"Wir mussten das Baby hinunter werfen" - Augenzeuge schildert, was in der Brandnacht passierte
mi. Klecken. Was in jener Nacht geschah, hat Giovahni Yaye Sampegbo noch nicht wirklich verarbeitet. Der Mann aus dem afrikanischen Staat Elfenbeinküste ist einer der Flüchtlinge, die dem Feuer in der Sozialunterkunft in Rosengarten-Klecken nur knapp entkamen. Mit WOCHENBLATT Redakteur Mitja Schrader sprach er über das, was in der Brandnacht passiert ist.
Seit fast zwei Jahren ist Giovahni Yaye Sampegbo bei einem Hofladen beschäftigt. Obwohl erst ein Tag seit der tragischen Brandkatastrophe vergangen ist und er eine Odyssee durch verschiedene Flüchtlingsunterkünfte hinter sich hat, pflanzt Giovahni Blumen, als wäre es ein ganz normaler Tag. "Arbeit vertreibt die vielen Gedanken in meinem Kopf", sagt er.
Dann beginnt er zu erzählen: "Ich hatte mich gerade zum Schlafen hingelegt, es muss so kurz vor Mitternacht gewesen sein. Plötzlich hat ein lauter Knall das ganze Gebäude erschüttert, danach hörte ich auf einmal viel Lärm. Die Leute liefen umher." Er öffnete die Tür, blickt auf den Flur. Überall werden jetzt die Zimmertüren geöffnet. Giovahni ging herüber zu einem Freund. Zu ihnen kommt noch eine Familie, die Mutter trägt das Baby im Arm. Es ist spät, viele lagen schon im Bett und sind nur mit Unterwäsche bekleidet. "Alle fragten sich, was passiert ist. Wir haben dann aus dem Fenster geschaut und den Rauch gesehen. Da wusste ich: Das Haus brennt." Beißender Qualm verteilt sich schnell über das Erdgeschoss nach oben. Panik bricht aus. "Alle wollten schnell raus. Doch die Treppe war schon voller Rauch." Sie laufen in das Zimmer eines Nachbarn. "Da war das Fenster am niedrigsten, wir wussten, wir müssen springen", erzählt der junge Mann. Vier Meter geht es runter. "Zwei von uns sind gesprungen, dann hat der Vater das Baby herunter gereicht, das Fenster war so hoch, dass er es fallen lassen musste. Sie haben das Kind dann aufgefangen, eine andere Wahl gab es nicht. Dem Baby geht es glücklicherweise gut. " Auch Giovahni springt. "Es hat weh getan. Ich bin aufgestanden, und dann hat jemand gerufen: Schnell weg vom Haus!" In Sicherheit ruft er sofort 112. Kurze Zeit später sind die Retter vor Ort. Die völlig verstörten frierenden Bewohner müssen mit ansehen, wie die Flammen ihre Unterkunft und ihre Habseligkeiten vernichten. "Ich dachte erst, vielleicht ist es nicht so schlimm, aber dann habe ich gesehen, wie stark das Feuer war", blickt Giovahni zurück.
Die Flüchtlinge werden zunächst nach Buchholz gebracht. Helfer kümmern sich um sie. Später werden sie nach Eckel gefahren. Doch dort ist dann doch zu wenig Platz. Nur zwei Familien dürfen bleiben, der Rest muss zurück nach Buchholz. Dort kennen sie niemanden.
"Ich habe nicht geschlafen, keine Ruhe gefunden, das waren nicht nur die Erinnerungen an die Nacht, sondern auch die Ungewissheit, ich arbeite doch in Eckel. Wie soll das gehen, wenn ich jetzt in Buchholz bin?", sagt Giovahni. Er wünscht sich, endlich zur Ruhe zu kommen, möchte gerne in seinem vertrauten Umfeld bleiben. Dankbar ist er den vielen Menschen, die ihm und den anderen Bewohnern geholfen haben. "Ich bin hier ganz alleine ohne Eltern und Verwandte, aber eure Hilfe war für mich, wie wenn meine Eltern dagewesen wären!"
Redakteur:Mitja Schrader |
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