Unterstützung für Geflüchtete aus der Ukraine
Eine Oase des Friedens
Vor Krieg und Bomben geflohene Frauen haben in Bendestorf Zuflucht gefunden - und sagen danke
as. Bendestorf. Jedes Mal, wenn ihr Handy klingelt, hat Valentina Logvinova Angst. Angst, dass sie schlechte Nachrichten aus ihrer Heimat erhält. Valentina und ihre Tochter Polina (13) kommen aus der Ukraine und sind vor dem Krieg geflohen. Kontakt zur ihren Verwandten oder Freunden halten sie über Anrufe, Messenger und soziale Netzwerke. Gerade hat eine Nachbarin ihr mitgeteilt, dass bei einem Schusswechsel ihre Wohnung getroffen wurde.Im gesamten Haus sind die Fensterscheiben zu Bruch gegangen. Die 49-Jährige sorgt sich sehr um ihre Familie - und um ihre Tiere. Valentina hat Enten und Hühner gehalten. Viele Tiere hat sie vor ihrer Flucht schlachten müssen, weil sie ihre Versorgung nicht sicherstellen konnte. Ein Nachbar passt auf den Rest der Vögel auf.
Nach mehreren Tagen der Flucht haben die beiden Ukrainerinnen aus der Oblast (Verwaltungsbezirk) Donezk Zuflucht bei einem Ehepaar in Jesteburg gefunden.
"Ich bin sehr dankbar, dieses Dorf, diese Menschen kennengelernt zu haben. Wir wurden hier mit Herzenswärme empfangen. Ich bin voller Dankbarkeit gegenüber unseren Gastgebern. Diese wunderbare Familie hat uns empfangen wie ihre eigenen Kinder. Ich bin dem deutschen Volk dankbar für seine Wärme und Herzlichkeit",
bedankt sich Valentina für die Hilfe, die sie in den vergangenen Wochen erfahren hat.
"Wir wussten nicht, wohin"
So wie Valentina und ihre Tochter haben unzählige Ukrainerinnen seit Kriegsbeginn ihre Heimat verlassen. Sie konnten nichts mitnehmen, wussten nicht wohin - nur, dass sie dem Krieg entkommen wollen. Ihre Männer verteidigen die Ukraine an der Front, während sie für ihre Kinder ein neues Leben in Sicherheit suchen. Auch in Bendestorf sind dank engagierter Helfer viele Ukrainerinnen untergekommen. Und ihnen allen ist es ein großes Anliegen, sich für die Unterstützung, die sie hier erhalten, zu bedanken.
Maryna Lazarenko
Zum Beispiel Maryna Lazarenko. Maryna kommt aus der Großstadt Kramatorsk (Oblast Donezk). Die 30-Jährige hat dort als Content Creator für Kosmetikstudios gearbeitet. Dass sie in Bendestorf gelandet ist, war ein Zufall. "Wir sind einfach losgefahren und wussten nicht, wohin - nur weg." In Berlin gab es freiwillige Helfer, die angeboten haben, sie nach Hamburg zu bringen. Es sei ein Glück, dass sie jetzt in Bendestorf ist.
Maryna ist in Bendestorf 30 geworden - und die Bendestorfer haben ihr einen richtigen Geburtstag mit Kuchen und Geschenken beschert: "Danke, dass wir uns nicht fremd fühlen, wenn wir weit weg von zu Hause sind. Wir wissen, dass es Menschen gibt, die uns helfen, mit denen wir einfach reden und Tee trinken können. Danke, dass ihr uns alles gegeben habt, was wir brauchten. Danke für die Organisation und die Hilfe beim Erlernen der Sprache. Danke, dass ihr immer bereit seid, jemanden irgendwohin mitzunehmen oder zu fahren. Danke an Bendestorf, dass wir uns hier sicher fühlen. Danke, dass ihr uns eine separate Unterkunft zur Verfügung gestellt habt. Und besonderen Dank dafür, dass ihr mir einen richtigen Geburtstag mit Kuchen und Geschenken bereitet habt! Ich habe mich sehr über die vielen Glückwünsche gefreut - Glückwünsche von Leuten, die mich gar nicht kennen. Danke, dass ihr euch Sorgen um uns macht und sich immer fragt, wie es unseren Verwandten in der Ukraine geht. Danke, dass ihr wie eine Familie für uns geworden seid! Und auch vielen Dank, dass ihr uns euer Land kennenlernen lasst!"
