So läuft's im Landkreis Harburg
Wenn Flüchtlinge in Quarantäne müssen
bim. Landkreis. Für die Betreuung der 29 Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Harburg mit ihren rund 1.200 Bewohnern gibt es seit Anfang Februar einen neuen Betreiber. Wie berichtet, hat diese Aufgaben nun die Living Quarter GmbH übernommen. Doch ist durch den Wechsel ein Vakuum entstanden? Ein Leser sagte dem WOCHENBLATT, dass kürzlich die Flüchtlingsunterkunft in Hollenstedt unter Corona-Quarantäne gestanden habe, die Bewohner dort aber tagsüber nicht anzutreffen gewesen seien. Ein Flüchtlingsunterstützer berichtete, dass alle Buchholzer Mitarbeiter in den beiden Flüchtlingsunterkünften bereits zum 31. Januar gekündigt worden seien und einen Monat lang "unbekannte Kräfte die Lücke" bis zur Übernahme durch den neuen Betreiber hätten überbrücken müssen. Das WOCHENBLATT fragte beim Landkreis nach.
Das Berliner Unternehmen Living Quarter setzte sich in einer europaweiten Ausschreibung u.a. gegen den bisherigen Betreiber Human Care aus Sottrum durch, der die Heime seit Beginn der Flüchtlingszuwanderung ab 2014 betreute. Der Auftragswert für eine Vertragslaufzeit von zunächst drei Jahren hat laut Landkreis ein Volumen von rund 5,438 Millionen Euro. Die Abrechnungssummen würden nach tatsächlicher Leistung berechnet.
"Der Auftrag an Human Care für die Betreuung der Unterkünfte endete am 31. Januar bzw. 28. Februar, die Vertragslaufzeit von Living Quarter hat entsprechend am 1. Februar bzw. 1. März begonnen", erklärt Kreissprecher Andres Wulfes. Die Übergabe der Einrichtungen an den neuen Betreiber erfolgte demnach schrittweise: ab dem 1. Februar die Unterkünfte in der Elbmarsch, in Hanstedt, Salzhausen, Seevetal, Stelle und Winsen und die Familienunterkünfte im Kreisgebiet sowie ab 1. März die Unterkünfte in Buchholz, Hollenstedt, Jesteburg, Neu Wulmstorf, Rosengarten und Tostedt. Die Unterkünfte in Stelle, Zum Reiherhorst 41-43, und in Hanstedt, Winsener Straße 61, werden weiterhin von Human Care betrieben.
"Nach Information von Living Quarter an den Landkreis Harburg konnte eine große Zahl von Heimleitern und Mitarbeitern im Sozialmanagement, die vorher bei Human Care tätig waren, übernommen werden", so der Kreissprecher. Bei der überwiegenden Zahl der Flüchtlingsunterkünfte würden die Heimleiter und Sozialarbeiter von Sicherheitsdienstleistern, insbesondere nachts und an Wochenenden, unterstützt und so eine umfassende Betreuung gewährleistet.
Im Falle von Infektionen
Aktuell seien 15 Geflüchtete aus fünf Einrichtungen positiv auf COVID-19 getestet, drei Flüchtlingsunterkünfte stünden unter Quarantäne. Und es gebe eine sogenannte Quarantäne-Unterkunft. Welche Unterkünfte betroffen sind und welches die Quarantäne-Unterkunft ist, will der Landkreis nicht sagen, um Stigmatisierung zu vermeiden.
Wird eine Corona-Infektion festgestellt, würden Betroffene und ihre Kontaktpersonen unter Quarantäne gestellt. Um einen Blick über das Infektionsgeschehen in einer Einrichtung zu erhalten, würden die Bewohner - entweder zum Teil oder komplett - mit PCR-Abstrich getestet. "Wenn enger Kontakt zwischen einem Corona-Infizierten und weiteren Bewohnern bestanden hat, z.B. durch die Nutzung von Gemeinschaftsräumen, wird die gesamte Einrichtung unter Quarantäne gestellt. Soweit entschieden wird, dass die gesamte Unterkunft in Quarantäne gesetzt wird, werden alle Bewohner von der Heimleitung informiert, und der Sicherheitsdienst wird verstärkt", erläutert Wulfes.
Anders sei das bei Einrichtungen mit einer räumlichen Trennung der verschiedenen Bereiche bzw. nicht erfolgten Kontakten. Dann wechselten die Infizierten in die Quarantäne-Unterkunft.
