Abschiebung trotz Ausbildungsvertrags: Flüchtling Mohamad Agrih (23) soll zurück in sein Heimatland Marokko geschickt werden

Mohamad Agrih möchte in Deutschland als Maler arbeiten
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as. Tötensen/Meckelfeld. Besonders Handwerksbetriebe sind derzeit vom Fachkräftemangel betroffen. Sie haben Schwierigkeiten, überhaupt Nachwuchs zu finden. So auch Malermeister Simon Köhler aus Meckelfeld. Lehrlinge, die nicht erscheinen, sich nicht an Absprachen halten oder die Lehre ganz abbrechen - Köhler kann ein Lied davon singen. Jetzt hat er endlich einen geeigneten Bewerber gefunden, der motiviert ist, Ehrgeiz zeigt und sich handwerklich geschickt anstellt. Am 1. Oktober soll die Ausbildung beginnen. Es gibt aber ein Problem: Lehrling Mohamad Agrih (23) soll jetzt in sein Heimatland Marokko abgeschoben werden.
Eigentlich ist es eine tolle Integrationsgeschichte: Als Flüchtling ist der 23-Jährige vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Er hat Deutsch gelernt, sich in einem Praktikum bewährt und nimmt deshalb derzeit an einer einjährigen Einstiegsqualifizierung in dem kleinen Malerbetrieb teil. Mohamad stellt sich so gut an, dass sein Arbeitgeber ihm im Anschluss eine Lehrstelle angeboten hat, der Ausbildungsvertrag ist sogar schon von der Handwerkskammer genehmigt worden. Aber Mohamad Agrih kommt aus dem falschen Land. Marokko gilt als „sicherer Drittstaat“, Agrih ist damit einer der sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ und soll jetzt abgeschoben werden.

Fleißig, hilfsbereit und handwerklich geschickt - Mohamad Agrih bringt alles mit, was Malermeister Simon Köhler sich von einem Lehrling wünscht. Der 23-jährige Marokkaner, der seit zwei Jahren in der Flüchtlingsunterkunft in Tötensen lebt, absolviert seit Oktober vergangenen Jahres eine einjährige Einstiegsqualifizierung in dem kleinen Malerbetrieb in Meckelfeld, am 1. Oktober soll er seine Ausbildung bei Köhler beginnen. Doch es gibt ein Problem: Mohamads Asylantrag wurde abgelehnt, er soll zurück in seine Heimat.
„Wir haben fest mit Mohamad gerechnet, er ist eine Arbeitskraft, die uns jetzt wegfällt“, sagt Simon Köhler verärgert. In dem kleinen Familienbetrieb packen alle mit an: Ute und Simon Köhler sowie Sohn Timm. Zusätzlich sind noch zwei Reinigungskräfte beschäftigt - und Mohamad. „Wir haben größere Aufträge angenommen, in dem Glauben, dass Mohamad bleibt“, erzählt der Malermeister. Schließlich laufe die Einstiegsqualifizierung noch bis Ende September, und der anschließende Ausbildungsvertrag sei schon von der Handwerkskammer genehmigt worden. „Mohamad ist hilfsbereit und motiviert. Er zieht voll mit, auch wenn er mal länger arbeiten muss“, sagt Köhler.
Mit deutschen Lehrlingen hat er bisher zumeist schlechte Erfahrungen gemacht. „Nur wenige sind überhaupt bereit, um 7 Uhr anzufangen und acht Stunden hart zu arbeiten“, sagt Ute Köhler. Die letzten Azubis seien lustlos gewesen, ohne Ehrgeiz. „Ein Lehrling ist drei Mal durch die Prüfung gefallen“, berichtet Ute Köhler. Dass jetzt ihr zukünftiger Azubi abgeschoben werden soll, regt sie auf. „Und das, wo im Handwerk dringend Lehrlinge gesucht werden!“
„Mohamad ist voll in unsere Familie integriert. Wir haben ihn richtig ins Herz geschlossen“, sagt Ute Köhler. Mohamad gilt als „Wirtschaftsflüchtling“ und darf damit abgeschoben werden. Sie hofft, dass er doch in Deutschland bleiben kann, hat sogar schon Adoptionsmöglichkeiten recherchiert. „Unser Plan B ist, das Mohamad erst mal mit seinem Ausbildungsvertrag nach Marokko zurückkehrt und dort in der Botschaft ein Arbeitsvisum beantragt“, erklärt Martin Koschmall von der Flüchtlingshilfe Tötensen. Das sei aber unsicher und sehr zeit- und kostenintensiv.
„Ich bin aus Marokko weggegangen, weil es dort keine Arbeit für mich gab“, erklärt Mohamad ehrlich. Mit 17 Jahren hat er sich auf nach Europa gemacht. Der Marokkaner hat Deutsch gelernt und hart gearbeitet, um einen Ausbildungsplatz zu erhalten. „Ich möchte in Deutschland bleiben“, sagt Mohamad. Martin Koschmall gibt ihm Recht. „Im Gegensatz zu einigen Flüchtlingen, die wissen, dass sie eh' hier bleiben können, hat Mohammad sich unglaublich angestrengt“, sagt Koschmall. „Mohamad will niemandem auf der Tasche liegen. Er will hier leben, arbeiten und Steuern zahlen“, so Koschmall. „Im Kino werden Werbespots gezeigt, in denen Maler-Azubis gesucht werden - und Mohamad schickt man weg, das ist doch Idiotie“, sagt der Flüchtlingshelfer.

