Alpha-E oder Neubau
Diskussion zum geplanten Bahnprojekt zwischen Hamburg und Hannover
"Ist es Zufall, dass hier nur die Neubaugegner zu Wort kommen?"
Immer wieder wird über die geplante Zug-Neubaustrecke zwischen Hamburg und Hannover diskutiert und gestritten. Zuletzt berichtete das WOCHENBLATT, dass Landrat Rainer Rempe und weitere Lokalpolitiker sich weiterhin gegen das Neubauprojekt und für den Kompromiss Alpha-E positionieren.
„Wir sind weiter überzeugt davon, dass ein Ausbau der Bahnstrecke schneller, kostengünstiger und landschaftsschonender ist als ein Neubau. Die ohnehin geplante Generalsanierung bietet die beste Chance, wesentliche Teile von Alpha-E umzusetzen und die Kapazitäten auf der Strecke zu erweitern“, kommentierte der Landrat die Diskussion (WOCHENBLATT 31a/23). Die Meinungen spalten sich und auch bei WOCHENBLATT-Leserinnen und -Lesern besteht weiterhin Gesprächsbedarf. Hier lassen wir einige von ihnen zu Wort kommen:
Heinz Niedermeier aus Winsen
So, die Damen und Herren gewählten Politiker und Verwaltungsbeamte wollen keine Neubautrassen-Entscheidung gegen die Menschen in der Region. Hört sich gut an, nur für diejenigen, die für eine Neubautrasse sind, für die interessiert sich niemand der eingangs Genannten. Und warum interessiert sie keiner? Nun, die Damen und Herren Politiker leben im Hier und Jetzt und wollen, wenn möglich, wiedergewählt werden.
Ich verfolge die Diskussionen für den Ausbau der Alpha-E-Trasse schon seit geraumer Zeit. Alpha-E ist, wie in der WOCHENBLATT-Ausgabe vom 5. August geschrieben, wieder nur ein Kompromiss, wie es gleich als erster Satz zu lesen war. Erst nachdem dann eines Tages Alpha-E umgesetzt wurde, "könne beurteilt werden, ob weitere Kapazitäten auf der Schiene überhaupt erforderlich seien". Nun einmal für einen Leser wie ich es bin: Es wird erst einmal etwas ausgebaut und sehr viel Geld ausgegeben und wenn man dann eines Tages feststellt (und es wird so kommen), dass die Kapazitäten nicht ausreichen, dann kann man nochmal viel Geld ausgeben und vielleicht, aber auch nur vielleicht, dann neu bauen. Klar, das Geld ist dann ja zwar doppelt ausgegeben, aber was soll's? Die Entscheidung treffen dann ja andere.
Wie ich die Politik, ganz gleich, ob links, rechts, Mitte oder wo auch immer, verstanden habe, müssen wir alles unternehmen, damit möglichst viel vom Individualverkehr von der Straße auf die Schiene kommt. Wir wollen ja so klimaneutral wie möglich werden. Aber, ob das der richtige Weg ist, wenn man gegen Neubauten ist, ist für mich wirklich nur "die Fahne nach dem Wind hängen", nach denen, die am lautesten schreien: "Nicht bei mir."
Ich äußerte ja schon, dass ich die Berichte schon seit geraumer Zeit verfolge. Der Winsener Anzeiger berichtet, das WOCHENBLATT berichtet, ja sogar stehen ganz groß Berichte im Hamburger Abendblatt. Dann las ich u. a. davon, dass bei jemandem "vor seiner Nase" ein Damm in - ich will nichts Falsches sagen - Höhe von 30 oder 40 Metern entstehen soll. Daraufhin habe ich mal gesucht, wie hoch die Bauwerke in Hamburg z. B. sind. Die Köhlbrandbrücke wird als lichte Höhe mit 53 Metern angegeben, das Bismarckdenkmal mit 34,3 Metern. So, nun kann man sich irgendwo in der Mitte etwas aussuchen, was die Höhe anbetrifft. Wenn ich alles glaube, aber nicht, dass so hohe Dämme erstellt werden müssen. Außer - an den Informationen ist etwas nicht ganz richtig.
