Geopolitische Situation beflügelt Stader Pläne
Gute Aussichten für Stader LNG-Terminal: Flüssiggas als Alternative zu russischem Erdgas?
jd. Stade. Was hat Stade mit der großen Weltpolitik zu tun? Im Moment sehr viel: Denn die aktuelle geopolitische Lage könnte ein Projekt beflügeln, dessen Umsetzung bisher noch immer mit gewissen Fragezeichen versehen war: Der Bau eines Flüssiggas-Terminals am Stader Seehafen. Die Zuspitzung der Ukraine-Krise, das damit verbundene (zumindest vorläufige) Aus für die russische Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 und die Drohung aus Moskau, an der Preisschraube für die Gaslieferungen zu drehen, lassen die Chancen für das geplante Stader LNG-Terminal steigen. Auf lange Sicht - die Fertigstellung der Anlage ist für 2026 angepeilt - könnte das am Stader Hafen angelandete Flüssiggas aus LNG-Exportländern wie USA, Katar oder Australien einen Teil des russischen Erdgases ersetzen, das derzeit noch mehr als die Hälfte aller deutschen Gasimporte ausmacht.
Sollten die Pläne für die Stader Anlage im vorgesehenen Zeitfenster realisiert werden, wäre es wahrscheinlich das erste deutsche LNG-Terminal. Konkurrenz gibt es derzeit nur im jenseits der Elbe gelegenen Brunsbüttel. Doch das dortige Vorhaben musste immer wieder Rückschläge hinnehmen. Zuletzt verkündeten die in Schleswig-Holstein mitregierenden Grünen, dass sie das Brunsbütteler Terminal ablehnen. Von einem anderen Grünen kamen in diesen Wochen ganz anderen Töne in Sachen LNG: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte erklärt, dass der Bau eigener Flüssiggas-Terminals in Deutschland wohl erforderlich sei, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten - zumindest für eine Übergangszeit bei der Energiewende. Das klingt deutlich anders als das bisher kategorische Nein der Grünen zu LNG.
Antragsunterlagen sollen im Sommer eingereicht werden
Die positiven Signale aus dem Wirtschaftsministerium dürfte Johann Killinger, geschäftsführender Gesellschafter von Hanseatic Energy Hub (HEH) erfreut vernommen haben. Sein Unternehmen plant das Stader LNG-Terminal auf dem Areal von Dow. Gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) hat er in dieser Woche erklärt, dass die Antragsunterlagen für das rund 800 Millionen Euro teure Projekt im Sommer eingereicht werden sollen. Killinger rechnet damit, dass das Genehmigungsverfahren rund ein bis anderthalb Jahre in Anspruch nimmt. "Dann geht es mit dem Bauen los", sagte Killinger der dpa. Zusätzlich muss für rund 150 bis 200 Millionen Euro ein neuer Anleger gebaut werden. Das übernimmt Hafenbetreiber N-Ports. Die landeseigene Gesellschaft hat am Montag mitgeteilt, dass die Planungen voraussichtlich in diesem Jahr bei der Genehmigungsbehörde eingereicht werden.
Laut HEH könnte das Stader LNG-Terminal mit den dort angelieferten Mengen später bis zu zehn Prozent des deutschen Gasbedarfs decken. Die Versorgung mit LNG hat in Deutschland bisher eine unterordnete Rolle gespielt - nicht zuletzt, weil das Flüssiggas im vergleich zum russischen Erdgas deutlich teurer war. Mit dem Anstieg der Erdgas-Preise ist LNG nun konkurrenzfähig. Ein Kostenfaktor ist das Herunterkühlen auf minus 162 Grad. Da das auf diese Weise erzeugte Flüssiggas nur noch ein Sechstel seines ursprünglichen Volumens umfasst, kann es in großen Mengen in Spezialtankern transportiert werden. In den vergangenen Wochen waren schon LNG-Tankschiffe nach Europa umgeleitet worden, weil sich hier angesichts geringer Erdgas-Reserven gute Gewinne erzielen ließen.
Die meisten der 26 LNG-Terminals waren bisher nicht ausgelastet. Das könnte sich vor dem Hintergrund der militärischen Eskalation in der Ukraine ändern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte kürzlich erklärt, dass die Europäische Union durch ein Hochfahren der Flüssiggas-Importe ausbleibende russische Gaslieferungen kompensieren könnte. Von der Leyen teilte mit, dass man mit wichtigen LNG-Lieferanten über eine Erhöhung der Liefermengen gesprochen habe. Bis das Stader Terminal betriebsbereit wäre, müsste Deutschland sich das LNG aus seinen Nachbarländern beschaffen. Es bestehen Leitungen zu Terminals in Frankreich, Belgien und den Niederlanden.
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