Bendestorfer helfen rund um die Uhr
In Bendestorf hat sich eine aktive Gruppe von Helfern gebildet. Eine Ärztin übernimmt die Erstversorgung der Familien. Seniorinnen geben Deutschkurse. Die Konfirmanden übernehmen für die ukrainischen Kinder Freibad-Patenschaften. Die Russin Olga Meyer dolmetscht, unterstützt bei Behördengängen und in der Schule. Denn nachdem die Helfer erfahren hatten, dass der Online-Unterricht aus der Ukraine immer wieder abgebrochen werden muss, weil die Lehrer vor Bombenangriffen flüchten müssen, haben sie sich mit den Grundschulen und der Oberschule in Verbindung gesetzt und gemeinsam mit den engagierten Schulleitern dafür gesorgt, dass die Kinder jetzt in Bendestorf und Jesteburg am Unterricht teilnehmen können. Bendestorfer reparieren Fahrräder, organisieren einen Fahrdienst, besorgen Schulbedarf. Und sie sorgen dafür, dass sich die Frauen willkommen fühlen.
Pfadfinder teilen ihr Heim
Maryna gehört zu den Ukrainerinnen, die Anfang März zunächst im Pfadfinderhaus des Stammes "Großer Jäger" in Bendestorf (www.grosser-jaeger.de) untergekommen sind. Ohne die Unterstützung der Pfadfinder hätten die Familien nicht so unkompliziert untergebracht werden können. Die Pfadfinder haben bereitwillig ihren Treffpunkt mit engagierten Bendestorfern hergerichtet und mit den Geflüchteten geteilt. Hier haben sie ausreichend Zimmer und können sich dank eigener Küche selbstständig versorgen.
Olha Zubarieva: "Unser Leben wurde auf den Kopf gestellt"
Olha Zubarieva (37) hat etwa fünf Wochen mit ihren Kindern Myroslava (7) und Ivan (14) in dem Bendestorfer Pfandfinderheim gelebt. Als sich die Konflikte in der Ukraine verschärften, sind auch Olhas Mutter und Großmutter, Vita und Zenaida Shyshkina, begleitet von ihrer Schwester Tetiana nach Bendestorf gekommen. Mittlerweile ist die Familie in einem Haus in Helmstorf untergebracht.
Olha ist schon einmal geflohen: 2014 musste sie wegen des russisch-ukrainischen Konflikts ihre Heimat aufgeben, ist damals innerhalb der Ukraine geflohen. Jetzt hat sie auch die Großstadt Pawlograd (Oblast Dnipropetrowsk, Zentral-Ukraine) hinter sich lassen müssen. "Ich werde den Morgen des 24. Februar nie vergessen: Unser Leben wurde auf den Kopf gestellt. In der neuen Realität gab es alarmierende Nachrichten von der Front auf Fernsehsendern, aufgeregte Menschen, lange Schlangen an Geldautomaten und Tankstellen, der Kauf eines Vorrats an Lebensmitteln und Medikamenten ...", erinnert sich Olha.
"Mehrmals am Tag ertönten Sirenen, unter deren schrecklichem Geheul wir zusammen mit den Kindern zum Luftschutzbunker hinuntergingen. In diesen Tagen erlebte ich Verwirrung, Verzweiflung - und vor allem Angst um die Kinder. Deshalb stickte ich am 6. März ihre Namen und Blutgruppen auf die Jacken und machte mich auf den Weg in den Evakuierungszug, der von den feurigen Explosionen des Krieges begleitet wurde. Wir fuhren in äußerster Angst, denn vor uns lag völlige Ungewissheit", schildert die Ukrainerin das Erlebte.
Mit so viel Hilfsbereitschaft hat sie nicht gerechnet: "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass uns so viele Menschen zu Hilfe kommen würden! Bendestorf kannte ich vorher nicht, aber hier fanden wir Zuflucht und spürten den Halt und die Wärme der Seele eines jeden Bewohners! Es ist schwierig, Worte zu finden, die unsere Dankbarkeit vollständig ausdrücken könnten. Ich möchte all die wunderbaren Menschen nennen, die uns in einer schwierigen Lebensphase unterstützen:DANKE PFADFINDER, dass Ihr als Erste zeigt, wie gastfreundlich Menschen in Deutschland sein können!
DANKE AN ELNA UND ALEX: Sie fühlen mit uns, Ihre Herzen schlagen immer lauter als unsere. Schließlich war es Ihre Familie, die uns in Bendestorf begrüßte, und als sich die Kämpfe in der Ukraine verschärften, waren es Elnas Worte, die meinen Verwandten (Großmutter, Mutter und Schwester) halfen, die richtige Entscheidung zu treffen - zu gehen. Sie sind jetzt in Sicherheit!
DANKE ASTI (Elnas Mutter)! Bei Ihrer Ankunft nannten Sie uns sofort Ihre Töchter. Es gab mir ein Gefühl von Zugehörigkeit und Familie.