Moment Mal
Integration mit Haltbarkeitsdatum
„Bei uns zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hinwill“ - Mit dieser Kampagne haben die Handwerkskammern im vergangenen Jahr massiv bei Betrieben dafür geworben, Flüchtlingen eine Chance zu geben, sei es über Praktika, Einstiegsqualifizierungen oder Ausbildungsplätze. Unabhängig davon, woher der Flüchtling stammt: Hauptsache, er wird erstmal integriert. Flüchtlinge können ein Teil der Fachkräfte von morgen sein, heißt es auf der Homepage der Handwerkskammer. Dass es aber eben doch eine Rolle spielt, woher der Beschäftigte kommt, das erfahren die Betriebe dann, wenn das Bundesamt für Migration sich einschaltet und es zur Abschiebung kommt. Plötzlich stehen sie wie Simon Köhler ohne Mitarbeiter da, obwohl die Einstiegsqualifizierung sogar noch zwei Monate läuft - zwei Monate, in denen der Maler fest mit der Arbeitskraft seines Mitarbeiters gerechnet hat.
Der Fall von Mohamad Agrih ähnelt dem Fall von Marenglen Pisha, der ebenfalls trotz Arbeitsvertrags im Tierheim Buchholz abgeschoben werden soll, weil er aus Albanien und damit aus einem „sicheren“ Herkunftsland stammt (das WOCHENBLATT berichtete).
Sowohl Mohamad Agrih als auch sein Arbeitgeber haben sich vorbildlich um seine Integration bemüht - und sind jetzt die Leidtragenden. Wenn die Arbeitskraft von Flüchtlingen wie Mohamad Agrih nicht gewünscht ist, weil sie aus dem falschen Land stammen, dann sollte man ihren Asylantrag zügig bearbeiten, Klarheit schaffen und nicht falsche Hoffnungen wecken, indem man sie zwei Jahre warten lässt, in dieser Zeit ihre Integration fördert und sie für den Arbeitsmarkt qualifiziert. Sie strengen sich an, versuchen sich hier eine Existenz aufzubauen, die aber mit einem Haltbarkeitsdatum versehen und von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Und auch für Arbeitgeber wie Simon Köhler ist die Regelung unfair. Denn auch Köhler hat seine Hoffnungen in den Marokkaner gesetzt. Er hat lange nach einem Auszubildenden gesucht, jedoch Schwierigkeiten, geeignete deutsche Bewerber zu finden. In seinem kleinen Betrieb zählt jede Arbeitskraft. Jetzt verliert der Malermeister nicht nur einen guten Auszubildenden, sondern auch einen Mitarbeiter, den er fest eingeplant hat.

Mohamad Agrih möchte in Deutschland als Maler arbeiten
Ute und Simon Köhler (re.) setzen sich dafür ein, 
dass Mohamad Agrih seine Ausbildung in 
ihrem Malerbetrieb machen kann
Redakteur:

Anke Settekorn aus Jesteburg

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