Umstrittenes Gesetz
Krankenhausreform wurde im Bundestag beschlossen

Die Dokumentation im Gesundheitswesen nimmt viel Zeit in Anspruch. | Foto: AdobeStock / DC Studio
  • Die Dokumentation im Gesundheitswesen nimmt viel Zeit in Anspruch.
  • Foto: AdobeStock / DC Studio
  • hochgeladen von Stephanie Bargmann

Eine Reform muss her, aber so eine? Der Bundestag hat mit den Stimmen der großen Koalition ein von Gesundheitsminister Karl Lauterbach geplantes Gesetz mit dem etwas sperrigen Namen "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" (KHVVG) verabschiedet. Das Gesetz muss jetzt noch von den Ländervertretungen im Bundesrat genehmigt werden. In den Landkreisen Harburg und Stade stieß es bei den verantwortlichen Vertretern der Krankenhausgesellschaft und bei der Opposition auf heftige Kritik.

Die Ziele der Reform: Weniger ökonomischer Druck für die Kliniken, Bürokratieabbau und eine bessere Versorgungsqualität – und dies flächendeckend in ganz Deutschland. Spezialisierte Kliniken sollen die Behandlungsqualität erhöhen und den ambulanten und stationären Sektor enger verzahnen. In Zukunft soll auch das alleinige Vorhalten von Strukturen bezahlt und gleichzeitig die bisherigen Fallpauschalen gesenkt werden. Die finanzielle Situation der Krankenhäuser soll auch durch bessere Refinanzierung von Tarifkosten und mehr Förderung für ländliche Krankenhäuser verbessert werden.

Krankenhaus im Spannungsfeld zwischen Bund und Ländern

Was sagen die Vertreter der Krankenhäuser? Die Geschäftsführung der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, Kai Uffelmann, Klaus-Jörg Bossow und Franziska von Breunig, äußerten sich zur Reform sehr kritisch. Die Krankenhäuser befänden sich in einem Spannungsfeld zwischen Bund und Ländern. Die Verantwortung für die Finanzierung werde hin und her geschoben, was zu einer erheblichen Unsicherheit führe.

Klaus-Jörg Bossow: "Besonders problematisch ist die Tatsache, dass, anders als vom Minister Lauterbach verbindlich angekündigt und von den Ländern eingefordert, bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Auswirkungsanalyse zu den Folgen der Reform vorliegt. Für unsere Krankenhäuser in Buchholz und Winsen hat das zur Folge, dass die Konsequenzen des Gesetztes auf die konkrete Versorgungssituation der Bevölkerung hier vor Ort zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht abzusehen sind."

Mehr Bürokratie, mehr Kosten

Die Reform der Finanzierung zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage von Krankenhäusern verfehle "kurz- und mittelfristig ihr Ziel vollkommen". Ob mit der angekündigten Finanzierung von Vorhaltekosten langfristig tatsächlich eine wirtschaftliche Entlastung von Krankenhäusern verbunden sein wird, sei ebenfalls nicht sicher. Was dagegen schon heute absehbar sei: "Auch unsere Krankenhäuser werden mit erheblichem bürokratischen Mehraufwand belastet, der mit deutlichen Mehrkosten verbunden sein wird."

Siegfried Ristau, Geschäftsführer der Elbe Kliniken im Landkreis Stade, sieht zwar viel Gründe für eine Reform. Als Beispiele nennt er die Fachkräfteproblematik, die demografische Entwicklung und die finanziellen Grenzen der Sozialkassen. "Die Art und Weise der Umsetzung ist jedoch eine Farce", betont der Klinikchef. "Das neue Gesetz bietet den Krankenhäusern überhaupt keine Chance, die Reform umzusetzen. Denn hierfür müssten sie strukturell komplett anders aufgestellt sein." Die Kliniken hätten weder die Zeit noch das Geld, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen.

Zudem dementiert Ristau den von der Bundesregierung angekündigten Bürokratieabbau. "Die Reform bedeutet für unsere Mitarbeitenden in erster Linie einen enormen Zuwachs an neuen Vorschriften sowie Dokumentations- und Nachweispflichten. Von der angekündigten Entbürokratisierung werden wir nur am Rande und bei Kleinstmaßnahmen etwas zu spüren bekommen."

Großes Lob an das Klinikpersonal

Alle Klinikchefs loben unisono ihre engagierten Teams. "Die Mitarbeitenden beweisen täglich eine große Flexibilität und Einsatzbereitschaft, um den Herausforderungen im Gesundheitswesen zu begegnen. Trotz der Unsicherheiten sind sie hoch motiviert, weiterhin eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen", sagt Franziska von Breunig.

