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metronom: Weitere Einschränkungen im Fahrplan geplant

Steffen Lücking klagt gegen die Gemeinde Jesteburg
Mit allen Projekten am Ende

Bauunternehmer Steffen Lücking ist 'raus aus dem Geschäft' | Foto: pöp
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  • Bauunternehmer Steffen Lücking ist 'raus aus dem Geschäft'
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Schon länger hat man im Landkreis Harburg nichts mehr von Bauunternehmer Steffen Lücking aus Rosengarten gehört. Mit seiner unkonventionellen Anpack-Mentalität hat der Langenrehmer in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte begonnen, und viele von ihnen auch realisieren können. Doch Steffen Lücking ist "raus aus dem Geschäft". Er sei die Diskussionen und die Bürokratie leid, die effektives Handeln verhinderten, wie er im Gespräch mit dem WOCHENBLATT erzählt.

Nach jahrelangen, letztlich gescheiterten Verhandlungen mit der Gemeinde Rosengarten bezüglich weiterer Bauvorhaben, umstrittener Verträge über Millionen-Bauvorhaben in Jesteburg, gespendeten Summen in Millionenhöhe und viel Ärger mit der deutschen Bürokratie scheint der Kampf tatsächlich verloren: Steffen Lücking hat bereits eine seiner Firmen insolvent gemeldet, weitere werden wohl nach derzeitigem Stand der Prüfungen folgen. "Ich habe kein Interesse mehr, weiterzumachen", sagt der angeschlagen wirkende Mann. Und in drei Monaten "droht der Haftrichter - wegen Insolvenzverschleppung", bekennt Lücking offen.

Steffen Lücking vor seinem Friedensmonument im Jahr 2023. Das musste er kürzlich auf Anordnung abbauen | Foto: pm
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Doch ganz resigniert hat er dann wohl doch nicht: Zumindest mit der Gemeinde Jesteburg hat Lücking noch ein millionenschweres Huhn zu rupfen. Er will noch in diesem Monat eine Schadenersatzforderung in Sachen Grundstück am Kreiselverkehrsplatz und verhindertem Baugebiet Seevekamp-Süd einreichen. Der Investitionsschaden durch Bankkredite und Eigenkapitaleinsatz beträgt über 4,3 Millionen Euro, sagt Lücking. Die werde die von ihm beauftragte Kanzlei Oberthür und Partner aus Hamburg nun einfordern. Weil die Gemeinde zwar sein Grundstück, das sie selber wegen des hohen Preises nicht habe kaufen können, zum Bau des Kreisverkehrsplatzes im Ortskern gern genommen habe, sich aber nicht daran erinnerte, dass man ihm im Gegenzug für das Baugebiet Seevekamp-Süd weitreichende Zusagen für sein Wohnungsbauprojekt mit 16 "bezahlbaren" und 16 Sozialwohnungen sowie 70 frei finanzierten Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften für junge Familien gemacht habe.

Lücking hatte außerdem 5.000 Quadratmeter kostenlose Baufläche für den Bau eines Kindergartens angeboten - der aktuell in Jesteburg noch immer schmerzlich vermisst wird. Jetzt geht es ihm nur noch um Schadensersatz. "Das Projekt ist für mich gestorben." Noch diesen Monat gehe eine Klageschrift raus. " Theoretisch müsste ich das Grundstück zurückfordern und man müsste den Kreisverkehr wieder abreißen."

Der Jesteburger Kreisverkehr konnte nur gebaut werden, weil Steffen Lücking das - teure - benachbarte Grundstück (links) beschaffte und einen Teil für den Kreisverkehrsbau abtrat | Foto: pöp
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Wie konnte es so weit kommen?

