Software soll fehlerhaft sein
Seit Januar keine Bescheide: Abwasser-Abrechnungschaos in Stade

Die Kläranlage des AES. Aus technischer Sicht läuft alles. Nur im kaufmännischen Bereich scheint es massive Probleme zu geben alles läuft  | Foto: Hansestadt Stade
  • Die Kläranlage des AES. Aus technischer Sicht läuft alles. Nur im kaufmännischen Bereich scheint es massive Probleme zu geben alles läuft
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jd. Stade. Verkehrte Welt: Bürger wollen ihre Gebühren zahlen, aber die Behörde kassiert das Geld einfach nicht ein. Diese Bürokratie-Posse spielt sich gerade in Stade ab. Ein Softwarefehler soll der Grund dafür sein, dass die stadteigene Abwasserentsorgungs-Gesellschaft AES seit Monaten keine Kanalgebühren einzieht. Zum Jahresbeginn hatte die Stadt die Betriebsführung der AES von den Stadtwerken übernommen - aus vergaberechtlichen Gründen. Seitdem ist das Rathaus für die Erstellung der Gebührenbescheide zuständig. Doch auf die Bescheide warten die meisten Hauseigentümer bisher vergeblich.

"Für die zehntausenden Kunden ändert sich im Prinzip wenig. Die gravierendste Änderung ist die neue Bankverbindung", erklärte die neue kaufmännische Leiterin der AES, Stadtkassen-Chefin Martina Ernst, noch kurz vor der Übernahme Ende vergangenen Jahres. Ihr Team habe das gesamte Gebühren-Prozedere bereits in einem Probelauf durchgespielt.

Doch Theorie und Praxis scheinen in diesem Fall zwei verschiedene Dinge zu sein. Nach WOCHENBLATT-Informationen soll es bereits beim Übergang der Betriebsführung Probleme gegeben haben. So beklagt sich ein Kunde: "Es wurde in einmalig dilettantischer Weise versucht, eine Schlussabrechnung der Gebühren zu erstellen." Wiederholt seien mehrfach geänderte Gebührenbescheide verschickt worden. Seit Januar warte er auf den Bescheid für die laufenden Abwassergebühren. Sein hartes Urteil: "Das ist eine einzige Fehlleistung einer überforderten Verwaltung."

Tatsächlich handelt es sich nicht um Einzelfälle. Nach zahlreichen Anrufen erboster Bürger räumt jetzt auch die Stadt ein, dass es zu "einer Verzögerung bei der Gebührenabrechnung" komme. "Grund sind Schwierigkeiten bei einer Software-Anpassung, was dazu führt, dass die meisten Menschen aktuell keine Vorauszahlungen leisten können", heißt es aus dem Rathaus. AES-Leiterin Ernst spricht von "Herausforderungen" mit der neuen Abrechnungssoftware. Diese seien vor dem Übergang der AES von den Stadtwerken an die Stadt nicht erkennbar gewesen. Mit dem Systemanbieter habe man sonst "hervorragende Erfahrungen" gemacht.

Im zweiten Halbjahr wird doppelt abgebucht

Laut Ernst ist es in den meisten Fällen derzeit nicht möglich, eine Gebührenabrechnung zu erstellen. Dies gelte für alle Abwassergebühren, also Kanalgrundgebühr, Schmutzwassergebühr und Niederschlagswassergebühr. Das wiederum habe zur Folge, dass die Kunden nicht die üblichen Vorauszahlungen leisten können. Sobald das System funktioniert, wird die AES nachträglich abbuchen. „Das bedeutet, dass die Betroffenen aufgrund der nicht getätigten Vorauszahlungen einmalig eine höhere Summe als Nachzahlung leisten müssen“, macht Ernst deutlich.

Doch um welche Summen geht es dabei konkret? Eine vierköpfige Familie, die ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung hat, zahlt vierteljährlich Abwassergebühren in Höhe von rund 140 Euro. Die wegen des Softwareproblems im ersten und zweiten Quartal 2022 nicht abgeforderten Abschläge werden dann von der AES gemeinsam mit denen der zweiten Jahreshälfte erhoben. Die Stadt will dann zweimal 280 Euro statt wie sonst viermal 140 Euro abbuchen.

Die Stadt will sich aber kulant zeigen, falls jemandem diese doppelte Zahlung zu hoch ist. Wer die Nachzahlung nicht in einer Summe aufbringen kann, darf die Gebühr in Raten zahlen. Ernst geht davon aus, dass der Software-Anbieter die Abrechnungspanne spätestens im dritten Quartal behoben hat.