Reaktionen auf WOCHENBLATT-Artikel
Kirchenaustritt kein Grund für fristlose Kündigung
Der Artikel über eine vom Evangelischen Kitaverband Buxtehude entlassene Erzieherin hat viele Reaktionen von ehemaligen und aktuell bei der Kirche beschäftigten Mitarbeitenden hervorgerufen. Die pädagogische Fachkraft einer ev. Kita in Buxtehude-Ottensen wurde entlassen, nachdem sie aus der Kirche ausgetreten war. Die Kündigung, das hatte der Kitaverband betont, sei unumgänglich gewesen. "Das ist Quatsch", sagt der Mitarbeiter einer diakonischen Einrichtung in Niedersachsen. So wie er wollen die WOCHENBLATT-Gesprächspartner anonym bleiben, weil sie sonst Probleme mit ihrem kirchlichen Arbeitgeber befürchten.
Es sind vor allem drei Punkte, die unabhängig voneinander von den Gesprächspartnerinnen und -partnern genannt werden: Die Sonderrolle der Kirche, etwa im Arbeitsrecht, ist antiquiert und führe bei kirchlichen Beschäftigten mitunter zu Benachteiligungen, die Kollegen bei weltlichen Arbeitgebern nicht haben. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer seien begrenzter. Tarifliche Vereinbarungen werden zum Beispiel später umgesetzt als in kommunalen Einrichtungen.
Eine Erzieherin, die in einer evangelischen Kita arbeitet, findet es grundsätzlich fragwürdig, dass per Arbeitsvertrag die Kirche das Recht habe, die Lebensführung ihrer Mitarbeitenden zu reglementieren. "Es muss reichen, dass ich als Fachkraft einen guten Job mache und mit voller Überzeugung hinter dem christlichen Profil meiner Einrichtung stehe."
Ein Mitarbeiter einer diakonischen Einrichtung, der in der Mitarbeitervertretung (MV) aktiv ist, hat die bekannten Fakten im Fall Ottensen eingeordnet und kommt zu dem Ergebnis: Die ehemalige Mitarbeiterin habe gute Chancen, dass die Kündigung vor Gericht scheitert. Ein Kirchenaustritt führe nicht zwangsläufig zum Aus.
Weder die Loyalitätspflicht gegenüber der Kirche noch der Grundsatz der zwingend notwendigen Kirchenmitgliedschaft in einem sogenannten verkündigungsnahen Beruf greife in diesem konkreten Fall. "Das gilt für Pastoren und Diakone sowie Führungskräfte in großen Einrichtungen", sagt der Mann. Eine Erzieherin, die zusätzlich stellvertretende Kitaleiterin war, "ist eine ganz normale Kollegin und keine Repräsentantin der Kirche". Es gebe mittlerweile zahlreiche Urteile von Arbeitsgerichten, die diese Sichtweise bestätigen.
Ein weiterer Kritikpunkt, der von Mitarbeitenden kommt: Jede kirchliche Kita wird überwiegend aus Steuermitteln finanziert. "Eine ganz große Frechheit ist, dass auch kirchliche Kitas - genau wie jeder andere Träger - aus öffentlicher Hand Gelder bezieht, und die Mitarbeitenden trotzdem nicht den Kolleginnen und Kollegen gleichgestellt sind."
Mario Gembus ist Gewerkschaftssekretär bei ver.di in der Bundesverwaltung der Gewerkschaft in Berlin. Er vertritt dort unter anderem die Rechte kirchlicher Mitarbeiter. "Es ist erschreckend und macht wütend, dass es diese Fälle immer wieder und weiterhin gibt. Wir fordern die Abschaffung des Sonderstatus der Kirchen im Arbeitsrecht." Gembus erklärt, dass die Evangelische Kirche derzeit ihre sogenannten Loyalitätspflichten überarbeitet. "Wer Hoffnung auf eine Liberalisierung hat, wird enttäuscht werden. Kündigung wegen Kirchenaustritt wird möglich bleiben, ebenso wegen 'falscher' Lebensführung", kritisiert er.
Die Gewerkschaft habe daher die Petition „Gleiches Recht für kirchlich Beschäftigte“ gestartet. "Wir richten uns an den Gesetzgeber, die Ungleichbehandlung kirchlich Beschäftigter zu beenden."
Personal bezahlen Land und Stadt
(tk). Kitas freier Träger sind eine vom Gesetzgeber gewollte Säule der Betreuung. Nach 1945 sollte die Bildungslandschaft pluralistisch sein, ohne dass der Staat wie in der NS-Zeit in die Einrichtungen hineinregieren kann. Sonderrechte, wie etwa das kirchliche Arbeitsrecht, sind damit ein vom Staat tolerierter Weg.
Auf der anderen Seite: Der Löwenanteil der Finanzierung freier Kitas kommt aus der öffentlichen Hand. Das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Personal wird ausschließlich vom Land und den Kommunen bezahlt.
Im Fall der evangelischen Kita in Ottensen geht die kommunale Finanzierung noch sehr viel weiter: Das Gebäude gehört der Stadt und wird von ihr unterhalten. Auch für laufende Kosten, etwa die Reinigung, zahlt die Kommune einen pauschalen Aufwand.
Ist die Stadt bei anderen Einrichtungen freier Träger nicht der Eigentümer der Immobilie, wird eine Miete gezahlt.
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