DANKE AN TINA, ADOLPH UND TOM für das Haus, in dem wir während des Krieges wohnen dürfen. Es ist eine unbeschreibliche Freude und eine Gelegenheit, in Frieden und Sicherheit mit der ganzen Familie zusammen zu leben und Gastfreundschaft in der Nachbarschaft zu haben. Dank Ihnen können wir uns fast wie zu Hause fühlen. Danke für die positive Energie, mit der Sie uns umgeben.
DANKE KONY, dass Sie immer dazu beitragen, den Ort, an dem wir leben, mit Ihren herzlichen Besuchen, Ihrer Hilfe bei Kindern und Heimwerkerarbeiten gemütlicher zu machen.
DANKE AN BÄRBEL UND RAYMOND, JAN UND ANDREY für Überraschungen aus verschiedenen Teilen der Erde, Hilfe, herzlichen Empfang, Organisation von Freizeitaktivitäten für Kinder und unbeschreiblich köstliche Leckereien, die Sie mit Ihren eigenen Händen zubereitet haben. Es war sehr berührend!
DANKE AN ASTI, HEIKE und SABINE für die Abende, die wir wie im Kreis der Familie verbracht haben, für das Studium der deutschen Sprache und die Möglichkeit, den schrecklichen Gedanken über das Mutterland zu entfliehen.
DANKE AN SOPHIE, ELKE und ihre Enkelin für die herzliche Einladung und Willkommen in der Kirche, Essen, Kleidung und Spiele für die Kinder.
DANKE AN DAS PÄDAGOGISCHE PERSONAL der Schulen in Bendestorf und Jesteburg für die herzliche Aufnahme der Kinder in den Schulen - trotz Sprachbarriere.
WIR DANKEN OLGA MEYER, dass sie unseren Kindern die Möglichkeit gegeben hat, sich leicht an die Schule anzupassen und die Sprachbarriere zu überwinden.
DANKE AN VERONIKA UND ANDZHEJ, dass sie immer bereit sind zu helfen und Probleme zu lösen
DANKE an MARITA und KATHERINE, dass sie sich um unsere Gesundheit und die Gesundheit unserer Kinder kümmert.
DANKE AN PETER, der den Kindern bei der Bereitstellung von Lernmaterial geholfen hat.
DANKE AN JULIA, ALBINA, INGA, ALANA: den Großvater der Nachbarin und ein Ehepaar der Nachbarn, Eltern der Schule in Bendestorf und eine Nachbarin aus Helmstorf, Konstantin und die Mitarbeiter des Cafés in der Moorstraße.
DANKE AN ALLE ANWOHNER, die mitgeholfen haben. Wir kennen uns nicht persönlich. Danke für Geschenke und Glückwünsche, um den Kindern eine Freude zu bereiten, notwendige Dinge und Lösungen für unsere Probleme.
Als wir erkannten, wie viele Menschen uns geholfen haben und helfen, erinnerten wir uns an die wichtigen Worte, die Elna uns mitgegeben hat: 'Du solltest niemals Angst haben, wenn du fällst. Es wird immer Leute geben, die dich auffangen'. Wir wissen jetzt, dass es wahr ist!
VIELEN DANK!!!"
Tetiana Shyshkina
Tetiana, Olhas Schwester, hat das Kriegsgeschehen länger miterlebt. Noch immer duckt sie sich, wenn ein Flugzeug vorbeifliegt. Die 28-jährige Lungenfachärztin ist vor zwei Jahren an Krebs erkrankt. Sie wurde behandelt, muss sich aber weiterhin regelmäßig untersuchen lassen und die Ergebnisse an ihren Arzt schicken. Tetiana macht sich Sorgen, dass die ärztliche Grundversorgung, die die Ukrainerinnen hier erhalten, diese Nachsorge nicht abdeckt. Sie sagt: "Ich versuche, das Ganze als Chance für mich zu sehen. Ich möchte auch hier als Ärztin arbeiten. Denn meine Arbeit habe ich sehr gern gemacht."
Natalia Davydova
Aus der Region Dnipro (Zentralosten der Ukraine) geflohen sind Natalia Davydova (45) und ihre Töchter Maryna (26) und Ksenia (13). Sie sind am 8. März in Dnipro aufgebrochen, mit ihrer Katze Fira im Rucksack. Als sie vier Tage später in Hamburg ankamen, der Schock: Die Katze darf nicht mit in die Flüchtlingsunterkunft. Über freiwillige Helfer haben sie schließlich Kontakt zu einer Hamburgerin erhalten, die sich um ihre Katze kümmert. Sie hat jedoch nicht nur die Katze aufgenommen, sondern zunächst auch Natalia und ihre Familie. Heute leben die drei in Bendestorf. Mittlerweile ist auch die 67-jährige Großmutter hier angekommen. Am Tag, als die Seniorin ihren Heimatort verlassen hat, sind dort acht Raketen eingeschlagen.
