Aufdringliche Zeitungsverkäufer
Zwischen Hilfe und Belästigung

Verkaufsszene von Hinz & Kunzt | Foto: Andreas Hornoff /Hinz und Kunzt
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In Fußgängerzonen und vor Supermärkten ist die Hinz-und-Kunzt-Straßenzeitung ein bekanntes Symbol für die Bemühungen, Menschen in Not zu unterstützen. Verkäufer bieten die Zeitung Passanten an, um sich eine würdige Einkommensquelle zu erschließen und ein Stück Normalität in ihrem oft schwierigen Alltag zu bewahren. Doch nicht immer verläuft die Begegnung zwischen Verkäufer und potenziellem Käufer harmonisch. In Stade berichtete eine WOCHENBLATT-Leserin von Situationen, in denen das Werben für die Straßenzeitung in aufdringliches Betteln überging, was sowohl bei ihr als auch bei anderen Angesprochenen unangenehme Gefühle auslöste. Die Leserin wittert hier sogar eine Betrugsmasche. Sind das echte Hinz-und-Kunzt-Verkäufer? Das WOCHENBLATT hat nachgefragt. 

Sybille Arendt, Pressesprecherin von Hinz und Kunzt in Hamburg, bestätigt die Situation. "Wir hören regelmäßig Beschwerden über Menschen, die ohne einen unserer regulären Verkaufsausweise versuchen, Magazine zu verkaufen oder damit zu betteln", sagt sie. Das bringt die Organisation in einen Zwiespalt. Einerseits wolle man Menschen in Not helfen. Andererseits wirft solch ein Verhalten ein schlechtes Licht auf alle Magazin-Verkäufer – auch die, die sich an Verhaltenskodex einhalten. Demnach dürfen die Magazine nur an Plätzen angeboten werden, die mit dem Vertriebsteam vereinbart wurden. Beim Verkaufen dürfen kein Alkohol oder andere Drogen konsumiert werden. Grundsätzlich sollen sich die Verkaufenden so verhalten, dass die Kundschaft sich nicht gestört fühlen. Auch das Betteln beim Verkaufen ist untersagt. Das Verkaufen in der Bahn ist verboten. Und: "Unsere offiziellen Verkäufer und Verkäuferinnen erkennt man auch an ihrem Ausweis im Scheckkartenformat mit Foto und Stempel, den sie gut sichtbar tragen", erklärt Sybille Arendt. 

So agieren die Trittbrettfahrer

Um an die Zeitungen zu gelangen, nehmen die Trittbrettfahrer oft die Hilfe offizieller Verkäufer in Anspruch. Hintergrund: Alle Hinz-und-Kunzt-Anbieter bekommen zum Einstieg zehn Magazine als Startkapital. Alle weiteren müssen sie für 1,10 Euro kaufen und verkaufen sie für 2,20 Euro weiter. Nicht registrierte Verkäufer kaufen die Zeitungen bei Bekannten mit Verkaufsberechtigung, um sie dann selbst anzubieten. "Offizielle Verkäufer und Verkäuferinnen, die Zeitungen auf diesem Weg weitergeben, sind sich häufig nicht bewusst, wie groß der Schaden ist, den sie damit anrichten", erklärt Sybille Arendt. Denn die nicht-offiziellen Verkäufer fühlen sich oft nicht an die Verhaltensrichtlinien gebunden, missbrauchen das Magazin zum Betteln oder bieten das Magazin nur zum Schein an, indem sie das Geld kassieren, aber die Ware nicht aushändigen – oftmals mit den Worten: „Das ist meine letzte Zeitung!“. Die Folge: Die Menschen fühlen sich belästigt oder gar geprellt und wenden sich genervt ab, auch von offiziellen Verkäufern, die sich rücksichtsvoll und korrekt verhalten. 

Hinz-und-Kunzt möchte diesem Vorgehen einen Riegel vorschieben, ohne die Anbieter ohne Verkaufsausweis zu kriminalisieren – "auch weil wir ihre Not sehen", erklärt Arendt. Deshalb sorgt Hinz-und-Kunzt mithilfe von Kunden dafür, dass Anbieter nicht mehr so leicht an Zeitungen kommen. Der Weg ist ungewöhnlich, aber wirkungsvoll: Wer eine Zeitung von einem Anbieter oder einer Anbieterin ohne Ausweis abkauft, fotografiert die Titelseite, so dass der QR-Code gut sichtbar ist und sendet sie das Bild an
den Vertrieb (vertrieb@hinzundkunzt.de). Anhand des Titelbildes mit QR-Code lässt sich nachvollziehen, von wem Anbieter ohne Hinz-und-Kunzt-Ausweis ihre Zeitungen erhalten und so den Lieferweg unterbrechen. "Je mehr Kunden mitmachen, desto schwerer kommen Anbietende ohne Verkaufsausweis zukünftig an Zeitungen heran", motiviert Arendt zum Mitmachen. 

„Im Interesse unser vielen Verkäuferinnen und Verkäufer, die sich trotz schwieriger Lebenssituation an unsere Regeln halten, stören wir uns am aufdringlichen Verkauf von Menschen ohne Verkaufsausweis“, sagt Vertriebsleiter Christian Hagen. „Dennoch setzen wir uns auf politischer Ebene für Armutsbekämpfung ein.“ Betteln sei insbesondere für Armuts- und Pendlermigranten ein schneller und niedrigschwelliger Weg, um an Geld zu kommen.  Nur leider tun sie dies vielfach mit Hinz&Kunzt und beschädigen somit den Ruf einer wichtigen sozialen Institution im Großraum Hamburg. Davor müssen wir uns schützen, damit unseren ca. 500 Verkaufenden nicht die Lebensgrundlage entzogen wird: die Akzeptanz und der Zuspruch der Menschen in dieser Region.

Es drohen Platzverweise

"Wenn uns in Stade Personenauffallen, die aufdringlich Zeitschriften anbieten, werden wir schon tätig, indem wir die Personalien aufnehmen und einen Platzverweis aussprechen", sagt der Stader Pressesprecher Stephan Voigt. "Allerdings würden wir hier angesichts der finanziellen Notlage der Menschen ungern von einer ,Masche' sprechen." 

Bei der Stader Polizei wurden in letzter Zeit keine Beobachtungen zu aufdringlichem Verkäuferverhalten gemacht. Generell gilt: Werden der Polizei Sachverhalte zu aufdringlichen Zeitungsverkäufern oder Bettlern gemeldet, wird zunächst die Identität festgestellt. Je nach Sachverhalt entscheiden die Beamten dann über die Einleitung eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens. Zudem könnten Maßnahmen wie Platzverweise erfolgen. Gegebenenfalls beziehen die Beamten auch die Ordnungsbehörde mit ein oder senden einen Bericht.

Was rät die Polizei betroffenen Passanten?

Aufdringlichen Verkäufern oder Bettlern sollte freundlich aber bestimmt mitgeteilt werden, dass kein Interesse an einem Kauf oder einer Spende besteht. Sollte eine solche Ansage keine Wirkung zeigen, sollte deutlich gemacht werden, dass man gegebenenfalls die Polizei hinzuziehen wird. Oft zeigt bereits der Griff zum Handy und die Eingabe der Notrufnummer Wirkung, die aufdringlichen Personen scheuen in der Regel die Konfrontation mit der Ordnungsbehörde oder Polizei.

Verkaufsszene von Hinz & Kunzt | Foto: Andreas Hornoff /Hinz und Kunzt
So sieht ein Verkäuferausweis aus | Foto: Hinz und Kunzt
Redakteur:

Stephanie Bargmann aus Stade

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