"Schau nicht zu, handele!" Dieser Satz seiner mit 96 Jahren verstorbenen Großmutter, Überlebende des Zweiten Weltkrieges, klang noch nach, als sich Steffen Lücking im Frühjahr 2022, kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine, dazu entschied, selbst in die Ukraine zu fahren, um den Menschen vor Ort zu helfen. Dreimal machte er sich auf den Weg, brachte er gepanzerte Geländewagen, Stromgeneratoren, mobile Heizwerke und Lebensmittelkonserven. Und: Er spendete rund 3,8 Millionen Euro für die Ukraine. Weitere 650.000 Euro seines Privatvermögens stiftete er der Tafel Hamburg. Das Kinderheim "Kleine Strolche" in Bücken (Landkreis Nien-burg/Weser) unterstützte er mit 500.000 Euro. Lücking half gern - am liebsten schnell und unbürokratisch - und offenbar mit Geld, das bei der Rückzahlung seiner Millionenbaukredite und weiterer Projektkosten nun fehlt. Und mit Gewinnen, auf die er hätte Steuern zahlen sollen.

Langenrehmer Bauunternehmer Steffen Lücking unterstützt Kinderheim "Kleine Strolche"

In seinem Aktionismus für die unter dem Krieg leidenden Ukrainer sei er dann auch immer wieder ausgebremst worden - von der Langsamkeit der Bürokratie, wie er sagt, aber auch von geltendem Recht.
Lücking spendete laut eigener Aussage 100 Prozent des Gewinns seiner Firma Tie-King. Dabei bedachte er nicht, dass auf 40 Prozent davon Steuern hätten bezahlt werden sollen. Das Resultat: Eine Anklage wegen Steuerhinterziehung sowie wegen Insolvenzverschleppung, da er sich nicht um seinen "Papierkram" gekümmert hatte, als er zu einem Hilfseinsatz in der Ukraine war.

Hamburger Tafel nimmt Spende von Steffen Lücking entgegen

"Es waren schöne Zeiten, als ich einfach 500.000 Euro für den guten Zweck verschenken konnte. Aber die Menschen wollen das wohl nicht, dann lass' ich es", sagt Lücking resigniert. "Mit Menschlichkeit kommt man offenbar nicht weiter." Ihm sei es nie um das Geld oder um einen luxuriösen Lebensstil gegangen, immer um die tollen Projekte und darum, anderen zu helfen. Seine Motivation, Neues zu schaffen, sei damit hin.

Steffen Lücking: Millionenspende für soziale Zwecke

Ganz generell sei Wohnungsbau derzeit nicht mehr umsetzbar. "Der Bausektor in Deutschland ist platt", erklärt Steffen Lücking außerdem. "Es ist unmöglich, hier zu bauen." Was meint der Bauunternehmer damit, der in den vergangenen zehn Jahren im ganzen Landkreis, in Maschen, Hittfeld, Salzhausen, Bauprojekte am Start hatte, zum Beispiel in Buchholz mehrere erfolgreiche Projekte umgesetzt hat? Die Baukosten seien mit rund 4.600 Euro pro Quadratmeter zu hoch. Dann müssten die Mieten mit rund 18 Euro pro Quadratmeter so hoch sein, dass das keiner mehr bezahlen könne. Für Bauunternehmer lohne sich das bei den aktuellen Kreditzinsen nicht.
Zweites großes Problem: Es gebe gerade im Landkreis zu viele veraltete Bebauungspläne, die nicht erlaubten, was eigentlich für den modernen Wohnungsbau nötig wäre, z.B. verdichtetes Bauen. Stattdessen würde überall Barrierefreiheit, maximaler Schallschutz und Fahrstuhlzwang ab zwei Geschossen gefordert. "Den Betrieb kann sich kein Eigentümer leisten." Und wenn Pläne dann geändert werden sollen, dauere das ewig. "Es muss doch möglich sein, ein Bauprojekt von der Planung bis zum Bezug innerhalb von fünf Jahren abzuschließen", sagt Steffen Lücking.

