Sparen um jeden Preis - selbst wenn Jesteburg die Gewerbesteuer erhöht, wird es deutliche Kürzungen geben müssen
Droht den Jesteburger Unternehmen die Erhöhung der Gewerbesteuer? Insider halten dies für unausweichlich. Es sei denn, die Politik setzt bei den freiwilligen Leistungen erheblich den Rotstift an. Hintergrund: Die Gemeinde hat die Erhöhung der Kreisumlage schwer getroffen. Für Jesteburg bedeutet die Steigerung (drei Prozent-Punkte) Mehrausgaben in Höhe von 180.000 Euro. Doch dieses Geld ist schlicht nicht da. Eine weitere Kreditaufnahme ist haushaltsrechtlich verboten, da der Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit ein Minus von knapp 170.000 Euro ausweist. Paradox: Vor nicht einmal fünf Jahren war das Gemeindekonto noch mit sechs Millionen Euro prall gefüllt. Zudem hatte die Gemeinde bereits 2012 die Grundsteuer B (Grundstücke) und die Gewerbesteuer erhöht.
Um den Nachtragshaushalt jetzt zu retten, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Freiwillige Leistungen senken oder die Steuern erhöhen. „Das ist ein Dilemma“, sagt CDU-Fraktionsvorsitzende Britta Witte. „Ich bin gegen eine Erhöhung der Gewerbesteuer, denn das würde nur wenige treffen.“ Doch auch die Streichung von freiwilligen Leistungen sei nicht einfach umzusetzen. „Immerhin haben die Vereine ihre Planungen für das Jahr abgeschlossen - Künstler sind gebucht“, so Witte. Innerhalb der Partei würden beide Möglichkeiten diskutiert werden. Auch die SPD hält eine Erhöhung für wahrscheinlich, das sagt zumindest Fraktionschef Helmut Pietsch.
Kritiker gehen noch einen Schritt weiter. „Jesteburg hätte niemals die Schützen auszahlen dürfen“, so ein Ratsmitglied. „Schon damals ist klar gewesen, dass wir uns das gar nicht leisten können.“
mum. Jesteburg. Die nächste Sitzung des Finanz- und Controllingausschusses der Gemeinde Jesteburg am heutigen Mittwoch, 15. April, ab 19 Uhr im „Alten Rathaus“ (Niedersachsenplatz) hat es in sich: Entweder streicht die Gemeinde die freiwilligen Leistungen deutlich oder die Gewerbesteuer steigt. Wahrscheinlich ist sogar ein Mix aus beiden Varianten. Jesteburg muss 180.000 Euro auftreiben. „Ohne einen Ausgleich ist die finanzielle Leistungsfähigkeit gefährdet, sodass weitere Kreditaufnahmen nicht genehmigt werden können“, heißt es in der Verwaltungsvorlage.
Das WOCHENBLATT hat erfahren, dass intern eine Erhöhung der Gewerbesteuer diskutiert wird. Demnach könnte die Steuer von 350 auf 380 Prozent steigen. Für Unternehmen würde das Mehrausgaben in Höhe von etwa zehn Prozent ausmachen. Doch das würde noch nicht einmal reichen, denn am Ende bringt Jesteburg eine Anhebung in dieser Höhe nur 129.000 Euro.
Verwaltungschef Hans-Heinrich Höper hält auch eine zeitweise Anhebung der Steuern für möglich. „Der Landkreis hat angekündigt, die Kreisumlage wieder zu senken, wenn Land und Bund den Kommunen mehr Geld bei der Flüchtlingsbetreuung gewähren. Dann könnten auch wir als Gemeinde die Steuern wieder senken“, so Höper, der aber auch eine Überprüfung der freiwilligen Leistungen für sinnvoll erachtet. Aus diesem Grund hat die Verwaltung eine Streichliste vorbereitet: Unter anderem könnte die Straßenbeleuchtung täglich eine Stunde kürzer eingeschaltet werden, um pro Jahr 20.000 Euro einzusparen. Auch die Kürzung der Aufwandsentschädigung für Ratsmitglieder, Kürzungen der Vereinszuschüsse in den Bereichen Kultur, Jugend und Sport, Verringerung des Pflegeaufwandes in den öffentlichen Grünanlagen sowie Reduzierung der Öffnungszeiten im Freibad und im Jugendhaus stehen zur Auswahl. Angedacht ist auch die Übertragung der Kindertagesstätten sowie der Jugendhilfeaufgaben auf die Samtgemeinde Jesteburg. Steuer- und Gebührenerhöhungen sowie Mieterhöhungen in den Gemeindewohnungen runden den Vorschlag der Verwaltung zur Haushaltskonsolidierung ab.