Tanya Mulenko: "Ich bin hier mit dem Herzen festgewachsen"
Tanya Mulenko und ihre Tochter Sofia (9) sind auf der Suche nach einer eigenen Wohnung. Sie wohnen seit dem 12. März im Pfadfinderhaus. Am 6. März sind sie in der Stadt Dnipro aufgebrochen. Vor ihrer Flucht haben sowohl Tanya als auch Sofia noch mitgeholfen, ihr Wohnhaus, das in der Nachbarschaft eines Chemiewerks liegt, mit Barrikaden zu sichern. Sie haben eimerweise Erde geschippt und in Autoreifen gefüllt. Tanyas Mann Aleksander und ihr Bruder sind noch in der Ukraine, ebenso wie ihre Mutter.
Die 40-Jährige und ihre Tochter haben tagelang in Lwiw ausgeharrt, bis sie von dort zur polnischen Grenze konnten. In Polen wussten sie nicht, wohin - dann kam der Anruf von Maryna Lazarenko, die die Tochter einer Freundin ist. "Marina hat gesagt, dass in Bendestorf noch Platz für uns ist - und wir sind losgefahren." Tanya betont, wie wichtig es für die Frauen ist, nach ihrer Flucht im Pfadfinderhaus die Möglichkeit erhalten zu haben, zur Ruhe zu kommen. Als Sofia am ersten Morgen in Bendestorf aufgewacht ist, habe sie jubelnd die Arme in die Luft gestreckt und gerufen: "Die erste richtige Nacht ohne Sirenen - hurra!"
Sofia besucht jetzt die Sonnenschule. Sie möchte gern schnell Deutsch lernen, um sich ihren neuen Freunden mitteilen zu können. Und Tanya hat bereits einen Job in einem Blumenladen gefunden. In einer besonderen Schulstunde hat sie ihren Mitschülern von ihrer Heimat erzählt und ihre Fragen beantwortet.Per WhatsApp hält sie Kontakt zu ihren Mitschülern in der Ukraine. Von den 34 Klassenkameraden ist etwa die Hälfte bereits mit ihren Familien vor dem Krieg geflohen.
Tanya würde gern in Bendestorf bleiben, kennt mittlerweile viele der Dorfbewohner. Und sie hat bereits einen Job gefunden. "Zuhause gab es nur Sirenen, Panik Stress - hier gibt es komplette Ruhe. Ich bin hier mit dem Herzen festgewachsen", sagt Tanya. Stellvertretend für alle Helfer bedankt sich Tanya Mulenko bei Elna Bonnemann, die die Hilfsaktionen organisiert: "Elna kümmert sich wie eine Mutter um uns und hilft uns wie ein Freund!" Weiterhin sagt Tanya:
"Liebe Pfadfinder und liebe Nachbarn aus Bendestorf, vielen Dank für alles, was ihr für uns getan habt. Ihr denkt vielleicht, dass es nichts Besonderes ist, aber für uns ist es eine unermessliche Hilfe. Danke, dass ihr uns in den ersten Tagen unseres Aufenthalts in Deutschland geholfen habt, die Pfadfinder uns ihr Haus überlassen haben – wir haben gelernt, wie man Tomatensuppe macht, Würstchen auf dem Feuer brät und ein Feuer baut. Danke an die Pfadfindergruppen für ihr Taktgefühl, sie haben nie unsere Ruhe und unseren Schlaf gestört, sind immer freundlich und haben ihr Essen mit uns geteilt. Vielen Dank an Asti, Heike und Sabine für ihre Hilfe beim Deutschlernen und die frohen Stunden im Unterricht. Danke, Olga Meyer (Anm. von Tanya: Olga ist Russin und wohnt mit ihrer Familie in Bendestorf, sie ist eine echte Freundin und zufällig Übersetzerin) dass du uns ein Stück unserer Heimat geschenkt hast, deine Freundschaft und Hilfe bei der Übersetzung der Sprache - denn in ein fremdes Land zu kommen, dessen Sprache du nicht kennst, ist sehr schwierig. Wir können ein Wort des Dankes viele Male schreiben, aber es wird nicht die innere Dankbarkeit vermitteln, die wir für euch alle empfinden."
Wie stellen sich die Ukrainerinnen ihre Zukunft vor? Olha sagt: "In der Ukraine gibt es ein Sprichwort: Die Vergangenheit ist wunderschön, die Gegenwart ist schrecklich, und die Zukunft ist ungewiss. Ich freue mich und bin dankbar für alles, was die Menschen hier für uns getan haben. Es zieht mich zurück, aber ich muss mich entscheiden, was das Beste für meine Kinder ist."
Alle Texte "Ukraine-Krieg"Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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