Der Harburger Landrat Rainer Rempe ist enttäuscht, dass der Bundestag dem Gesetz zugestimmt habe, obwohl die Forderungen der Länder und der Träger der Krankenhäuser keinerlei Berücksichtigung gefunden hätten: "Der durch den Bundesgesundheitsminister zugesagte Inflationsausgleich für die Jahre 2022 bis 2024 ist nicht umgesetzt, es fehlt eine Auswirkungsanalyse, sodass die Folgen der Reform gerade für die ländlichen Regionen nicht absehbar sind, und der propagierte Bürokratieabbau wird ins Gegenteil verkehrt, da sich der Bürokratieaufwand (...) noch deutlich erhöhen wird." Rempes Hoffnung liegt jetzt auf den Ländern, die über den Bundesrat die Möglichkeit haben, den Vermittlungsausschuss anzurufen und damit eine Umsetzung des Gesetzes in dieser Form zu verhindern. Rempe: "In der jetzigen Form hat das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz seinen Namen in jedem Fall nicht verdient."

"Gefährlicher Blindflug" und "völlig inakzeptabel"

Einen "gefährlichen Blindflug" nennt Michael Grosse-Brömer, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Landkreis Harburg, das neue KHVVG, dem er nicht zugestimmt habe. Denn: "Die Krankenhausreform der Ampel ist nichts anderes als ein gefährlicher Blindflug. Kein Abgeordneter, der heute für dieses Gesetz gestimmt hat, kann konkret sagen, wie sich die Reform auf die Krankenhäuser in seinem Wahlkreis auswirken wird." Was Grosse-Brömer außerdem bemängelt: Die Reform sei komplett an den Bundesländern und den Kommunen vorbei erdacht worden, obwohl laut Grundgesetz die Länder für die Krankenhausplanung zuständig seien.

Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Sebastian Lechner, bewertet das Reformgesetz dann erwartungsgemäß als "völlig inakzeptabel". Der Bundesgesundheitsminister missachte die Planungshoheit der Länder. Zudem fehlten wichtige Informationen, weil bislang keine Auswirkungsanalyse vorliegt." Die Reform werde auf Kosten der Beitragszahler ausgetragen. Das nun beschlossene Gesetz bedroht Lechners Ansicht nach viele Krankenhäuser und damit die flächendeckende Versorgung in Niedersachsen. "Wir fordern die Landesregierung daher auf, die Reform im Bundesrat abzulehnen."

"Auch die gut 1.800 Kliniken als Hauptbetroffene hat die Ampel beharrlich ignoriert", so Grosse-Brömer. Uns als Opposition hat die Ampel in den entscheidenden Tagen der Beratungen wichtige Informationen zur Auswirkungsanalyse sogar absichtlich vorenthalten. Einem solchen Umgang im Parlament und mit den Ländern können wir als Union nicht zustimmen."

Es drohen weitere Klinikinsolvenzen

Die Reform wird erst ab 2027 finanzielle Wirkungen entfalten, bis dahin drohen weitere Insolvenzen von Kliniken. In der vergangenen Woche wurde zum Beispiel die drohende Insolvenz des Krankenhauses auf der Insel Norderney bekannt. Ein von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gefordertes Vorschaltgesetz, um diesen kritischen Zeitraum zu überbrücken, war von den Ampelfraktionen abgelehnt worden.

Die Kosten der Reform sollen zur Hälfte die Länder und die Krankenkassen-Beitragszahler übernehmen. "Dadurch werden die Kassenfinanzen weiter belastet, neue substanzielle Beitragserhöhungen sind bereits angekündigt", bemängelt Grosse-Brömer. "Bei der Finanzierung macht sich die Bundesregierung ebenfalls einen schlanken Fuß." Die durch das Gesetz vorgegebenen bundesweiten Regelungen für Krankenhausleistungen und Qualitätsvorgaben seien zu starr, um regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Und: Die zusätzlichen Bürokratievorgaben seien erheblich, bemängelt auch Christdemokrat Grosse-Brömer. Sie würden Mehraufwand für das medizinische Personal bedeuten, das dann weniger Zeit für die Patienten hätten.

Redakteur:

Stephanie Bargmann aus Stade

Webseite von Stephanie Bargmann
Stephanie Bargmann auf Facebook
Stephanie Bargmann auf Instagram
Stephanie Bargmann auf YouTube
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Service

Wichtige WOCHENBLATT-Mail-Adressen

Hier finden Sie die wichtigen Email-Adressen und Web-Adressen unseres Verlages. Wichtig: Wenn Sie an die Redaktion schreiben oder Hinweise zur Zustellung haben, benötigen wir unbedingt Ihre Adresse / Anschrift! Bei Hinweisen oder Beschwerden zur Zustellung unserer Ausgaben klicken Sie bitte https://services.kreiszeitung-wochenblatt.de/zustellung.htmlFür Hinweise oder Leserbriefe an unsere Redaktion finden Sie den direkten Zugang unter...

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.