Hinter vorgehaltener Hand gibt es deutliche Kritik. Bei der Ratsentscheidung über den Haushaltsplan 2015 Anfang des Jahres schienen die Jesteburger Gemeindefinanzen noch in Ordnung zu sein. Die Mehrheit der Ratsmitglieder stimmte beispielsweise für die Auszahlung eines Zuschusses in Höhe von 1.527.500 Euro an den Schützenverein zum Neubau des Schießstandes. Den Betrag musste die Gemeinde in voller Höhe durch einen Kredit finanzieren. Die Kreditaufnahme war allerdings nur möglich, weil die Erhöhung der Kreisumlage um drei Prozent-Punkte, die sich seit Oktober 2014 abzeichnete, nicht in den Haushaltsplan 2015 eingebucht worden war.
Eine Gemeinde darf nur dann einen Kredit aufnehmen, wenn Zinsen und Tilgung aus dem positiven Saldo der laufenden Einnahmen über die laufenden Ausgaben bezahlt werden können. Der Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit weist aber ein Minus von knapp 170.000 Euro aus, sodass jede weitere Kreditaufnahme haushaltsrechtlich verboten ist. Infolgedessen sind auch die Investitionen für die Krippe Sandbarg, den sozialen Wohnungsbau am Pfarrweg 34-36, die Seniorenbegegnungsstätte und weitere Maßnahmen blockiert.
Der Finanzausschuss soll jetzt die selbstverschuldete Haushaltsblockade wieder beseitigen, in dem die Ausgaben der Gemeinde so zusammengestrichen, beziehungsweise Einnahmen erhöht werden, dass Jesteburg wieder kreditwürdig wird.
„Nachdem die Mehrheit des Gemeinderates die Jesteburger Finanzen vor die Wand gefahren hat, müssen jetzt alle Jesteburger ran, um die Großzügigkeit der Kommunalpolitiker gegenüber dem Schützenverein zu bezahlen“, schimpft ein Insider.
Kommentar
Politik: Großzügig oder leichtsinnig?
Für die Erhöhung der Kreisumlage kann Jesteburg nichts. Allerdings darf der generelle Umgang mit Geld hinterfragt werden.
Beispiel Clement-Areal: Jahrelang hat sich kein Investor für das Areal gefunden. Ein denkmalgeschütztes Haus und eine schwierige Topografie sorgten dafür, dass seriöse Investoren Abstand nahmen. Dann traten die Jesteburger Politiker auf den Plan und zahlten mehr als eine Million Euro.
Das gilt auch für das Kunsthaus: Als der Eigentümer dieser Immobilie sie nach einigen wirtschaftlichen Flops abstoßen wollte, griff Jesteburg zu - für 365.000 Euro. Seit Jahren wird der Kunsthaus-Verein nun mit Zuschüssen über Wasser gehalten. Und Jesteburg investierte 170.000 Euro in das Itzenbütteler Dorfgemeinschaftshaus. Wer braucht es denn wirklich?
Die Zuschüsse im Bereich Kunst- und Kultur hat das WOCHENBLATT häufig kritisch hinterfragt. Das Dorffest - jetzt Kunst- und Kulturwoche - kostet die Gemeinde 20.000 Euro. Viel Geld für eine Veranstaltung für 7.700 Jesteburger. Wäre dies der Maßstab für andere Orte, müsste das Buchholzer Stadtfest 100.000 Euro kosten.
Sascha Mummenhoff
Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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