Genossen warnen vor Eskalation
SPD-Landtagspolitikerin ruft Bauern zur Mäßigung auf
Die SPD-Landtagsabgeordnete Corinna Lange und ihr Co-Vorsitzende der Stader Kreis-SPD, Kai Koeser, schließen sich einem Aufruf der SPD Nord-Niedersachsen an, in dem ein besonnenes Verhalten bei den Bauern-Protesten am Montag gefordert wird. "Wir rufen alle Landwirtinnen und Landwirte dringend dazu auf, sich von Gewalt und Drohungen zu distanzieren", heißt es in dem Appell. Androhungen körperlicher Gewalt und Krawalle seien in einer Demokratie nicht geeignet, um für eigene Interessen einzustehen. „Wir müssen wieder an den Tisch – nur im Dialog können wir diese Grabenkämpfe beenden“, appellierte der SPD-Bezirksvorsitzende Uwe Santjer am Freitag an die Landwirtschaftsverbände im Elbe-Weser-Raum. Die Landwirte müssten sich von Gewalt und Hass distanzieren und mäßigend auf diejenigen einwirken, die eskalieren wollen.
Gute Zusammenarbeit zum Wohl der Region
„Die rot-grüne Landesregierung und die SPD-Landtagsfraktion haben sich klar positioniert: Wir stehen an der Seite der niedersächsischen Landwirtschaft“, betont Corinna Lange, die auf den bereits am Donnerstag unterzeichneten gemeinsamen Appell der Landesregierung und der landwirtschaftlichen Verbände in Niedersachsen verweist (mehr dazu siehe hier). Sie lobt den bisher engen und vertrauensvollen Austausch mit der Landwirtschaft im Landkreis Stade. „Wir haben bisher unsere Themen gemeinsam bewegt. Diese gute Zusammenarbeit zum Wohl unserer Region ist jetzt in Gefahr.“ Ihr Co-Vorsitzender der Kreis-SPD Kai Koeser kritisiert in diesem Zusammenhang das öffentliche Aufstellen von Galgen.
Demokratische Regeln sind einzuhalten
Protest sei im Rahmen der Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders selbstverständlich ein probates Mittel – aber eben nur im Rahmen der demokratischen Regeln. „Wir haben hier im Bezirk Nord-Niedersachsen in den vergangenen Jahren eine gute gemeinsame Basis mit der Landwirtschaft geschaffen – es wäre fatal, wenn einige wenige, aber dafür umso aggressivere Menschen diese Kooperation nachhaltig beschädigen würden“, bekräftigt Uwe Santjer, der sich erschrocken von der Radikalisierung einiger der Akteure zeigt. Dabei sei es unerträglich, dass demokratiefeindliche „Trittbrettfahrer“, auf der Welle des Protestes mitschwimmen.
Androhung von Gewalt nicht akzeptabel
"Wir wissen um die Qualität unserer Landwirtschaft im Elbe Weser Raum und sind darüber dankbar. Und wir wissen auch, dass für die allermeisten Landwirte die Androhung von Gewalt nicht akzeptabel ist. Es gibt eine klare Grenze, die nicht überschritten werden darf", heißt es von der SPD-Spitze in der Region. Die Landwirtschaft habe sich, gerade in den letzten Tagen, durch großartige Hilfen beim Hochwasser hervorgetan und gezeigt, wofür sie steht. "Jetzt Straßen zu blockieren und damit womöglich Hilfskräften den Weg zu versperren, Dung vor Rathäusern, Kreishäusern oder Parteigebäuden abzuladen und Drohungen auszusprechen – all das schadet dem Dialog", erklären die Genossen. Sie fordern die Landwirte auf: „Lasst uns reden.“
Zur Information
Erklärung der niedersächsischen Landesregierung mit fünf landwirtschaftlichen Verbänden
(Die Erklärung erfolgte am Donnerstag vor der Bekanntgabe der Bundesregierung, einen Teil der geplanten Streichungen bei den Subventionen für die Landwirtschaft zurückzunehmen.)
Die Pläne zur Erhöhung der Mineralölsteuer für Agrardiesel und zur erstmaligen Erhebung von KFZ-Steuern für landwirtschaftliche Fahrzeuge sollen gestoppt werden - diese Forderung richtet die niedersächsische Landesregierung mit fünf landwirtschaftlichen Verbänden an die Bundesregierung sowie die regierungstragenden Fraktionen im Deutschen Bundestag. An der gemeinsamen Erklärung von Ministerpräsident Stephan Weil und Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte beteiligen sich das Landvolk Niedersachsen, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Land schafft Verbindung, der Bund der Deutschen Milchviehhalter und die Landesvereinigung Ökologischer Landbau.
In der Erklärung macht die Landesregierung gemeinsam mit den Verbänden darauf aufmerksam, dass Landwirtinnen und Landwirte derzeit überdurchschnittlich durch das Sparpaket der Bundesregierung belastet werden. Landwirtschaftliche Betriebe können höhere Kosten nicht an den Lebensmitteleinzelhandel oder die Ernährungswirtschaft weitergeben, da Preise für die meisten landwirtschaftlichen Güter maßgeblich vom Weltmarkt geprägt sind und ein Marktmachtgefälle zuungunsten der Erzeugerinnen und Erzeuger besteht. Die geplanten Kürzungen sind somit direkt einkommenswirksam für die Betriebe.
