Rundgang durch die neue Produktionsanlage
Synthopol: Chemie mit Weitblick
Das oberste Stockwerk der 2014 gebauten Produktionsanlage von Synthopol in gut 38 Metern Höhe ist logischerweise keine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform. Der Ausblick über Buxtehude bis hin zur Elbe ist allerdings grandios. Wenn auf dieser obersten Gebäudeebene die Produktion von Kunstharzen für die Farben- und Lackindustrie mit dem Vermischen von unterschiedlichen Stoffen beginnt, haben die Mitarbeitenden keine Zeit, den Ausblick zu genießen. Hier fängt an, was einige Stockwerke tiefer abfüllfertig ankommt. "Die eigentliche chemische Reaktion findet eine Etage tiefer in den Reaktoren statt", sagt Dr. Henning Ziemer, Geschäftsführer des Buxtehuder Mittelständlers. Es sind hochkomplexe chemische Prozesse, die Marcus Preuß, stellvertretender Produktionsleiter, mit einem lebensnahen Vergleich runterbricht: "Das ist wie beim Kochen. Bestimme Zutaten werden bei einer bestimmten Temperatur und definierten Druckverhältnissen unter kontrollierten Bedingungen miteinander vermischt."
Der Laie sieht sowohl auf der obersten Etage als auch darunter vor allem eines: jede Menge Rohre, Leitungen, Kessel und Hebel. Und noch etwas fällt auf: Die in diesem Jahr in Betrieb genommene neue Produktionsanlage wird nicht die letzte sein, die Synthopol baut. In dem Gebäude ist noch Platz für weitere. Und auch dann ist noch lange nicht Schluss. Beim Weitblick auf der elbabgewandten Seite sind das ehemalige Malteserwerk und das ehemalige Buxtehuder Technologiezentrum zu sehen. Alle Flächen sind im Besitz von Synthopol, erklärt Ziemer.
Rund 200 Mitarbeiter hat das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 150 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Die Acrylatharze kommen als Industrie-, Autoserien- und Autoreparatur-, ferner als Kunststoff-, Möbel-, Nutzfahrzeug- und Maschinenlacke, aber auch als Aerosole, Straßenmarkierungsfarben, im Bautenbereich oder als Elektrotauchlackierungen zum Einsatz.
Auf dem weitläufigen Grundstück am Alten Postweg stehen Lager und Tanks, die Produktionsstätten, Büros und als ein Kernstück die Anlage zur thermischen Abgasreinigung. Nichts an Stoffen darf nach außen dringen. "Früher war das Unternehmen, das an diesem Standort seit 1966 produziert, als 'Stinkebude' verschrien", sagt der Geschäftsführer. Zu riechen ist seit langer Zeit schon gar nichts mehr.
Auf ein gutes Miteinander in der Nachbarschaft, in der Nähe des Unternehmens stehen auch Wohnhäuser, achtet die Synthopol-Geschäftsführung. So wurde es durch die Flächenzukäufe möglich, eine neue Zu- und Abfahrt aufs Firmengelände zu bauen. Vorher gab es mitunter Verdruss, weil Lastwagen den Alten Postweg verstopften.
Die Produktion der Kunstharze laufe so weit wie möglich automatisiert, erklärt Marcus Preuß. Ein Teil der bis zu zehn einzelnen chemischen Komponenten wird zum Beispiel aus Tanks über Leitungen in die Produktion gepumpt.
Eine Etage unterhalb der Reaktorebene ist die Leitstelle untergebracht, die alle Prozesse und jeden einzelnen Schritt in den Produktionsanlagen überwacht. Das sieht weniger nach Raumschiff Enterprise, sondern mehr nach nüchternem Büro aus. Auf den vielen Monitoren, das erkennt sogar der Besucher auf einen Blick, ist im klitzekleinsten Detail zu sehen, was genau wo geschieht.
Zurzeit arbeite Synthopol nicht mit voller Auslastung, erklärt Geschäftsführer Ziemer. Rezessionsängste gibt es bei dem Buxtehuder Mittelständler aber nicht. "Wir sind sehr breit aufgestellt", so Henning Ziemer, "und damit bisher gut durch jede Krise gekommen." Sinke etwa die Nachfrage aus einer Branche, ziehe sie anderswo meist an.
Der Rundgang in der neuen Produktionsanlage endet dort, wo die fertigen Kunstharze wieder auf Erdgeschossniveau ankommen: die Abfüllung. Egal, ob eine Tonne oder Dutzende großer Lastwagen, dies sei ein Prozess, der längere Zeit dauere als die Stunden der Produktion. Aus diesem Grund sei auch vor kurzer Zeit eine automatische Abfüllung gebaut worden. Gerade werden Kunstharze in einzelne Metalltonnen abgefüllt, die sind natürlich im typischen Synthopol-Blau gehalten wie die Fassaden aller Gebäude.
Flächen für die Erweiterung sind vorhanden, das Unternehmen gut und breit aufgestellt. Gibt es etwas, was der Geschäftsführung dennoch Sorgen macht? "Wir leiden wie viele andere Unternehmen auch unter dem Fachkräftemangel", sagt Henning Ziemer. Er wirbt daher um Nachwuchs. Der muss, trotz aller Automatisierung, Lust auf Chemie haben. In den Laboren wird wie im Chemieunterricht in der Schule noch händisch mit Glaskolben und einzelnen Stoffen gearbeitet. "Für Chemie brenne ich seit meiner Schulzeit", sagt Ziemer.
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