Ort oder Ortsteil?
WOCHENBLATT-Leser ärgert sich über widersinnigen Sprachgebrauch
"Mich ärgert es jedes Mal, wenn ich immer wieder etwas von Ortsteilen höre oder lese, obwohl nach meiner Auffassung ein Ort gemeint ist", schreibt WOCHENBLATT-Leser Hermann Maack aus Holtorfsloh an die Redaktion und nennt Beispiele: "ich behaupte, dass z.B. Hittfeld, Maschen oder Meckelfeld nach wie vor Orte sind und bleiben. Diese Dörfer sind zwar Teile der Gemeinde Seevetal und somit Gemeindeteile, aber nach meiner Auffassung keine Ortsteile." Als solche würde Maack z.B. Hittfeld-Waldesruh oder Ramelsloh-Horn bezeichnen. Auch für den Bereich der Stadt Winsen hat er eine ähnliche Auffassung. "Hier sind z.B. Pattensen, Borstel und auch Rottorf nach wie vor eigenständige Orte. Zwar Teile der Stadt, aber keine Ortsteile. "Maack äußerte die Bitte, etwas gegen den nach seiner Auffassung widersinnigen Sprachgebrauch zu unternehmen. Das hat das WOCHENBLATT zum Anlass genommen, bei den Ortsvorstehern in Winsen, bei dem Ortsbürgermeister von Hittfeld und Seevetals Bürgermeisterin nachzufragen, wie sie "ihren" Ort sehen - als eigenständiges Dorf oder als Ortsteil?
Winsen
"Seit der Gebietsreform 1972 gehört Rottorf als Ortsteil zur Stadt Winsen", sagt Anja Trominski, Ortsvorsteherin von Rottorf. "Wir fühlen uns auch der Stadt zugehörig."
Ähnlich sieht es Borstels Ortsvorsteherin Hendrike König: "Da wir zur Stadt Winsen gehören, stellt sich die Frage nicht, ob Borstel nun ein eigener Ort, oder ein Ortsteil von Winsen ist." Das Dorfleben in Borstel und die zwischenmenschlichen Zusammenkünfte seien aber nach wie vor natürlich eigenständig. "Gut vorstellen könnte ich mir, dass sich der ein oder andere Bewohner in seinem Stolz verletzt fühlt, wenn sein Ort 'nur' als Ortsteil von Winsen bezeichnet wird. Vielleicht ist das ein Generationsproblem", sagt sie.
Auch für Stöcktes Ortsvorsteher Hans-Christian Wedemann stellt sich die Frage nicht, ob Stöckte Ortsteil oder eigenständig ist. Man gehöre seit 1972 verwaltungstechnisch zur Stadt Winsen. Wichtig ist für Wedemann etwas ganz anderes: "Wir Stöckter sind inhaltlich und was das dörfliche Miteinander angeht, eher ein eigenständiger Teil, denn das Miteinander, das Dorfleben und das Gemeinschaftsgefühl wird maßgeblich von dem Ortsteil bestimmt. Insoweit ist es gut und richtig, dass die Ortschaften unverwechselbar bleiben. Es kann natürlich sein, dass es in Teilen der Einwohnerschaft diesbezüglich noch Befindlichkeiten gibt, die wohl eher im Bereich der älteren Einwohnerschaft anzusiedeln sind. Der Großteil kann nach meinem Empfinden aber mit der aktuellen Ausgestaltung gut umgehen."
Auch Beate Westphal, Ortsvorsteherin von Roydorf, stößt ins gleiche Horn: "Nach über 50 Jahren Gebietsreform sind wir ein Ortsteil von Winsen mit dörflicher Identität."
Seevetal
Bürgermeisterin Emily Weede sagt ganz klar: "Wir sind alles einzelne Dörfer. Eine Gemeinde, welche aus vielen Dörfern besteht. Das ist wichtig. Jedes Dorf hat seine eigene Identität, welche es zu bewahren gilt. Wenn man nur zum Beispiel Ramelsloh nimmt, das ist ein Dorf mit ganz eigener Dorfstruktur. Die Bauten passen zusammen. Das ist ganz wichtig. Es muss bei zukünftigen Bauprojekten darauf geachtet werden, dass das jeweilige Dorfbild erhalten bleibt." Emily Weede weiter: "Doch für ein Dorf ist nicht nur das Dorfbild wichtig. Unsere Dörfer sind alle historisch gewachsen. Sie haben ein soziales Geflecht. Die Menschen, die sich mit ihren eigenen Dörfern so identifizieren, die schlafen nicht nur da, sondern arbeiten meist in der Nähe und leben auch dort. Leben heißt auch vor die Tür zu gehen, die Nachbarn und Leute im Dorf zu kennen. Je städtischer wir hier werden, desto schwieriger wird es, die einzelnen Dorfidentitäten zu behalten. Seevetal muss selbstbewusst sein. Selbstbewusst gegenüber Hamburg. Ich bin ein Fan kleiner Dörfer und jedes einzelne Dorf tut etwas für die Gemeinde Seevetal", so die Bürgermeisterin sinngemäß.
Helmut Dohrmann, Ortsbürgermeister von Hittfeld, Emmelndorf, Lindhorst und Helmstorf, sieht das wie folgt: "Ich sehe das ganz pragmatisch. Wenn ein Dorf ein gelbes Ortsschild hat, ist es ein eigenständiges Dorf. Das Ganze ist auch historisch zu betrachten. Denn vor der Gebietsreform 1972 waren das alles eigenständige Gemeinden, die sich dann zu einer großen zusammenschlossen." Hintergrund hierfür war das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden im Raum Harburg. Heutzutage sind die damals 19 eigenständigen Gemeinden in sechs Ortschaften untergliedert. Die kleineren, nie eigenständig gewesenen Orte oder wie es in eben diesem Fall korrekt wäre, Ortsteile, sind zum Beispiel: Waldesruh, Glüsingen-Jehrden, Karoxbostel, Lindhorster Heide und Emmelndorf Siedlung. Waldesruh zum Beispiel ist auch per Ortsschild ein Ortsteil von Hittfeld, dort heißt es: "Hittfeld-Waldesruh".
Für Interessierte
Wer gerne noch tiefer in die Materie einsteigen möchte und sich für die Geschichte Seevetals, die einzelnen Orte, also den Gemeindeteilen, oder für die Ortsteile, also den besonderen Gebieten, innerhalb eines eigenständigen Ortes interessiert, kann sich unter www.seevetal.de informieren.
Fazit
Es gibt keine klare Regelung. Während die Seevetaler sich als Zusammenschluss eigenständiger Orte sehen, sieht die Welt in Winsen ganz anders aus. Dort sieht man sich als Teil der Kreisstadt. Von daher wird das WOCHENBLATT zumindest für den Bereich Winsen weiterhin von Ortsteilen schreiben.
Redakteur:Sven Rathert aus Seevetal | |
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