Wenn die Luft klar ist, kann man denken, dass die Bahn durch unseren Garten fährt. Wenn es Frühling wird, hören wir die Motorräder, wenn sie in Lüneburg auf der Autobahn Gas geben, die Osttangente wird als Rennstrecke genutzt und ist ebenfalls gewiss nicht leise. Leise ist dagegen der Bereich des Gewerbegebietes, und dagegen wurden seinerzeit Unterschriften gesammelt - nur, das Gewerbegebiet ist wirklich leise und stört nicht.
Ich bin der Meinung, es muss jeder etwas dazu beitragen, dass jeglicher Verkehr weit mehr auf die Schiene kommt, da bleiben neue Trassen nicht aus. Und zu denken, wir bauen erstmal und wenn das nicht ausreicht, dann können wir immer noch was Neues machen, das ist meines Erachtens verkehrte Politik. Das kann man nur sagen, wenn man weit genug vom Geschehen entfernt wohnt.
Übrigens: Ein ähnlicher Bericht erschien vor ein paar Tagen im Hamburger Abendblatt; ebenfalls teilweise mit den gleichen Personen. Dort wurde davon geredet, dass man, wenn man sich als Politiker gegen Alpha-E und für eine Neutrasse entscheidet, für steigende Umfragewerte der Populisten sorgen würde, das wolle man nicht. Ich halte solche Sätze für mindestens fragwürdig, denn man will ja nicht "gegen die Menschen" entscheiden (so im WOCHENBLATT und auch im Hamburger Abendblatt). Ich wollte nur sagen, ich bin auch ein Mensch, und habe nie Links- oder Rechtsaußen bzw. populistisch gewählt und werde mich davor hüten das zu tun.
Anne Schmidt aus Seevetal
Die alten, weißen, konservativen Politiker sind natürlich wieder gegen jede Veränderung. Bloß keine Windkraftanlagen, Strom- und Bahntrassen in unserer Nähe. Klimaschutz gerne, aber nicht bei uns. Mit so einer Einstellung geht's ganz schnell in den Abgrund. Vielleicht sollten wir einfach mal auf unsere Kinder hören: Fridays for Future Niedersachsen fordern ICE-Neubaustrecke Hannover-Hamburg – Offener Brief an Lars Klingbeil.
Wir in Seevetal wären zwar auch von der Trasse betroffen. Aber nur aus persönlicher Betroffenheit ein klimapolitisch so wichtiges Vorhaben zu blockieren, sehe ich nicht ein. Am Ende profitiert auch Seevetal, weil nur mit der Neubaustrecke der Deutschlandtakt so eingehalten werden kann, dass der ICE-Halt in Harburg erhalten bleibt. Dann geht es sogar in einer Dreiviertelstunde nach Hannover und weiter nach Süden. Und wichtiger noch: Hunderttausende stinkende Lkw können von unseren Straßen auf die Bahn verlagert werden.
Peter Becker aus Seevetal
Ist es Zufall, dass hier nur die Neubaugegner zu Wort kommen? Was ist mit den kritischen Stimmen aus Bad Bevensen, Deutsch Evern, Lüneburg, Winsen, Hamburg usw., die den untauglichen Alpha-Ausbau ablehnen und für die Neubaustrecke plädieren?
Apropos Hamburg: Der dortige Verkehrssenator (Anjes Tjarks, Grüne) hat im NDR wieder einmal gesagt, dass er hinter den Kulissen Bewegung in das Projekt bringen will. Schon im Dialogforum "Schiene Nord" sprach sich Hamburg für die Neubaustrecke an der A7 aus. Unterstützung findet die Hansestadt dabei von unserer jungen Generation: Fridays for Future demonstrierten in Hamburg für die Neubaustrecke nach Hannover.
