Bürgermeister schreiben an grüne Kultusministerin
Kommunen im Landkreis Stade: Ganztags-Grundschule ist nicht bezahlbar

Es ist einfach zum Weglaufen: Die Einführung der Ganztags-Grundschule stellt die Kommunen vor große finanzielle Probleme | Foto: Adobe Stock/wavebreak3
  • Es ist einfach zum Weglaufen: Die Einführung der Ganztags-Grundschule stellt die Kommunen vor große finanzielle Probleme
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Mit Beginn des Schuljahres 2026/27 wird an den Grundschulen in Niedersachsen die Ganztagsbetreuung eingeführt - zunächst für die Erstklässler, dann schrittweise bis 2029 für alle vier Jahrgangsstufen. Der Rechtsanspruch für die Ganztagsbetreuung in der Grundschule dürfte für viele berufstätige Eltern eine Entlastung sein. Sie müssen keine Nachmittagsbetreuung mehr organisieren und bezahlen. Für die Kommunen als Schulträger stellt die Neuregelung aber eine hohe finanzielle Belastung dar, die vielerorts nicht mehr zu bewältigen ist. Denn Grundschulen müssen für viel Geld umgebaut und erweitert werden, um den Anforderungen in Sachen Ganztagsschule zu entsprechen. Auch im Landkreis Stade ächzen die Kommunen unter der Kostenlast, die das Recht auf Ganztagsbetreuung mit sich bringt. Alle hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Landkreis haben jetzt gemeinsam mit Landrat Kai Seefried einen Brief an die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) verfasst, in dem sie auf die schwierige Situation aufmerksam machen. Das Schreiben ist schon fast ein Hilferuf.

Der Ganztag hakt

Fördermittel reichen nicht aus

Denn woher sollen die Millionen kommen, die die kommunalen Schulträger aufbringen müssen, um die Grundschulen ganztagstauglich zu machen? Das vom Land bereitgestellte Geld im Rahmen der Förderrichtlinie zur Finanzierung der schulischen Ganztagsbetreuung wird bei Weitem nicht ausreichen. Die 55 Millionen, die Niedersachsen bis 2027 an Zuschüssen vergeben will, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zwar fließen rund 278 Millionen Euro aus Bundesmitteln nach Niedersachsen für das sogenannte "Investitionsprogramm Ganztagsausbau"  und es hieß, dass sich der Bund aus diesem Topf mit bis zu 70 Prozent an den einzelnen Schulbaumaßnahmen beteilige. Doch die Realität vor Ort sieht anders aus. Ein Beispiel ist die Samtgemeinde Horneburg. Dort werden lediglich 1,5 Prozent aus dem Investitionsprogramm des Bundes für den erforderlichen Ausbau der Grundschulen bereitgestellt. In anderen Kommunen ist die Situation ähnlich. 

Planungssicherheit ist nicht gegeben

Die Rathauschefs aus dem Landkreis Stade sprechen in ihrem Brief angesichts solcher geringen Fördersummen von einem "marginalen Zuwendungsvolumen". Das ist noch höflich umschrieben. Sie hätten Klartext schreiben und der Ministerin erklären sollen: Diese lächerlichen Kleckerbeträge sind eine Frechheit. Die vom Land zugesagt "Planungssicherheit" bei der baulichen Erweiterung der Grundschulen erweist sich jedenfalls als leeres Versprechen. Außerdem wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass mit der Einführung der Ganztags-Grundschule ja auch Erwartungen "in Bezug auf eine pädagogisch adäquate räumliche Ausstattung des Ganztagsangebotes" verknüpft sind - sowohl bei den Eltern als auch bei den Lehrkräften. Doch hier würden klare rechtliche Vorgaben hinsichtlich der Standards fehlen, so die Kritik aus dem Landkreis Stade.

Brandbrief aus dem Landkreis Stade an die Kultusministerin

Kommunen müssten hohe Kredite aufnehmen

Wörtlich heißt es in dem Brief an die Kultusministerin: "Stark reduzierte Zuwendungen für Baumaßnahmen und fehlende Rechtsvorgaben zur pädagogisch-räumlichen Umsetzung des Ganztags als 'größtmöglichen Handlungsspielraum und Flexibilität' zu bewerben, hinterlasst bei den kommunalen Schulträgern des Landkreises Stade mehr Fragezeichen als Antworten." Die Kommunen im Landkreis Stade hätten bei ihren Planungen auf eine ausreichende finanzielle Unterstützung durch die Schulbauförderprogramme vertraut, so die Bürgermeister. Doch eine "Realisierung dieser Maßnahmen zur Herstellung der Ganztagsfähigkeit der Schulgebäude ist nun in Anbetracht des bekannten Zuwendungsvolumens nicht mehr mit einem rechtskonformen kommunalen Haushalt abbildbar". Das bedeutet mit anderen Worten: Die (Samt-)Gemeinden müssten dermaßen hohe Kredite für den Ausbau der Grundschulen aufnehmen, dass deren Haushalte von der Kommunalaufsicht nicht mehr genehmigt würden. 

Appell an die Kultusministerin

Die Bürgermeister machen eine Rechnung auf: Nach den aktuellen Daten müssten neun von elf Landkreis-Kommunen umfangreiche Investitionen tätigen, um ihre Grundschulen fit für die Ganztagsbetreuung zu machen - in Höhe von insgesamt 166 Millionen Euro. An jährlichen Kosten werden 6,6 Millionen Euro veranschlagt, davon zwei Drittel für das Personal. Diese Summen könnten die Kommunen nicht aufbringen, so die Rathauschefs. Ihre Forderung an die Ministerin: "Wir erwarten von der Landesregierung, sich beim Bund für eine spürbare finanzielle Entlastung der Kommunen bei der Bewältigung dieses zwar sinnvollen, aber ohne Einbußen bei der Daseinsvorsorge in anderen Bereichen nicht leistbaren Vorhabens einzusetzen oder den Betreuungsanspruch durch eigene Finanzzuweisungen des Landes an die Kommunen abzufedern."

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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