Steffen Lücking fordert Mut

Doch die Realität sieht anders aus. In seiner Heimatgemeinde Rosengarten habe er mehrfach versucht, Projekte anzuschieben - stieß aber immer wieder auf Hürden. Die Bebauung des Langenrehmer Ortskerns ist eines dieser Projekte, das sich schon über zehn Jahre hinzieht. Lücking besitzt seit 2012 eine Schlüsselfläche für die weitere Entwicklung, doch es gibt Probleme mit der Oberflächenentwässerung. Vor einer möglichen Wohnbebauung hätte zunächst die K26 durch den Landkreis saniert werden müssen, wie es 2019 beschlossen worden war. Für Lücking war klar, dass dabei ein Regenwasserkanal mit erschlossen und ein Fußgängerweg für die Schulkinder auf ihrem Weg zum Bus gebaut werden muss. Ohne diese Maßnahme sei ein weiterer Bebauungsplan nicht sinnvoll. Die Gemeinde und Lücking fanden bislang keinen gemeinsamen Nenner. Auch hätte der Landkreis noch - laut Kreistagsbeschluss aus dem Jahr 2019 - die K26 erneuern sollen. 

Der Mut ist fort

Stattdessen hatte Lücking sich das Grundstück anderweitig zu Nutze gemacht. Er lagerte dort u.a. eine historische Lokomotive sowie einen Personenwaggon aus dem Jahr 1945, die er vor der Verschrottung rettete, die dazugehörigen Gleise, einige Container sowie sein "Mut"-Kunstwerk, bestehend aus drei Säulen und den Buchstaben M, U und T (das WOCHENBLATT berichtete). Der Landkreis veranlasste daraufhin die Räumung des Grundstücks, da es sich um einen "Außenbereich" handele, auf dem nicht gebaut werden darf. Kurios, denn zuvor galt das Grundstück, auf dem früher mehrere Gebäude standen, noch als Baulücke. Lücking habe nun das Kunstwerk entfernt und die Verschrottung der historischen Lok veranlasst. Dem Hinweis des Schreibens, er solle die Flächen nach der "Beseitigung der baulichen Anlagen der natürlichen Sukzession überlassen", begegnete er mit ungläubigem Kopfschütteln.

Wie soll es in Langenrehm weitergehen?

In Alvesen am Rüderstieg Süd kaufte Steffen Lücking 2015 ein Grundstück hinter der ehemaligen Gaststätte "Kajüte". Sein Plan: die alten Wochenendhäuser abreißen und vier neue Einfamilienhäuser errichten. Auch dieses Vorhaben scheiterte, da es sich um ein Wochenendgebiet handele. Ende vergangenen Jahres gab die Gemeinde bekannt, dass der Aufstellungsbeschluss für das Bebauungsplanverfahren "Alvesen, Rüderstieg-Süd", der 2017 beschlossen wurde, aufgehoben werde. Man warte stattdessen auf eine Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms durch den Landkreis. Die Wochenendhäuser auf Lückings Grundstück verfallen dort seither, über zwei Millionen Euro wurden hier in den Sand gesetzt.

Bürgerversammlung in Rosengarten-Alvesen zum Thema B-Plan „Rüderstieg Süd“

Wie viele seiner Projekte, die im Sumpf der sich nicht ändern wollenden Bürokratie steckenblieben, scheiterte letztlich auch der Bauunternehmer Steffen Lücking. "Selbstzerstörung", nannte er das. Seine Ansprüche an sich selbst seien einfach viel zu groß. Während die Masse der Menschen zu träge sei für echte Veränderung, ist er mit seinem Aktionismus bereits einige hundert Schritte weiter, und stößt dabei auch schon mal an rechtliche Grenzen.

Lücking: Trotz Frust wählen
„Auf ein letztes Wort: Trotz maximaler Frustration werde ich mein Kreuz nicht bei der AfD machen! Bitte gehen Sie ALLE wählen."