Wiedersehen nach drei Monaten an der Front
Sohn eines Stader Ukraine-Flüchtlings erlebte die Hölle von Bachmut
Der ukrainische Geschäftsmann Grischa Kaflowskij ist nach dem russischen Überfall auf sein Heimatland mit Frau und Enkelkindern in den Landkreis Stade geflüchtet. Jetzt nutzt er seine vielfältigen Kontakte, um den Menschen in der Ukraine zu helfen. In der Region ist der 66-Jährige, den alle nur bei seinem Vornamen Grischa nennen, das Gesicht der Hilfsaktionen, die unter Beteiligung des Landkreises Stade für die Kriegsopfer in seinem Heimatland durchgeführt wurden. Unaufhörlich ist er unterwegs, organisiert Spendenkonvois. Eine besondere familiäre Begegnung ließ den quirligen Helfer jetzt für einen Moment innehalten: In seinem Haus in einem Vorort der Hauptstadt Kiew konnte Grischa seinen Sohn Sascha endlich wieder in die Arme schließen. Der IT-Fachmann kämpfte drei Monate ununterbrochen in der Frontstadt Bachmut, die gegen die anstürmenden Truppen der Söldner-Miliz Wagner verteidigt wird.
Sascha hatte sich kurz nach Kriegsausbruch als Freiwilliger bei der ukrainischen Armee gemeldet. Zuvor hatte der 43-Jährige für seinen Einsatz als Soldat trainiert - heimlich, ohne dass seinen Eltern etwas davon mitbekamen. Als Unteroffizier verteidigte er zunächst das Regierungsviertel von Kiew, im Dezember ging es dann nach Bachmut. Seither waren Grischa und seine Frau Halyna in großer Sorge um ihren Sohn. Sie hatten kaum Kontakt. "Wir durften nicht miteinander telefonieren. Die Russen hätten seine Einheit über das Handy orten können", berichtet Grischa. Lediglich ein Plus-Symbol per SMS diente als Lebenszeichen.
Endlich zurück von der Front
Dem Bachmut-Kämpfer hätte schon längst Fronturlaub zugestanden. Doch erst wollte Sascha seine Kameraden nicht im Stich lassen, dann war ein Austausch der Kräfte zu gefährlich. Schließlich hat es geklappt: Vor ein paar Tagen trat er mit seiner Einheit die Heimreise an. 70 Kilometer von der Frontlinie entfernt mussten zunächst verletzte Soldaten notversorgt werden, dann ging es für das gesamte Bataillon zurück nach Kiew.
Bei der Verteidigung von Bachmut hausten Sascha und seine Kameraden zuletzt in Kellern und ausgehobenen Erdschanzen. Sie waren Wind und Wetter ausgesetzt, konnten wochenlang nicht duschen. Die Infrastruktur in der Frontstadt ist seit Monaten komplett zerstört. Trotzdem harren noch immer tausende Zivilisten dort aus, einige wurden von den Soldaten evakuiert. Auch Saschas Einheit ist es zu verdanken, dass die russischen Söldner der Wagner-Gruppe die Stadt noch nicht einnehmen konnten. Über die Kämpfe sagt er nur: "Das ist die Hölle auf Erden."
In Kiew genoss Sascha die Zeit mit seinen Eltern, seiner Frau und seinem Sohn – sie waren für das Wiedersehen eigens aus Deutschland in die Ukraine gereist. Außerdem besuchte er verwundete Kameraden im Krankenhaus. Sascha wird jetzt mit seiner Einheit in den Ort Kaniw verlegt, eine Kleinstadt rund 150 Kilometer südlich von Kiew am strategisch wichtigen Fluss Dnepr. Dämme, Brücken und das dortige Wasserkraftwerk werden von Saschas Bataillon bewacht.
Wertvolle Hilfe aus dem Landkreis Stade
Grischa hat während seines Ukraine-Aufenthaltes mit vielen Offiziellen gesprochen. Diese baten ihn eindringlich, sich in Deutschland für eine weitere Unterstützung des Landes einzusetzen. Alle seien dankbar für die humanitäre Hilfe aus der Region, so Sascha: "Mit dem medizinischen Equipment aus dem Landkreis Stade konnten schon viele Menschenleben gerettet werden." Erst im Februar hatte er ein gespendetes Rettungsdienst-Fahrzeug und Medizingüter in die Ukraine gebracht. Der VW-Bus ist derzeit bei der Evakuierung von Zivilisten im Einsatz. Ein im Dezember gespendeter Opel-Kombi ist zwar völlig zerschossen, wurde aber immer wieder geflickt und wird weiterhin zum Transport von Rettungskräften und Material genutzt. Grischa plant bereits den nächsten Hilfstransport aus dem Kreis Stade.
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