Azubi aus Hollern-Twielenfleth
Funktionstüchtige Kamera aus Holz gebaut

Timo Schulz | Foto: sv
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Mit seiner selbstgebauten Plattenkamera hat Timo Schulz, Auszubildender im zweiten Lehrjahr bei der Tischlerei Schmorl, den zweiten Platz beim Tischlerwettbewerb "Die Gute Form" gemacht. Angefangen hat alles mit einer alten Türzarge aus Teakholz.

Ein paar Knöpfe für die Einstellung drücken, Kamera auf das Motiv halten und den Auslöser drücken - fertig ist das Foto. Wer fotografiert, egal ob mit einer teuren Spiegelreflexkamera oder einem normalen Smartphone, hält ein hochkomplexes System aus Kunststoff, Silikon und etwas Metall in den Händen. Wie viele Einzelteile in dem kleinen Kasten stecken und was jeweils ihre technische Funktion ist, dürften aber nur die wenigsten Nutzer wissen.

Timo Schulz | Foto: sv

Tischler im zweiten Ausbildungsjahr

Timo Schulz aus Stade dagegen kennt jede noch so kleine Schraube an seiner Kamera - denn der Tischler im zweiten Ausbildungsjahr bei der Tischlerei Schmorl in Hollern-Twielenfleth hat seinen Fotoapparat selbst konstruiert. Aus einer alten Teakholz-Türzarge, Papier, einigen Messingschrauben und einer Linse hat der 29-Jährige eine klassische Plattenkamera gebaut und wurde dafür mit Platz zwei beim Wettbewerb "Die Gute Form" ausgezeichnet. "Eine Wahnsinnsleistung", sagt Ausbilder Ricardo Schmorl stolz. "So etwas schaffen die wenigsten Lehrlinge im zweiten Ausbildungsjahr."

Foto: sv

Die Plattenkamera ist bereits das dritte Modell, das der 29-Jährige selbst gebaut hat und das funktioniert. "2006 fand ich durch Zufall heraus, wie Linsen funktionieren, als das Sonnenlicht auf meine Lupe in meinem Zimmer fiel und ein Bild an die Wand warf", erinnert sich Timo Schulz. "Da baute ich meinen ersten Dia-Projektor. 2012 konstruierte ich dann meinen ersten Kamera-Prototypen und 2016 eine Plattenkamera, mit der ich seitdem auch viel fotografiere." Meist ist er in Stade oder auf der Festung Grauerort mit dem Unikat anzutreffen und verkaufte seine Schwarz-Weiß-Fotografien dort bis zur Pandemie auch regelmäßig auf dem Herbstmarkt. Das neue Modell sei zwar viel zu wertvoll, um es mit in die Stadt zu nehmen, aber auch diese Plattenkamera funktioniert.

Die Kamera in ihren Einzelteilen | Foto: Schulz
  • Die Kamera in ihren Einzelteilen
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So ist die Kamera aufgebaut

"Das ist keine in Holz eingebettete Kamera", stellt Timo Schulz zunächst klar. "Bis auf die Linse habe ich die Plattenkamera von Grund auf selbst gebaut. Beim Entwurf habe ich mich an alten Plattenkameras orientiert. Dafür habe ich über 25 Seiten an Skizzen und technischen Datenblättern zusammengeschrieben." Er löst die goldenen Messingschrauben und schiebt die Holzplatte, in der die Linse eingebettet ist, nach vorne, sodass sich der Balg aus schwarzem Papier wie bei einer Ziehharmonika entfaltet. In die hintere Holzplatte steckt Schulz eine quadratische Einstellplatte aus Holz und Acrylglas, auf der ein Fadenkreuz eingezeichnet ist, um das Motiv anzuvisieren. Durch den Balg kann Schulz die verschiedensten Einstellungen vornehmen und das Bild sogar optisch verzerren. Dann heißt es Linse verschließen, Einstellplatte durch eine Fotokassette mit lichtempfindlichen Papier ersetzen und den Verschluss wieder öffnen.

Foto: Schulz

"Knapp sieben Sekunden braucht ein Foto bei gutem Licht", sagt Schulz und zeigt eine gestochen scharfe Schwarz-Weiß-Aufnahme von der Stader Innenstadt. Für die Fotokassetten hat er zwei Formate aus MDF (Holzfaserplatte) konstruiert und selbst benannt: das Hemmoor-Format (7,5x10 Zentimeter), benannt nach seiner Heimat, und das Stada Format (15x10 Zentimeter). "Ich kann hochkant, quer und in unzähligen Einstellungen fotografieren. Das Einzige, was an der Kamera fehlt, sind der Autofokus und das WLAN", sagt Schulz grinsend. Doch ein Problem hat Schulz noch nicht gelöst: "Ich habe immer noch keine Ahnung, in welcher Auflösung ich fotografiere. Denn wenn ich die Bilder einscanne und vergrößere, verschlechtert sich natürlich die Qualität durch den Scanner."

Die Stader Innenstadt: eines von Timo Schulz' Lieblingsmotiven | Foto: Schulz
  • Die Stader Innenstadt: eines von Timo Schulz' Lieblingsmotiven
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Ausstellung bei Eisen Trabant

Gebaut hat Timo Schulz die Kamera aus einer Teakholz-Türzarge, die ihm Tischlermeister Ricardo Schmorl zur Verfügung stellte. "So hat die alte Türzarge ein zweites Leben bekommen und meine Kamera ist ein zu hundert Prozent recyceltes Produkt", sagt Schulz. Mit seinem 3D-Drucker hat Schulz unter anderem Anreißschablonen für die Messingverzierungen und den Distanzring für das Aufsetzen von Wechselobjektiven gedruckt. "Alles an dieser Kamera ist handgefertigt - bis auf die Linse", sagt Schulz stolz.
Beeindruckt von dem Projekt war auch Kai Trabant, der die Plattenkamera zusammen mit einigen ausgewählten Stücken des Gute-Form-Wettbewerbs in den kommenden Wochen in seiner Firma Eisen Trabant ausstellen wird. "Das Beste daran ist, dass die Leute meine Arbeit sehen", sagt Schulz. "Die steht ja sonst nur bei mir auf dem Dachboden herum und staubt ein. Ich freue mich, wenn sich die Leute für meine Kamera interessieren und mich ansprechen."

Foto: sv/Schulz

Wer mehr über Timo Schulz, seine Kameras und weiteren Projekte wie seinen selbstgebauten Malomaten erfahren möchte, kann auf www.timo-schulz.de nachschauen.

(sv)

Redakteur:

Svenja Adamski aus Buchholz

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