Akteure vor Ort erstellen Positionspapier
Zukunft made in Stade – Der Industrie-Standort macht mobil

Machen sich gemeinsam für den Chemiestandort Stade stark (v. li.): Kai Seefried (Landrat), Oliver Elsen (Betriebsrat AOS), Stephan Engel (Projektkoordinator Wirtschaftsförderung Landkreis Stade), Sascha Noormann (Produktionsleiter Dow), Matthias Reichert (Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Landkreis Stade) | Foto: Daniel Beneke/LK Stade
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  • Machen sich gemeinsam für den Chemiestandort Stade stark (v. li.): Kai Seefried (Landrat), Oliver Elsen (Betriebsrat AOS), Stephan Engel (Projektkoordinator Wirtschaftsförderung Landkreis Stade), Sascha Noormann (Produktionsleiter Dow), Matthias Reichert (Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Landkreis Stade)
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Von der Chemieregion zur Zukunftswerkstatt: Der Landkreis Stade will sich nicht mit der Zuschauerrolle zufriedengeben, wenn es um die industrielle Transformation geht – ganz im Gegenteil. Im Landkreis ziehen Vertreter aus Geschäftsführungen, Betriebsräten, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Verwaltungen und Politik an einem Strang und senden ein deutliches Signal nach Berlin, Brüssel und Hannover: „Wir sind bereit – jetzt seid ihr dran!“

Schulterschluss mit Signalwirkung

Rechtzeitig zu den Koalitionsverhandlungen in der Hauptstadt hat das vom Landrat Kai Seefried (CDU) geschmiedete Zukunfts-Bündnis ein ambitioniertes Positionspapier vorgelegt. Darin fordern die Beteiligten nichts Geringeres als eine industriepolitische Zeitenwende – und das mit gutem Grund. Stade zählt zu den bedeutendsten Chemiestandorten Europas, - mit Ausbaureserven, Hafenanlage und einer direkten Anbindung an die Energienetze. Die in Stade-Bützfleth angesiedelten Chemieunternehmen liefern zahlreiche Erzeugnisse, die die Grundlage für viele Industriezweige in Deutschland bilden. Aufgrund der globalen Entwicklungen infolge der Energiekrise ist die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts jedoch bedroht. An diesem Standort hängen rund 10.000 Arbeitsplätze und es werden jährlich stolze 50.000 Tonnen Wasserstoff produziert. Das ist europäischer Spitzenwert. 

In dem Positionspapier geht es um die Zukunft des Industriegebietes in Stade-Bützfleth | Foto: Martin Elsen/nord-luftbilder.de
  • In dem Positionspapier geht es um die Zukunft des Industriegebietes in Stade-Bützfleth
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Die Bürokratie bremst

Der Landrat bringt es auf den Punkt: „Wir können und wollen unseren Beitrag zur Energiewende und industriellen Transformation leisten.“ Die Voraussetzungen seien da: leistungsfähige Unternehmen, eine starke Hafeninfrastruktur, direkter Zugang zu Energie- und Verkehrsnetzen – und jede Menge Ideen. Doch während vor Ort die Ärmel hochgekrempelt werden, bremst die Bürokratie. Langwierige Genehmigungsprozesse, hohe Energiepreise und ein Dschungel an Auflagen behindern Investitionen. „Das muss sich ändern!“, sagt Matthias Reichert, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung des Landkreises. Ein dicker Brocken seien die Energiekosten, sie müssten gesenkt werden. Reichert fordert eine Reduzierung der Netzentgelte sowie der Abgaben auf Strom und Gas. 

Anfragen von Unternehmen

Mit den Zukunftsplänen für die Stader (Chemie-) Industrie befasst sich ein eigens dafür eingestellter Projektkoordinator. Die Leitung des Pilotprojektes zur Standortentwicklung Stephan Engel inne. Engel war bis 2023 mehr als drei Jahrzehnte lang als Manager beim Chemieunternehmen Dow tätig. Er verweist darauf, dass auch das Interesse an neuen Ansiedlungen groß sei. „Das belegen zahlreiche Anfragen von Unternehmen, die die Stärken und Chancen des Standortes erkannt haben und die sich in Stade niederlassen wollen.“ Dabei müssen in Deutschland planerische Hürden abgebaut werden. So sollte eine bis ins kleinste  Detail ausgearbeitete Projektplanung nicht bereits für eine Genehmigung vorliegen müssen, sondern entsprechend der Regelungen in anderen EU-Ländern im Laufe der Realisierung erarbeitet werden können.