Timo Walde aus Stelle
Ist das ein Wunder, dass die Stadt Hamburg für die Neubaustrecke ist? Denn der allergrößte Nutznießer des Ganzen ist die Hansestadt Hamburg, sonst niemand. Und anderes ist auch gar nicht gewollt. Die "angebliche" Verbesserung im Nahverkehr soll nur die Anwohner von Orten wie Ramelsloh, Evendorf, Egestorf etc. dazu zu bringen, die Klappe zu halten und den Plänen zuzustimmen. In Ramelsloh soll eine Überholstelle eingerichtet werden. Rund 30 Meter von der Wohnbebauung entfernt. Das heißt jaulende Bremsen, dröhnende Loks und nerviges Geratter von Güterwaggons. Dafür sollen die Ramelsloher mit einer regionalen Bahnverbindung vertröstet werden, mit dem Resultat, dass man genau das gleiche Problem wie auf der alten Strecke bekommt: langsame Nahverkehrszüge, Güterzüge und ICE auf einer Strecke. Dieses zu entflechten, ist eines der Hauptargumente der Befürworter.
Jetzt kommt man genau mit dem Gegenteil. Das Ganze dient allein dem Hamburger Hafen und dessen Güterverkehr. Darum geht es eigentlich, nicht um den ICE. Hamburg versucht mal wieder, auf Kosten der anderen Profit herauszuschlagen. Dabei ist die Zukunft des Hamburger Hafens alles andere als sicher. Immer wieder neue und tiefere Ausbaggerung. Man kippt den Schlick vor die Elbmündung, wo er mit der nächsten Flut wieder reingeschwemmt wird.
Was für ein Irrsinn. Dabei gibt es einen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven, wo auch größte Schiffe voll beladen anlegen können. Aber man bekämpft sich lieber gegenseitig, als zusammenzuarbeiten.
Hans Meyer aus Hanstedt
Ich finde es schon ziemlich anmaßend, wenn sich die Lokalpolitiker hinstellen und behaupten, die Bundespolitik würde hier gegen die Menschen in der Region planen. Als ob jeder in der Lüneburger Heide gegen Bahnverkehr wäre - so ein Schwachsinn!
Im Gegenteil wären hier viele Menschen dankbar über eine nachhaltig gute Erschließung des ländlichen Raums. Gerade für den Tourismus haben wir hier Nachholbedarf. Außerdem wäre es auch besser, wenn der zunehmende Güterverkehr aus dem Hamburger Hafen und dem neuen Belttunnel aus Dänemark über eine Neubautrasse mit Lärmschutz nach neuesten Standards fließen würde als über die ohnehin schon zu volle A7, die fast keinen Lärmschutz hat.
Und nachhaltiger wäre Güterverkehr auf der Schiene statt der Straße sowieso. Ich sehe nicht, inwiefern unzeitgemäße Bedenkenträger wie Landrat Rainer Rempe unsere Interessen vertreten.
Timo Walde aus Stelle
Als Antwort an Hans Meyer
Herr Meyer. Alle Ihre Vorstellungen in Ehren. Glauben Sie wirklich, dass die Bahn so dumm ist, genau den gleichen Fehler wie auf der Alpha-E Strecke mit gemischtem Verkehr zuzulassen, sodass sich wieder alle gegenseitig im Weg stehen?
Das mit der regionalen Anbindung ist nichts weiter als eine "Beruhigungspille". Denn wenn, kommen nur laut Bahn und Befürworter nur die drei Überholstellen in Frage. Woanders ist keinerlei Anbindung für den Regionalverkehr geplant. Das wissen auch die Befürworter.Für den Belttunnel müsste eine weitere Strecke geplant werden, die ebenso wie die A20 westlich über die Elbe geht, Richtung Ruhrgebiet, um so Hamburg und das Umland zu entlasten. Dazu müssten die Güterzüge bereits in Dänemark entsprechend zusammengestellt werden. An diese Strecke könnte auch der Tiefwasserhafen Wilhelmshaven angebunden werden, um auch Richtung Ruhrgebiet eine kurze Anbindung zu haben. Den dort fehlt immer noch eine belastbare Bahnanbindung. Und zum Thema Lärmschutz können Sie mal in Jesteburg und anderen Orten entlang der Umgehungsstrecke fragen, wie lange die für einen halbwegs brauchbaren Lärmschutz gekämpft haben.
