Kein Geld für Friedensarbeit - Kultusministerium will Schulreferentenstelle beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge streichen
mi. Landkreis. Ab Oktober ist es soweit, dann gehen wieder - auch in der Region - Schüler von Haus zu Haus, um Spenden für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu sammeln. Wer mitmacht, weiß, jede Spende, die gesammelt wird, ist ein Beitrag zur Friedenssicherung. Wer im Gedenken die Gräber von Kriegstoten gleich welcher Herkunft, ob Soldat oder Zivilist, ob Russe oder Deutscher, pflegt, setzt sich auch für die Versöhnung und Völkerverständigung ein. Das ist es, was der Volksbund bei seiner umfangreichen Bildungsarbeit in den Schulen vermittelt. Doch wie lange noch? Denn jetzt plant das Kultusministerium dem Verein die Mittel für eine wichtige Schulreferenten-Stelle zu streichen.
Seit rund 100 Jahren kümmert sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge um die Gräber im Krieg Getöteter - Soldaten wie auch Zivilisten. Eng damit verbunden ist die Bildungsarbeit in Schulen. Der Verband des Volksbunds im Bezirk Lüneburg-Stade führt zum Beispiel das Projekt „Namensziegel“ durch, bei dem Schüler anhand von Archivdokumenten die Identität ermordeter und anonym auf einem Gräberfeld bei Bergen-Belsen verscharrter, russischer Kriegsgefangener ermitteln. Die Namen der Toten werden von den Schülern auf Ziegelsteinen vermerkt und dann auf dem Kriegsgefangenen-Friedhof aufgestellt. „Die Teilnehmer lernen, hinter jedem Toten steht ein persönliches Drama. Der Krieg und seine Folgen werden so plastischer als in jedem Schulbuch“, sagt Jan Effinger, Geschäftsführer beim Bezirksverband des Volksbunds. Für Projekte wie die „Namensziegel“ beschäftigt der Verband einen Schulreferenten, der für die Schulen in allen zwölf Landkreisen, darunter Harburg und Stade, zuständig ist. Finanziert wurde die Stelle bisher vom Kultusministerium (MK). Damit soll jetzt „Schluss sein“. So drastisch formuliert es CDU-Landtagsabgeordneter André Bock in einer Pressemitteilung. Demnach habe das Kultusministerium eine weiter Finanzierung der Stelle abgelehnt. Konkret geht es um eine jährliche Summe von rund 45.000 Euro. Bock fragt: Ist der Landesregierung die Arbeit des Volksbunds nicht wichtig? Das wolle die CDU jetzt in einer Anfrage klären.
Kurios: Der Bezirksverband des Volksbunds ist über die offenbar bereits beschlossene Streichung durch das MK noch gar nicht informiert worden. Jan Effinger: „Unser letzter Stand war, dass man beim Ministerium plant, die Referentenstelle durch einen abgeordneten Lehrer zu ersetzen. Ein Brief an das MK, mit der Bitte, die Planung zu überdenken, sei aber bisher ohne Antwort geblieben. Effinger: „Wir wünschen uns eingebunden zu werden. Ohne klare Informationen durch das MK fällt es schwer, sinnvoll zu planen.“ Für den betroffenen Bildungsreferenten sei es im Übrigen eine große Belastung, nicht zu wissen, ob sein Arbeitsplatz im kommenden Jahr überhaupt noch existiert.
„Die Referentenstelle wurde einmalig und für einen begrenzten Zeitraum als Ausnahme finanziert“, erklärt dazu Susanne Schrammar, Sprecherin beim MK. Vor der Finanzierung durch das MK sei die Stelle vom Bundesverband des Volksbunds finanziert worden. Demnach sei das MK lediglich eingesprungen, um einen Engpass zu überbrücken.
Infotext:
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wurde 1919 auf private Initiative ins Leben gerufen, weil die deutschen Behörden nach dem 1. Weltkrieg nicht in der Lage waren, sich um die Gräber der Gefallenen zu kümmern. Von den Nazis freiwillig im Gräberdienst der Wehrmacht gleich geschaltet, entstand der Bund 1946 neu. Heute übernimmt er mit rund 550 Hauptamtlichen und unzähligen ehrenamtlichen Mitarbeitern im Auftrag der Bundesregierung und gesichert durch internationale Abkommen die Kriegsgräberfürsorge in 45 Staaten. Dazu gehören nicht nur die Grabstätten Gefallener, sondern auch die durch Krieg getöteter Zivilisten. Der Volksbund versteht sich als humanitäre Organisation, die sich gegen das Vergessen und für Versöhnung einsetzt.
Redakteur:Mitja Schrader |
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