Im "Rinds"-Galopp über Wiesen und Felder
Jule und Angelina reiten auf ihren Kühen durch Stade-Hagen
jab. Stade-Hagen. Die "Mädels vom Immenhof", die auf ihrem Ponyhof lebten und wilde Ritte hinlegten, waren gestern. Heute reitet man statt auf Ponys lieber auf Kühen. Jedenfalls wenn es nach Jule Robohm (13), deren Familie einen landwirtschaftlichen Betrieb besitzt, und ihrer Freundin Angelina Hinck (15) aus Stade-Hagen geht.
Bekannt im ganzen Dorf
Jule und Angelina sind in ihrem Dorf bekannt wie ein bunter Hund. Auch beim Gespräch mit dem WOCHENBLATT schauen die Passanten interessiert und grüßen die Reiterinnen. Ein Radfahrer hält sogar schnell an und zückt sein Handy für ein Foto. Das kennen sie inzwischen schon, verraten die Mädchen. Denn mit ihren Kühen Alma und Wilhelmine, beide elf Monate alt, machen sie den Ort und die Felder in Hagen unsicher.
"Wenn die beiden Kühe uns sehen, blöken sie gleich los und wollen raus", sagt Angelina. Dann muss es schnell gehen, denn die Tiere wollen laufen. Das Halfter haben Alma und Wilhelmine schon um, fehlen nur noch der Strick und die Gerte. Mit einem Schwung sind die Mädchen schon auf dem Rücken der Tiere - ganz ohne Sattel und Steigbügel. "Am Anfang war das noch ungewohnt und ich habe die Knochen von Alma gespürt, inzwischen hat sie aber ordentlich Muskeln aufgebaut und es ist einfach nur bequem", sagt Jule.
Alma ist das erste Kalb, bei dem Jule geholfen hat, es auf die Welt zu holen. Daher hat sie eine besondere Verbindung zu ihr. Wilhelmine gehört Angelina. Mit ihr wollte die Jungzüchterin nach Verden und sie dort vor den Richtern vorführen. Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Da kam sie auf die Idee mit dem Reiten. "Das ist aber nur möglich, weil wir von Anfang an mit den beiden spazieren gegangen sind", erklärt Angelina. So hätten die Kühe ein sehr großes Vertrauen zu ihnen aufgebaut und schon das ein oder andere Kommando vom Boden aus gelernt. Stück für Stück haben sie die Tiere an ihr Gewicht gewöhnt. "Die Kommandos dann nochmal von oben umzutrainieren war anstrengend, aber jetzt klappt es", sagt die 15-Jährige.
Grünes Licht vom Tierarzt
Alles sei mit dem Tierarzt abgeklärt, es spreche rein gar nichts dagegen, versichern Jule und Angelina. Allerdings müssen die Kühe durch die zusätzliche Bewegung bereits mit Silage zugefüttert werden. Nur das Weidegras reicht nicht aus, um ausreichend Energie zu erzeugen. Denn trotz des Spaßes mit ihren Tieren wissen die Mädchen: Es sind und bleiben Nutztiere, die später zur Milcherzeugung benötigt werden. Angelina und Jule, die beide im Jungzüchterverein sind, wissen ganz genau über die Tiere und die Abläufe auf dem Hof Bescheid. "Wenn die Kühe in der Milchproduktion eingesetzt werden, können wir die beiden auch nicht mehr so häufig reiten", sagt Angelina. Und Jule ergänzt: "Die Kühe brauchen dann viel Zeit, um sich auszuruhen, damit sie gut Milch geben können."
Tierwohl vor dem eigenen Spaß
Bis es so weit ist, reiten die Mädchen gern mit ihren Tieren durch Hagen oder aber auf einem Feld hinter dem Hof. Vorsichtig geht es zunächst durch einen Bach und dann im Galopp über die Wiese. Angelina hat Wilhelmine sogar beigebracht, über einen kleinen Graben zu springen. "Alma mag das nicht so gern, daher mache ich das nicht", sagt Jule. Das Wohl von Alma gehe immer vor ihrem Spaß.
Zurück auf dem Hof kommen die Tiere wieder auf die Weide zu den anderen Kühen, die ebenfalls den engen Kontakt zu den Mädchen gewohnt sind. Hier wird noch einmal gekuschelt und alle Tiere fordern ihre Streicheleinheiten ein. Am Ende des Tages schauen die Mädchen nochmal bei den Kälbchen vorbei. Auch hier nennt Jule eines ihr Eigen. "Ich hab es mir zur Konfirmation gewünscht und Oma hat es mir geschenkt", sagt sie stolz.
Redakteur:Jaana Bollmann aus Stade |
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