Michael Müller aus Salzhausen
Als Antwort an Timo Walde
Herr Walde, der gemischte Verkehr ist relativ zu sehen. Laut den Präsentationen von Bund und Bahn bei uns in der Region wird auf der Neubaustrecke tagsüber fast ausschließlich ICE-Verkehr rollen. Ausnahme ist nur eine Güterzuglinie und eine Regionalzuglinie, für die eben die Bahnhöfe an der Strecke gebaut werden, sodass der schnelle Fernverkehr auch überholen kann. Ein Mischbetrieb ist dann problematisch, wenn viele unterschiedlich schnelle Züge (neben vielen ICE z.B. auch mehrere Güterzüge und mehrere Regionalzüge, wie auf der Bestandsstrecke) auf einer Trasse ohne Überholmöglichkeit fahren. Das wird aber auf der Neubaustrecke so nicht geplant. Nachts soll die Trasse ausschließlich dem Güterverkehr vorbehalten sein.
Wenn man sich mal mit den zuletzt fertiggestellten Neubaustrecken in Deutschland befasst, stellt man fest, dass genau ein solches Betriebskonzept sich überall bewährt hat, z.B. Stuttgart-Ulm mit dem regionalen Bahnhof Merklingen; Erfurt-Nürnberg mit dem regionalen Bahnhof Coburg; München-Nürnberg mit den regionalen Bahnhöfen Kinding und Allersberg; Köln-Frankfurt mit den regionalen Bahnhöfen Montabaur und Limburg Süd; Stuttgart-Karlsruhe mit dem regionalen Bahnhof Vaihingen usw.
Genau das wird logischerweise auch zwischen Hamburg und Hannover geplant, weil Bund und Bahn längst um den hohen Nutzen wissen, den eine regionale Erschließung an einer Neubaustrecke bedeutet. In der Planung sind auf jeden Fall Personenzughalte in Salzhausen und Bergen, sehr wahrscheinlich auch in Bispingen und Soltau. Was den Lärmschutz angeht: Jesteburg ist ein schlechtes Vergleichsbeispiel, weil an vorhandenen Bahnstrecken Bestandsschutz gilt. Das heißt, es gibt keinen Anspruch auf Lärmschutz und der bestehende Streckenzustand ohne Lärmschutz ist rechtlich geschützt. Und wenn doch eine Lärmsanierung kommt, dann nach den geringeren Kriterien für Bestandsstrecken. Kein Vergleich zu Neubaustrecken, bei den zwingend höchste Lärmschutzstandards einzuhalten sind. Für alle östlich der neuen Bahntrasse wie z.B. in Salzhausen wird es leiser, weil sie den Lärm der Autobahn mit abschirmt.
Tim Martens aus Tostedt
Ich kann es wirklich nicht mehr lesen. Kein Wochenblatt, wo nicht wieder der Sinn einer neuen Strecke geleugnet wird und noch dazu behauptet wird, man könnte große Teile von Alpha-E mal eben so im Zuge der Korridorsanierung vornehmen. Maximal findet hier eine Blockverdichtung und der Einbau von Weichen statt, das durchgehende dritte Gleis lässt sich schon aufgrund der Raumordnungsverfahren gar nicht mal eben bauen. Diese einseitige Berichterstattung nervt und wird in keiner Weise einem neutralen Journalismus gerecht. Jede Ausgabe kommen neue Bahnexperten dazu und Frau Marquardt gibt allen brav eine Bühne im WOCHENBLATT.
Alle Texte zu "Alpha-E“Alle Texte zu "Y-Trasse“Redakteur:Leonie Lange aus Buchholz |
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