Öffentlicher Dienst
Warum die Gemeinde Seevetal Führungskräfte befördert

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Ganz Deutschland diskutiert über gerechte Löhne und Gehälter: Fordernd wie kaum jemals zuvor streitet die Eisenbahn- und Verkehrs-Gesellschaft (EVG) für höhere Einkommen. Ähnlich streitbar und lautstark gibt sich die Dienstleistungsgesellschaft Ver.di für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, bestreikt den Betrieb in Kliniken oder Kindergärten.  

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit steigen Löhne und Gehälter in Stadt- und Gemeindeverwaltungen auch jenseits der öffentlichkeitswirksamen Tarifabschlüsse: mit Hilfe von Beförderungen. Zum Beispiel in der Gemeinde Seevetal. Ohne Aussprache hat der Gemeinderat vor Kurzem zwei Führungskräfte der Gemeindeverwaltung befördert - einstimmig. Zum 1. April steigen der Leiter der Kämmerei, Josef Brand, und der Leiter der Gebäudewirtschaft, Ingo Knedel, jeweils zu Gemeindeverwaltungsdirektoren mit der Besoldungsgruppe A15 auf. Beide Karrieresprünge bedeuten für die Gemeinde jeweils 9.500 Euro Mehrkosten pro Jahr. Das geht aus der Verwaltungsvorlage für den Rat hervor. 

"Weil beide es verdient haben", antwortet Seevetals Gemeindebürgermeisterin Emily Weede (CDU) dem WOCHENBLATT auf die Frage nach dem Grund der Beförderungen. Dass Abteilungsleiter nach der Besoldungsgruppe A15 bezahlt werden, sei üblich. 

Nicht selbstverständlich seien Engagement und Einsatzbereitschaft, die der Leiter der Gebäudewirtschaft vor allem bei der Unterbringung von Geflüchteten mit Erfolg gezeigt habe. Und Kämmerer seien auf dem Arbeitsmarkt so stark gefragt, dass sie überall "mit Kusshand" genommen werden, sagt Emily Weede. 

Der Fachkräftebedarf in den kommunalen Verwaltungen ist so groß, dass Landkreise, Städte und Gemeinden untereinander um Personal konkurrieren. Wie groß die Personallücke bis 2030 voraussichtlich sein wird, berichtete das Handelsblatt mit Hinweis auf Berechnungen der Beratungsgesellschaft McKinsey. Demnach  werden bis 2030 etwa 840.000 Vollzeitfachkräfte im öffentlichen Dienst fehlen. Momentan seien es rund 360.000.

Beförderungen beträfen nicht nur das Leitungspersonal in der Gemeinde Seevetal. Mit Zustimmung der ehrenamtlichen Politiker und Politikerinnen würden auch Beschäftigte in niedrigeren Einkommensgruppen "hochgruppiert". "Wir ziehen an, damit wir gutes Personal bekommen", sagt die Bürgermeisterin.

Beförderungen sind auch in anderen Kommunen eine gängige Praxis:
• Beförderungen sind auch in anderen Kommunen eine gängige Praxis. Beim Landkreis Stade, der als Kommunalaufsicht die ordnungsgemäße Verwendung der öffentlichen Gelder in den Gemeinden zu überwachen hat, tut man sich allerdings ein wenig schwer mit dem Thema. Aber auch dort gibt es einige Führungskräfte, die nach Besoldungsgruppe A15 oder sogar A16 bezahlt werden. Üblicherweise sind das Amtsleiter oder Dezernenten - also die Leitungsebene unter den Wahlbeamten (Landrat, Erster Kreisrat, Kreisbaurätin). Laut Stellenplan werden z.B. die Leiterinnen des Amtes für Gesundheit und des Amtes für Veterinärwesen und Verbraucherschutz als leitende Medizinaldirektorin bzw. leitende Veterinärdirektorin nach A16 bezahlt, die meisten Amtsleiter nach A15 oder A14. Die Stellenpläne werden in der Regel mit den Haushalten von den politischen Gremien beschlossen und sind öffentlich einsehbar.

Grundsätzlich gebe es durch das Tarifkonstrukt im öffentlichen Dienst strenge Regeln, welche Tätigkeiten welchen Besoldungs- oder Entgeltgruppen zuzuordnen und welche Qualifikationen mit Blick auf Ausbildung oder Studium dafür erforderlich seien, erklärt der Sprecher der Stader Kreisverwaltung, Daniel Beneke. Deswegen sei es nicht ohne Weiteres möglich, Stellen durch eine bessere Bezahlung beliebig aufzuwerten. Das mache sich z.B. bei der Einstellung von Quereinsteigern ohne formelle Verwaltungsqualifikationen bemerkbar - ein Problem bei der Bewältigung des Fachkräftemangels.

• In der Stadt Buchholz hat es laut Erstem Stadtrat Dirk Hirsch bislang noch keinen Fall gegeben, dass ein Mitarbeiter mit Hinweis auf den Fachkräftemangel höhergestuft wird. "Wir lassen uns bei den Stellenbewertungen vom Niedersächsischen Studieninstitut beraten", sagt Hirsch. Natürlich sei der Fachkräftemangel auch in Buchholz ein großes Thema. Er sei mitleitend gewesen bei der Verwaltungsreform, die Buchholz vor etwa zwei Jahren durchführte: Ergebnis waren weniger Fachbereiche und Abteilungen, die aber größer wurden. Das schlage sich in der Bezahlung der jeweiligen Leiter nieder, erklärt Hirsch. (ts/jd/os)

Redakteur:

Thomas Sulzyc aus Seevetal

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