Die ärztliche Betreuung werde während der Quarantäne ebenso wie die Versorgung sichergestellt. Wie bei anderen Quarantäne-Anordnungen außerhalb von Gemeinschaftseinrichtungen gebe es letztlich jedoch keine Garantie, dass sich alle Bewohner an die Quarantäne halten. Soweit der Landkreis von Quarantäne-Verstößen erfahre, werde der jeweilige Sicherheitsdienst vor Ort informiert.
Die Kosten für die Unterbringung
Auf WOCHENBLATT-Anfrage nennt Kreissprecher Andres Wulfes die Entwicklung bei den Zahlen und Kosten der Flüchtlingsunterbringung im Landkreis Harburg:
Ende 2016 wurden 103 Unterkünfte genutzt.
Aktuell werden 29 Unterkünfte zentral (mit externer Unterstützung) betrieben, davon 18 als Containeranlagen, und 21 Unterkünfte dezentral (ohne Betreiber) genutzt.
Die Verteilung der Unterkünfte im Landkreis erfolge möglichst gleichmäßig auf die kreisangehörigen Kommunen unter Berücksichtigung der Einwohnerzahlen.
"Aufgrund des sich sehr dynamisch verändernden Bedarfs werden regelmäßig Objekte angemietet und bestehende Mietverhältnisse verlängert. Auslaufende Objekte werden bei Wegfall des Bedarfs bzw. anderweitiger Nutzung durch den Eigentümer zurückgegeben", sagt Wulfes.
Die Aufwendungen des Landkreises im Bereich Asyl betrugen 2016 rund 50,36 Millionen Euro, von denen der Landkreis eine Nettobelastung von rund 25,47 Millionen Euro hatte.
2020 waren es insgesamt rund 32,99 Millionen Euro bei einer Nettobelastung von rund 8,58 Millionen Euro. "Die geringere Nettobelastung erklärt sich durch geringere Unterkunftskosten sowie eine höhere Erstattung des Landes", so Wulfes.
Heimleiter übernehmen inzwischen andere Aufgaben
Bei der Betreuung der Flüchtlinge wurde inzwischen die Sozialarbeiterzeit reduziert - von einer halben Stelle für bis zu 60 Flüchtlinge zu Beginn des Flüchtlingszustroms 2015 auf aktuell eine viertel Stelle. Bei Einrichtungen bis 90 Plätze sind derzeit laut Landkreis 0,3 Stellen vorgesehen. Jeweils pro 30 Plätze soll es eine halbe Heimleiterstelle geben.
Ein Vergleich der Sozialarbeiterstunden in den Jahren 2015/2016 und aktuell sei jedoch so nicht möglich, sagt Kreissprecher Wulfes. Die Situation habe sich erheblich verändert. "Grundlage der Berechnungen ist aktuell eine 80-prozentige Auslastung der Unterkünfte. Die sogenannte verdichtete Unterbringung, bei der Zwei- in Drei-Bett-Zimmer umgewandelt wurden, gibt es nicht mehr, was zu einer erheblichen Entspannung geführt hat."
Außerdem habe sich der Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten verändert. "Im Jahr 2015 sind dem Landkreis Harburg allein zwischen dem 20. Oktober und dem 16. Dezember 1.249 Flüchtlinge zugewiesen worden. Für die Unterbringung wurden Modularwohnanlagen angemietet", erklärt Wulfes. Diese seien durch einen Heimleiter mit überwiegend hausmeisterlichen Tätigkeiten sowie Sozialarbeiter betreut worden.
In der letzten europaweiten Ausschreibung seien die Aufgaben des Heimleiters konkret definiert worden, zu dessen Aufgaben nun auch eine Unterstützung der Bewohner als Hilfe zur Selbsthilfe gehöre, damit bei einem positiv verlaufenden Integrationsprozess ein Leben außerhalb einer Flüchtlingsunterkunft ermöglicht wird. Das Sozialmanagement solle in schwierigen Lebenssituationen bedarfsgerecht ergänzen. Bei den Grundlagen für das jetzige Leistungsspektrum seien neben kreiseigenen Erfahrungen auch die Empfehlungen von Vertretern der kommunalen Spitzenverbände sowie von Landräten und Bürgermeistern aus der kommunalen Flüchtlingspraxis eingeflossen.
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