betroffen, jede vierte Frau wird Opfer körperlicher Gewalt durch ihren Partner. Im Landkreis Harburg finden Betroffene beim Netzwerk gegen häusliche Gewalt Hilfe. „Um Frauen künftig noch besser zu erreichen, stellen wir uns neu auf“, kündigt Andrea Schrag an, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Harburg. „Dazu schaffen wir verstärkt auch digitale Angebote und Informationsmöglichkeiten.“ Das Netzwerk gegen häusliche Gewalt im Landkreis Harburg sei damit bundesweit das erste Netzwerk, das diesen Weg geht und entsprechende Angebote schafft. Das Land fördert dieses Digitalisierungsprojekt mit 15.000 Euro aus dem Programm CEDAW des Sozialministeriums.
Das Netzwerk gegen häusliche Gewalt will der Situation mit der pandemischen Lage mit den Lockdowns sowie dem Leben in digitalen Zeiten Rechnung tragen.
Digitale und analoge
Kanäle verknüpfen
„Wir wollen durch die Verknüpfung digitaler und analoger Kanäle eine einfache, niederschwellige Erreichbarkeit schaffen“, sagt Andrea Schrag. Erste Schritte sind gemacht. So gibt es bereits den Instagram-Account @gemeinsamgegenhaeuslichegewalt, den YouTube-Kanal GemeinsamGegenHaeuslicheGewalt, ferner ist das Netzwerk auf Twitter (@gghglkh) und TikTok (@gghglkh) präsent. Facebook und die Internetseite sollen folgen. Zu den weiteren Schritte gehöre es, die Accounts regelmäßig zu bespielen und auch die Mitglieder im Netzwerk beim Umgang mit Instagram und Facebook zu unterstützen.
Bisher haben sich die Zahlen an häuslicher Gewalt im Landkreis trotz der Corona-Pandemie mit allen Einschränkungen kaum verändert und sind laut dem Netzwerk nicht signifikant gestiegen sind. „Allerdings ist die Dunkelziffer grundsätzlich hoch, da viele Betroffene aus Angst oder Scham lieber schweigen, anstatt sich gegen ihre Peiniger zu wehren, die meistens im direkten Umfeld zu finden sind“, weiß Andrea Schrag.
Gewalt gegen Frauen
hat viele Gesichter
Und es gelte: „Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter und findet auch vor unseren eigenen Haustüren statt, quer durch alle Gesellschaftsschichten.“ Und oft gehe einer Anzeige ein jahrelanges Martyrium voraus.
Pro Jahr kommen mehr als 100.000 Fälle an häuslicher Gewalt bundesweit zur Anzeige - nach den letzten vorliegenden Zahlen aus dem Jahr 2019 wurden 141.792 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Kommt es in Niedersachsen wegen häuslicher Gewalt zu Polizeieinsätzen, stellt diese den Kontakt zur Beratungsstelle BISS her. Im Landkreis Harburg hatte die BISS 2020 zu 335 Betroffenen Kontakt. Dort findet aber nur eine Erstberatung statt, für weitergehende Unterstützung und als Ansprechpartnerin gibt es seit November 2019 eine Beratungsstelle für alle Mädchen und Frauen, unabhängig vom Zeitpunkt und der Art der erlebten Gewalt. Die Einrichtung verzeichnete im vergangenen Jahr 141 Fälle. Im Frauenhaus wurden 34 Frauen aufgenommen, die dorthin mit 41 Kindern vor ihrem gewalttätigen Partner geflüchtet sind. 64 Frauen wurden telefonisch beraten.
Beseitigung von Diskriminierung
CEDAW ist ein internationales Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und ist das wichtigste internationale Abkommen zum Schutz der Rechte von Mädchen und Frauen. Das Land Niedersachsen fördert das Projekt „Gleichstellung sichtbar machen – CEDAW in Niedersachsen“, um gleichstellungspolitische Themen, die vor Ort bewegen, zu bearbeiten und gleichzeitig die Bedeutung der UN-Frauenrechtskonvention für diese Arbeit zu vermitteln. In fünf Modellregionen fördert das Land mit Unterstützung lokaler Akteurinnen und Akteure die Vernetzung und Sichtbarmachung von Gleichstellung. Besonders die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sind involviert. Das Projekt „Gleichstellung sichtbar machen - CEDAW in Niedersachsen“ wird von Gleichberechtigung und Vernetzung e.V. in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros Niedersachsen durchgeführt.
Netzwerk gegen häusliche Gewalt
Im Netzwerk gegen häusliche Gewalt im Landkreis Harburg arbeiten Vertreterinnen und Vertreter folgender Institutionen zusammen: Abteilung Jugend und Familie Landkreis Harburg, Abteilung Migration Landkreis Harburg, AJSD – Ambulanter Justizsozialdienst Niedersachsen, Amtsgericht Tostedt, Amtsgericht Winsen, BISS – Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt, BMF – Beratungsstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen, Frauenhaus Landkreis Harburg, Krankenhaus Buchholz und Krankenhaus Winsen (ProBeweis), Opferhilfebüro Lüneburg, Opferhilfebüro Stade, Polizeiinspektion Harburg, Staatsanwaltschaft Lüneburg, Staatsanwaltschaft Stade, Weißer Ring und die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Harburg.
Anlaufstellen für Betroffene
Hilfe finden Betroffene bei folgenden Einrichtungen:
- Beratungsstelle BISS, Tel. 04181-2197921,
- Frauenhaus im Landkreis Harburg, Tel. 04181-217151,
- das bundesweite Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen, Tel. 08000-116 016,
- Beratungsstelle für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen unter Tel. 04171- 600 88 50,
- die Opferhilfe Lüneburg, Tel. 04131-7271910,
- die Opferhilfe Stade, Tel. 04141-4030431,
- der Weiße Ring unter Tel. 0151-55164733.
Die Krankenhäuer Buchholz und Winsen sind Netzwerkpartner von ProBeweis der Medizinischen Hochschule Hannover. Das Angebot richtet sich an Opfer von häuslicher und/oder sexueller Gewalt, die noch keine Anzeige erstatten wollen. In den Krankenhäusern können - ohne Anruf und Terminvereinbarung - unmittelbar nach der Gewalterfahrung Verletzungen dokumentiert und Spuren professionell gesichert werden.
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