Kinderbetreuung
Mit Rechtsanspruch ist es nicht getan, auch Fachpersonal wird gebraucht
In Deutschland fehlen im kommenden Jahr 384.000 Plätze in Kitas und Krippen. Das belegt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung. Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ist für Hunderttausende Kinder und ihre Eltern so etwas wie ein frommer Wunsch, der nicht erfüllt werden kann. Experten sind sicher: An der Misere wird sich nichts ändern. Würden die fehlenden Plätze geschaffen, müssten rund 98.600 Fachkräfte für Krippen und Kitas gewonnen werden. Die zusätzlichen Personalkosten würden pro Jahr rund 4,3 Milliarden Euro betragen und die Kräfte sind schlichtweg nicht da.
Wenn das schon katastrophal ist, wird es ab 2026 noch schlimmer: Ab dann soll nämlich die ebenfalls gesetzlich garantierte Ganztagsbetreuung in Grundschulen schrittweise kommen. Auch dafür braucht es Personal.
Es ist nur als Ausdruck der Verzweiflung zu werten, wenn der Vorschlag diskutiert wird, dass die Betreuungszeiten pro Kind reduziert werden könnten, damit unterm Strich mehr Plätze frei sind. Doch das geht an der Realität und den Bedürfnissen von Eltern komplett vorbei, wissen die Verantwortlichen in den Verwaltungen.
Die Betreuungssituation in Buchholz, Tostedt und Winsen:
Auch wenn Landes- und Bundespolitik im Wahlkampf Eltern gerne glauben machen, bei der Kinderbetreuung möglichst ein Rund-um-Sorglos-Paket zu schnüren: Es sind die Kommunen und freien Träger, die die Kindergarten- und Krippenplätze vor Ort zur Verfügung stellen. "Wir werden es nicht schaffen, dass jeder seinen Wunsch-Kindergartenplatz bekommt", sagt Tostedts Samtgemeinde-Bürgermeister Dr. Peter Dörsam. Gleichwohl haben die Kommunen in den vergangenen Jahren Millionenbeträge im zweistelligen Bereich in den Bau von Kindertagesstätten investiert und werden weiter investieren. Was fehlt, sind Fachkräfte.
• Wie viele Plätze in der Samtgemeinde Tostedt aktuell fehlen, kann Dörsam nicht beziffern, diese Zahlen würden derzeit zusammengestellt. Allerdings sei die Verwaltung ständig mit Hochdruck auf der Suche nach Fachkräften. Denn mit dem Rechtsanspruch auf Kita- oder Krippenplatz allein sei es nicht getan. "Der Markt ist leergefegt", so Dörsam. Zumal es beim Personal auch eine "erhebliche Fluktuation" gebe durch Geburten oder Umzüge. "Ich denke, dass wir in zwei Jahren den Zustand haben, dass es die Ausnahme ist, keinen Kita-Platz zu bekommen", sagt der Samtgemeinde-Bürgermeister. Unter anderem wartet die Samtgemeinde auf die Baugenehmigung für die größte Kita für sechs Gruppen, die an der Weller Straße geplant ist.
• Im Winsen fehlen zum Stichtag 1. Oktober 32 Elementar- und neun Krippenplätze. "Die fehlenden Plätze werden im laufenden Jahr durch Gruppenwechsel in den Einrichtungen voraussichtlich noch zur Verfügung stehen", teilt Winsens Erster Stadtrat Christian Riech mit. Die Versorgung in Winsen liege somit bei nahezu 100 Prozent, da noch Plätze in der Tagespflege hinzuzurechnen seien. Auch im Krippenbereich sei die Versorgungslage derzeit gut. "Da sich diese Zahlen aber permanent ändern, ist die Stadt Winsen stets um die Anpassung der Infrastruktur in diesem Bereich bemüht. So wird vorausschauend die nächste Kita im Ortsteil Luhdorf geplant", sagt Riech.
Die Stadt Winsen habe den Betrieb der Kindertagesstätten an verschiedene gemeinnützige Träger übertragen. Deren Einschätzung nach sei es schwierig, ausreichend Fachkräfte zu finden. "Die kommunalen Bemühungen beim Land, für eine attraktivere Ausbildung zu sorgen, haben leider noch nicht gefruchtet", erläutert Riech.
• In der Stadt Buchholz fehlen aktuell 55 Krippen- und 142 Kita-Plätze. Auch Stadtsprecher Heinrich Helms verweist auf die zusätzliche Betreuungsmöglichkeit in der Kindertagespflege.
Bis zum Kita-Jahr 2026/27 prognostiziert die Stadtverwaltung wegen Zuzügen in neue Wohnbebauung einen Bedarf für weitere 149 Krippen- und 213 Elementarplätze. Die Politik habe jüngst einen Kindertagesstätten-Ausbauplan beschlossen, mit dem bis zum Ende des Kita-Jahres 2024/25 rund fünf Millionen Euro investiert werden, um weitere 126 Krippen- und 224 Elementaplätze zu schaffen.
"Seit Jahren weisen wir auf das Problem der fehlenden Fachkräfte hin. Land und Bund haben nicht wirklich Initiativen gestartet, um Fachkräfte zu gewinnen", ärgert sich auch Buchholz' Stadtsprecher darüber, dass es in Sachen attraktiver Ausbildung im Land nicht vorangeht.
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