Handeloh
Gedenken an die getöteten KZ-Häftlinge des Todeszugs

Gerda Meyer und ihr Sohn Thomas. Ihr Vater, der frühere Handeloher Bürgermeister Heinrich Peters (1937 - 1960), hatte die Bürger zur Versorgung der ausgemergelten KZ-Häftlinge aufgefordert | Foto: bim
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  • Gerda Meyer und ihr Sohn Thomas. Ihr Vater, der frühere Handeloher Bürgermeister Heinrich Peters (1937 - 1960), hatte die Bürger zur Versorgung der ausgemergelten KZ-Häftlinge aufgefordert
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Vor rund 80 Jahren - am 8. April 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs - hielt am Handeloher Bahnhof ein Zug, den die Dorfbewohner und ihre Nachfahren sicherlich nie vergessen werden: der Todeszug auf der Heidebahn. Darin deportierten die Nazis KZ-Häftlinge aus dem wegen dem Vorrücken der Alliierten geräumten KZ "Mittelbau-Dora" im Harz über Umwege nach Bergen-Belsen - eingepfercht wie Vieh in Waggons. Ohne ausreichend Nahrung und Wasser, geschwächt oder krank starben viele der KZ-Insassen bereits unterwegs, andere wurden von ihren Bewachern erschossen. Als er Zug in Handeloh hielt, mobilisierte der frühere Handeloher Bürgermeister Heinrich Peters (1937 - 1960) die Bürger, die Kartoffeln, Steckrüben und Kaffee kochten, und die Häftlinge versorgten. Jetzt gedachten rund 30 Bürgerinnen und Bürger der Opfer des NS-Todeszugs.

Darunter waren auch Thomas Meyer und seine Mutter Gerda, Tochter des engagierten Bürgermeisters Peters. Sie erinnerte sich, dass zunächst die Erwachsenen den Häftlingen das Essen geben wollten, aber von den Nazis weggescheucht wurden. Daher übernahmen die Kinder die Verteilung.
Ebenfalls dabei war Adolf Staack, Mitautor des Buches über die KZ-Züge auf der Heidebahn "Nur Gott der Herr kennt ihre Namen".

Dunkles Kapitel
deutscher Geschichte

An die "Opfer eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte" erinnerte Handelohs Bürgermeister Uwe Blanck. Der Tag sei aber nicht nur eine Geschichte des Leids, sondern auch der Menschlichkeit. Heinrich Peters und die enagierten Handeloher hätten damals Mut gezeigt in einer Zeit der Angst. Trotz aller Bemühungen verloren viele Häftlinge ihr Leben. Die während der Fahrt ums Leben gekommenen Häftlinge und die Erschossenen wurden am 9. April nahe des Bahnhofs in einem Massengrab verscharrt und erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre auf den Handeloher Friedhof umgebettet.

Gemäß dem Buch, an dem Adolf Staack mitgewirkt hat, wurden in den KZ-Zügen 64 getötete KZ-Häftlinge in Handeloh, 156 in Wintermoor, 62 in Schneverdingen, 269 in Wolterdingen und 80 in Soltau. "Wir kennen ihre Namen nicht, aber ihr Schicksal. Sie sollen nicht vergessen werden. Es ist unsere Verantwortung, das Gedenken an die Opfer wach zu halten", sagte Uwe Blanck. Heute gelte es, wachsam zu sein gegenüber Unrecht, Hass und Gleichgültigkeit.

Pastorin Enna Wilts
zur Rolle der Kirche

Auch Pastorin Enna Wilts erinnerte daran, wie wichtig ein solches Gedenken ist in einer Zeit, da die Demokratie wieder in Gefahr ist. Ihr ist bewusst, dass manche die Rolle der Kirche im Dritten Reich skeptisch sehen und fragten: "Wo war die Kirche, als diese Gräueltaten geschahen?" Viele Christen hätten sich von der Ideologie des Nationalsozialismus anstecken lassen und vergessen, dass Jesus ein Jude war. Sie hätten ethische Grundsätze und die Gebote verworfen.
Aber es habe auch kirchlichen Widerstand der "bekennenden Kirche" gegeben, u.a. von dem Theologen Dietrich Bonhoeffer, der im April 1943 verhaftet und zwei Jahre später hingerichtet wurde. Die mehrfach musikalisch vertonte Strophe seines Gedichts, das Bonhoeffer im KZ schrieb, "Von guten Mächten wunderbar geborgen", wurde auch vom Posaunenchor angestimmt, der die Gedenkfeier musikalisch umrahmte.

Die Handeloher, die den KZ-Häftlingen in den Waggons Essen brachten, seien zwar keine aktiven Widerstandskämpfer gewesen, aber auch sie hätten etwas riskiert, sagte Enna Wilts. Durch ihre Solidarität hätten die KZ-Häftlinge noch einen Moment der Menschlichkeit erfahren.
Die Pastorin machte darüber hinaus deutlich, dass es nicht nur schlimm ist, sich an Unrecht zu beteiligen, sondern auch Mitläufer zu sein und zu schweigen. "Es macht einen Unterschied, ob ich etwas riskiere und mich einsetze und Nein sage zu Rassismus und diskriminierenden Verhaltensweisen", so Enna Wilts.

Der frühere Handeloher Bürgermeister Heinrich Richter, der vor einigen Jahren die Gedenktafel am Handeloher Bahnhof initiiert hatte, freute sich über die große Beteiligung an der Gedenkfeier. "Wir müssen ihnen die Ehre zurückgeben, die ihnen damals genommen wurde", sagte er zu den getöteten KZ-Häftlingen.
Viele Menschen am Handeloher Bahnhof können so erfahren, was damals geschah, als die Grausamkeit nach Handeloh kam, aber auch daran, dass es Mitmenschlichkeit gab. Diese gelte es, zu bewahren, so Richter.