92 Personen pro Woche
Landkreis Harburg stößt bei der Unterbringung der Flüchtlinge an die Grenze
Nachdem die Zahl der Flüchtlinge bis zum Jahr 2020 zurückgegangen war, müssen die Kommunen in Deutschland jetzt wieder deutlich mehr Menschen unterbringen, die vor Krieg und Terror fliehen. Das gilt für sogenannte Weltflüchtlinge ebenso wie für Menschen, die sich aus der Ukraine vor dem Angriff des russischen Machthabers Wladimir Putin in Sicherheit bringen. Der Landkreis Harburg muss im kommenden Jahr jede Woche im Schnitt 92 Flüchtlinge unterbringen, je zur Hälfte aus der Ukraine und anderen Ländern. Die Kapazitäten in den Containerdörfern und anderen Unterkünften reichen dafür nicht aus. Deshalb bereitet der Landrat die Bevölkerung darauf vor, dass wieder öffentliche Gebäude wie Turnhallen und Dorfgemeinschaftshäuser genutzt werden müssen. "Diese Situation ist für alle Beteiligten alles andere als angenehm", betonte Rainer Rempe jüngst im Kreistag.
Das Problem: Schon die 2.690 Plätze für Weltflüchtlinge im Landkreis Harburg sind weitgehend belegt. Deshalb schafft der Landkreis Harburg 850 weitere Plätze. Im Bau sind u.a. Unterkünfte in Buchholz, Hittfeld oder Meckelfeld. Weitere seien in Planung, erklärt Kreissprecherin Katja Bendig.
In diesem Jahr hätten im Landkreis Harburg bislang 772 Menschen Asyl beantragt, berichtet Bendig. Die meisten stammen aus der Türkei, Afghanistan, Syrien, Kolumbien und dem Irak. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 nahm der Landkreis insgesamt 1.473 Menschen auf, im Jahr 2020 waren es nur 291. Damals wurden zahlreiche Unterkünfte aufgegeben. Das wäre wohl nicht geschehen, wenn man die Ereignisse in diesem Jahr vorhergesehen hätte.
Allein mit der Unterbringung der Weltflüchtlinge hätte der Landkreis bereits genug zu tun, doch jetzt kommen auch noch viele Flüchtlinge aus der Ukraine hinzu. 3.145 von ihnen haben in diesem Jahr im Landkreis Harburg ein neues Zuhause gefunden. In den kommenden acht Wochen kommen insgesamt 394 hinzu. Die Kommunen haben gerade erfahren, wie viele davon sie aufnehmen müssen. Seevetal z.B. braucht Platz für 88 Ukrainerinnen und Ukrainer, Winsen für 64, Buchholz für 50, die Samtgemeinde Tostedt für 41.
Die Kommunen sind dazu übergegangen, Sporthallen als Wohnunterkünfte vorzubereiten, z.B. in der Seevetaler Gemeinde Maschen (das WOCHENBLATT berichtete). In Winsen wird die Turnhalle der Berufsbildenden Schulen umgebaut, 180 Menschen sollen dort untergebracht werden. In der Flüchtlingskrise 2015/16 war die BBS-Halle bereits oben auf der Prioritätenliste, damals wurden die Flüchtlinge aber in anderen Unterkünften untergebracht.
In Stelle werden zwei Unterkünfte für insgesamt mehr als 80 Menschen hergerichtet. Die St.-Michaelis-Kirchengemeinde Hamburg stellt ihr ehemaliges Landheim im Büllhorn zur Verfügung, dort sollen etwa 25 Ukrainerinnen und Ukrainer einziehen. Am Bardenweg entsteht in Modulbauweise Wohnraum für 58 Personen. Dafür werden etwa 3.200 Quadratmeter einer landwirtschaftlich genutzten Fläche verwendet. Die Samtgemeinde Tostedt richtet die Jugendherberge in Handeloh-Inzmühlen für die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen her, eine Belegung soll möglichst ab Anfang Dezember erfolgen.
Stelles Bürgermeister Robert Isernhagen bedankte sich bei der Bevölkerung, die privat 100 Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen hat. "Durch angebotenen Wohnraum, Mobiliar sowie praktische Hilfen konnte viel bewegt werden. Wir hoffen, dass die Welle der Hilfsbereitschaft bestehen bleibt", sagte Isernhagen.
Derweil nimmt Landrat Rempe den Bund in die Pflicht. Dieser hatte in der vergangenen Woche erklärt, in bundeseigenen Immobilien Platz für 4.000 Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Das sei viel zu wenig: "Die Zahl ist eine große Enttäuschung", sagte Rempe im Kreistag.
Frank Klingebiel, Präsident des Niedersächsischen Städtetages und Oberbürgermeister von Salzgitter, appellierte an die Bundesregierung, sich mit Blick auf die zu erwartende hohe Zahl weiterer Kriegsvertriebener für europäische Verteilmechanismen stark zu machen.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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