Faire Wettbewerbsbedingungen 

Das Positionspapier sieht verschiedene Hebel vor, die bewegt werden müssen. Dazu gehört die schnelle Anbindung an das Wasserstoffkernnetz (geplant bis 2028/2029), der Ausbau der Autobahnen A26 und A20 inklusive Elbquerung, die Erweiterung des Stader Nordhafens und der Bau eines Industriegleises entlang der A26 – alles Maßnahmen, die Stade als Industriestandort deutlich stärken würden. Zudem werden in dem Papier faire Wettbewerbsbedingungen für heimische Produktionen gefordert. Derzeit nutze etwa China seine Marktmacht bei kritischen Rohstoffen, um Preise zu manipulieren. Um dem entgegenzuwirken, schlägt das Papier unter anderem Quoten für in der EU produzierte Grundstoffe vor. So könnten europäische Wertschöpfungsketten stabilisiert und Abhängigkeiten reduziert werden.

Olaf Lies beim Auftakt zu dreijährigem Modellprojekt

Das wird im Positionspapier gefordert

In Stade weiß man, wie Industrie geht. Nun geht es darum, den Industriestandort fit für die Zukunft zu machen. Das Positionspapier soll dabei aufzeigen, wie es konkret weitergehen kann. Das wünschen sich die Akteure vor Ort von Bund, Land und EU: 

1. Energiepreise runter – und zwar zügig
Industrie braucht Strom – viel Strom. Und wenn der zu teuer ist, wandern Unternehmen früher oder später ab. Deshalb fordert Stade einen Transformationsstrompreis, weniger Netzentgelte und geringere Abgaben auf Gas. Auch betriebsnahe Kraftwerke – am besten schon „H2-ready“ – sollen gefördert werden. Das bringt Versorgungssicherheit und macht den Standort konkurrenzfähig.

2. Weniger Bürokratie, mehr Tempo
Genehmigungen sind oft ein echter Bremsklotz für Investitionen. In Stade sagt man: „Macht’s einfacher!“ Warum nicht erst genehmigen und dann Details nachliefern – wie in anderen EU-Ländern auch? Eine Grundgenehmigung mit späterer Nachweispflicht wäre ein Gamechanger. Außerdem soll die überfällige Novelle des Baugesetzbuches endlich kommen, damit Kommunen Industrieprojekte schneller und rechtssicher umsetzen können.

3. Wertschöpfung sichern – made in Germany
Stade sieht mit Sorge, wie China bei Rohstoffen den Markt dominiert. Um dem entgegenzuwirken, braucht es klare Quoten für heimische Produkte und faire Marktbedingungen. Außerdem sollte der Umweltschutz sinnvoll bleiben: strenge, aber machbare Grenzwerte, die europäische Produktion nicht unmöglich machen. Sonst landen Aufträge im Ausland – und das hilft weder Klima noch Wirtschaft.

4. Grüner Wasserstoff? Ja bitte – aber machbar
Mit 50.000 Tonnen pro Jahr ist Stade Europas Wasserstoff-Hotspot. Damit das so bleibt, fordert die Region klare Regeln: CCS (Carbon Capture and Storage) muss erlaubt werden, damit auch CO₂-armer Wasserstoff aus Erdgas zum Einsatz kommen kann. Und der Preis für grünen Wasserstoff muss durch staatliche Unterstützung temporär wettbewerbsfähig gemacht werden. Denn nur so kommt die Technologie wirklich in Fahrt.

5. Infrastruktur: Der Ausbau muss rollen
Ohne gute Wege kommt man nicht weit. Deshalb müssen folgende Punkte bei der Infrastruktur abgearbeitet werden:

  • den Nordhafen erweitern, damit mehr Güter umgeschlagen werden können
  • bis 2028/29 an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen sein
  • endlich die A26 und A20 samt Elbquerung bei Drochtersen fertigstellen
  • ein Industriegleis bauen, das den Hafen und die Industrie direkt ans Schienennetz anschließt
Machen sich gemeinsam für den Chemiestandort Stade stark (v. li.): Kai Seefried (Landrat), Oliver Elsen (Betriebsrat AOS), Stephan Engel (Projektkoordinator Wirtschaftsförderung Landkreis Stade), Sascha Noormann (Produktionsleiter Dow), Matthias Reichert (Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Landkreis Stade) | Foto: Daniel Beneke/LK Stade
In dem Positionspapier geht es um die Zukunft des Industriegebietes in Stade-Bützfleth | Foto: Martin Elsen/nord-luftbilder.de