Ministerpräsident Stephan Weil: „Niedersachsen ist Agrarland Nr.1 und das wollen wir auch bleiben - deswegen müssen die Landwirtinnen und Landwirte bei der Transformation unterstützt und nicht zusätzlich belastet werden. Darüber hinaus möchte ich mich noch einmal ausdrücklich bei allen Landwirtinnen und Landwirten ganz herzlich bedanken, die derzeit vielerorts bei der Hochwasserbekämpfung helfen!"
Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte: „Die niedersächsischen Landwirtinnen und Landwirte müssen ihre Acker- und Grünlandflächen bewirtschaften und können nicht einfach Agrardiesel einsparen. Die technischen Möglichkeiten sind noch nicht ausreichend vorhanden, um von den fossilen Kraftstoffen wegzukommen - das geht nicht von heute auf morgen."
Dr. Holger Hennies, Präsident des Landvolks Niedersachsen: „Unsere Landwirtinnen und Landwirte sind in den vergangenen Jahren enorm durch die Politik belastet worden, deshalb dürfen sie jetzt nicht allein die Lasten dieser Politikvorschläge tragen. Wir fordern einen fairen Umgang mit der Landwirtschaft, und wir brauchen keine Steuererhöhungen, was diese Vorschläge nun einmal sind, sondern müssen weg von der Steuerverschwendung."
Ottmar Ilchmann, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: „Die Bundesregierung muss die aktuellen Proteste zum Anlass nehmen, nicht nur die angekündigten kurzfristigen Streichungen der Agrardieselentlastung und Kfz-Steuerbefreiung zurückzunehmen, sondern endlich auf landwirtschaftlichen Betrieben für Wertschöpfung und finanzielle Entlastung zu sorgen. Die Konzepte dafür sind in der Zukunftskommission Landwirtschaft und in der Borchert-Kommission im Konsens mit der Gesellschaft erarbeitet worden. Die Bundesregierung muss jetzt liefern!"
Dirk Koslowski, Vorsitzender von Land schafft Verbindung Niedersachsen-Bremen: „Mit den angekündigten Kürzungen der Steuervergünstigungen haben die politischen Akteure in Berlin nicht nur sehr viel Vertrauen verspielt, welches auch für künftige Regierungen schwer wiederherzustellen sein wird. Auch die Aussage, es würde sich hierbei um den Abbau von klimaschädlichen Subventionen handeln, ist eine absolute Frechheit und dient lediglich der Verunglimpfung eines ganzen Berufsstandes. Ist doch die Landwirtschaft die einzige Branche, die ihre Sektorziele zur CO2-Reduktion nicht nur erreicht, sondern sogar übererfüllt hat."
Peter Habbena, Landesvorsitzender des Bundes deutscher Milchviehhalter: „Erst müssen die Marktrahmenbedingungen geschaffen werden, damit wir derartige Kostensteigerungen an unsere Abnehmer weitergeben können. Solange das für uns nicht möglich ist, lehnen wir weitere zusätzliche finanzielle Belastungen wie die aktuell geplanten kategorisch ab. Wir geben schon unsere Produkte unter Wert ab."
Dr.Yuki Henselek, Geschäftsführerin der Landesvereinigung Ökologischer Landbau Niedersachsen: „Die Kurzfristigkeit der Streichung der Agrardieselsubvention trifft den Ökolandbau besonders hart. Der Ökolandbau spart schon jetzt pro Hektar 750 Euro Klimafolgekosten ein und trägt damit zu einer sozial-ökologischen und klimafreundlichen Transformation der Landwirtschaft bei. Kurzfristige, unkalkulierbare Streichungen von Subventionen ohne Lenkungswirkung sind nicht hinnehmbar und trifft vor allem bäuerliche und zukunftsfähige Betriebe."
In der Unterzeichnung heben die Landesregierung und die Verbände hervor, dass sie Verständnis für die Proteste der Landwirtinnen und Landwirte haben, die gerade in Niedersachsen während der Hochwasserereignisse wieder einmal den Hilfskräften mit ihren Maschinen tatkräftig zur Seite stehen. Dabei distanzieren sie sich ebenso eindeutig von nicht angemessenen Verhaltensweisen und Symbolen wie Protesten vor Privathäusern oder Zurschaustellung von Galgen und anti-demokratischen Äußerungen und warnen vor einer Vereinnahmung der landwirtschaftlichen Proteste durch radikale Gruppierungen und vor deren Aufrufen zur Gewalt.
Hintergrund:
In Deutschland wird für Diesel für Fahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft aktuell eine Steuervergünstigung von 0,2148 Euro pro Liter gewährt (der Normalsteuersatz beträgt 0,47 Euro pro Liter). Nach den Plänen der Bundesregierung soll diese Agrardieselvergünstigung wegfallen. Die einzelnen Betriebe werden sehr unterschiedlich betroffen sein, die Zusatzkosten bei einigen Ackerbaubetrieben dürften deutlich im fünfstelligen Bereich liegen. Hinzu kommen kumulative Effekte durch den gleichzeitigen Anstieg der CO2-Bepreisung und den Wegfall der KFZ-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft. Der Wegfall der KFZ-Steuer kann Mehrbelastungen von bis zu 1.000 Euro je Schlepper und Jahr, je nach Alter und Leistung, nach sich ziehen.
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.