Hausarztmangel
Zwei Medizinstudentinnen über das Projekt "Landgang Stade"
sv. Stade. Erst kürzlich wurde das Projekt "Landgang Stade", das Medizinstudierende mit Praktika in den Landkreis Stade holen und so dem Ärztemangel entgegenwirken soll, im Kreisausschuss bis 2024 verlängert. Seit dem Projektstart 2017 haben schon mehr als 70 Medizinstudierende teilgenommen. "Wir haben eine Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Dort liegt unser Projektangebot vor und wird über das Studiensekretariat weitergegeben", sagt Projektleiterin Iris Fitze.
Mit sechs Teilnahmen - vier Famulaturen und zwei Blockpraktika - legt das Projekt einen erfolgreichen Start in das neue Jahr hin. Dass "Landgang Stade" ein voller Erfolg ist, spiegeln neben den Zahlen auch die Berichte der Teilnehmenden wider. Das WOCHENBLATT hat mit zwei Medizinstudentinnen gesprochen, die ihre Famulatur (medizinisches Praktikum über vier Wochen) im Landkreis Stade gerade abgeschlossen haben.
"Man hat einfach gemerkt, dass die Ärzte einem was beibringen wollen. Alle waren enorm engagiert", sagt Annika Crüger aus Buxtehude, die ihr Praktikum im März in der Praxis von Doktor Jan Sulzer in Jork absolviert hat. Die 27-Jährige wohnt in Hamburg und studiert Humanmedizin im fünften Semester an der Universität zu Lübeck. "Mir wurde gleich Verantwortung übertragen und ich durfte viel am Patienten machen", erzählt sie. "Genau das ist es ja auch, was mich zu dem Studium gebracht hat. Die Medizin am Menschen." Sie habe die Famulatur mit einem sehr guten Gefühl abgeschlossen, sagt Crüger. "Das Praktikum hat auf jeden Fall die Lust an der Allgemeinmedizin geweckt. Eigentlich schätze ich das Leben in der Großstadt sehr, aber ich könnte es mir durchaus vorstellen, nach dem Facharzt vielleicht in Richtung Land zu ziehen." Festlegen möchte sie sich aber auf nichts, schließlich hat sie noch sieben Regelstudiensemester vor sich.
Genauso begeistert spricht auch Valeriya Romanenko über ihre Famulatur in der Praxisgemeinschaft von Doktor Susann Schütt und Claudia Nolte in Horneburg: "Es hat total viel Spaß gemacht und es war im Nachhinein definitiv die richtige Entscheidung, das Praktikum außerhalb von Hamburg zu machen." Die 25-Jährige studiert Medizin im elften Semester in Hamburg am UKE, engagiert sich in der Offenen Fachschaft für Medizin und jobbt mit Rufbereitschaft als Hakenhalterin im OP und im Intensivpool bei den Sitzwachen.
Doch die Großstadt könne nicht alles bieten: "Während meines Blockpraktikums bei einem Arzt in Hamburg, vor COVID, habe ich gemerkt, dass die Städter eher bei Schnupfen, zum Einrenken oder für Krankschreibungen zum Hausarzt gehen. Bei größeren Beschwerden gehen sie direkt ins Krankenhaus in die Notaufnahme." In Horneburg habe sie dagegen eine breite Palette erleben dürfen. "Wir hatten sogar einen Patienten mit einem anaphylaktischen Schock, so jemand wäre in Hamburg niemals zum Hausarzt gegangen. Auf dem Land merkt man den Patienten einfach ein riesiges Maß an Vertrauen an, das sie ihrem Arzt entgegenbringen."
Valeriya Romanenko weiß, wie wichtig es ist, Praxiserfahrungen an den verschiedensten Orten zu sammeln. 2019 besuchte die gebürtige Ukrainerin ein Krankenhaus in ihrem Heimatland. "Über den Kontakt zu einem Arzt konnte ich dort hospitieren und erhielt interessante Einblicke in die Chirurgie und Radiologie. Die medizinische Versorgung dort ist nicht ganz so Hightech wie hier in Deutschland. Das war sehr lehrreich."
Sich nach ihrem Facharzt als Hausärztin in der ländlichen Region niederzulassen, kann Romanenko sich durchaus vorstellen: "Hier lernt man die Patienten mit der Zeit viel besser kennen als in der Stadt, wo die Fluktuation viel höher ist." Doch zunächst steht noch ihre Doktorarbeit an, in der sie herausfinden will, wie sich Herzrhythmusstörungen in krankem Gewebe zeigen.
Redakteur:Svenja Adamski aus Buchholz |
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