Verwaltung verletzt Rechte des Ortsrates
Spielplatz-Ärger in Stade: Ortsbürgermeister fühlt sich verschaukelt
Diese "Spielplatz-Posse" in Stade ist mehr als nur ein Schildbürgerstreich - sie könnte zu einem handfesten politischen Skandal werden: Im Stader Stadtteil Haddorf wurde auf Anweisung der Verwaltung einfach ein Spielplatz abgebaut - ohne zuvor die Anwohner zu informieren. Die betroffenen Familien mit vollendeten Tatsachen zu überrumpeln, ist schon skandalös genug und zeugt von einem antiquierten Obrigkeitsdenken im Stader Rathaus. Noch schlimmer ist aber, dass die Verwaltung demokratische Rechte mit Füßen getreten hat. Denn in Haddorf gibt es noch einen Ortsrat - und der wurde vorher nicht gefragt.
"Will die Stadt uns die paar Rechte nehmen, die wir noch als Ortsrat haben?", fragt sich Haddorfs Ortsbürgermeister Hermann Müller (SPD). Tatsächlich verfügen Ortsräte laut niedersächsischer Kommunalverfassung nur noch über wenig politische Befugnisse. In die Kompetenz dieses Gremiums fällt aber auf jeden Fall die Entscheidung darüber, ob ein Spielplatz eingerichtet oder - wie in diesem Fall -aufgelöst werden soll. Er könne aus Prinzip gar nicht anders handeln, als zu fordern, dass die Spielgeräte wieder aufgestellt werden, sagt Müller - unabhängig davon, wie intensiv der Spielplatz noch genutzt werde. "Es geht hier um demokratische Grundregeln."
Dabei hat die Ortschaft Haddorf am Wochenende gerade erst den 50. Jahrestag ihrer Eingemeindung nach Stade gefeiert. Doch Ortsbürgermeister Hermann Müller (SPD) wurde die Feierlaune vermiest - wegen des politischen "Klopfers", den sich die Verwaltung in Sachen Spielplatz erlaubt hat. Der Spielplatz sei nach Ansicht der Stadt überflüssig, so Müller. Er wurde von dieser Nacht- und Nebelaktion völlig überrascht - und war richtig sauer. "Das ist ein Verstoß gegen demokratische Prinzipien", sagt Müller.
Die Stadt hat auf die Vorwürfe reagiert. Lesen Sie dazu auch den Folgeartikel:
"Ortsrat entscheidet über Abbau von Spielgeräten"
Im Gegensatz zum Rat der Hansestadt haben die vier Stader Ortsräte nur eine eingeschränkte Entscheidungsgewalt. Zu ihren wichtigsten Befugnissen gehört aber, über Belange zu beschließen, die speziell die Ortschaft betreffen. Dieses Recht des Ortsrates ist im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) verbrieft. Das betrifft auch die Spielplätze. Für Müller ist daher die Sache klar: "Ob hier in Haddorf ein Spielplatz abgebaut wird, entscheidet allein der Ortsrat und nicht irgendein Sachgebietsleiter im Rathaus."
Der Haddorfer Ortsbürgermeister erfuhr erst vom Spielgeräte-Kahlschlag, als das Thema in den sozialen Medien die Runde machte. Empörte Mütter hatten ihn per Messenger informiert. Als er sich vor Ort das Dilemma anschaute, war er entsetzt: "Auf dem Spielplatz Knöterichweg war alles entfernt worden." Nur die große Sandfläche ließ erahnen, dass sich dort wenige Tage zuvor noch ein Spielplatz befand - ausgestattet mit Sandkiste, Schaukel, Rutsche, Spielhaus und zwei Wipptieren.
Müller holte sich einen Termin mit Stades Bürgermeister Sönke Hartlef (CDU) und zwei leitenden Mitarbeiter der Verwaltung. "Die erzählten mir etwas von einem neuen Spielplatzkonzept, das aber nicht ausgearbeitet sei", berichtet der verärgerte Ortsbürgermeister. Stade habe zu viele Spielplätze. Deren Pflege und Unterhaltung sei sehr kostenaufwändig. Daher sollten zunächst in den Ortschaften, später in der Kernstadt einige kleinere Spielplätze zugunsten größerer und mit hochwertigen Geräten bestückten Anlagen aufgegeben werden.
Geräte sollen wieder aufgebaut werden
"Das ist grundsätzlich nachvollziehbar", sagt Müller. Doch er machte den Verantwortlichen im Rathaus nach eigenem Bekunden unmissverständlich klar: "So läuft es nicht." Mit ihrer eigenmächtigen Vorgehensweise verletze die Stadtverwaltung die Rechte des Ortsrates, meint Müller. Er habe auf dem Treffen Tacheles geredet: "Ich habe verlangt, dass die Spielgeräte umgehend wieder aufgestellt werden."
Laut Müller sollen sich die Verantwortlichen im Rathaus einsichtig gezeigt haben: "Mir wurde zugesichert, dass der Spielplatz so schnell wie möglich seine Geräte zurückbekommt." Den Aufbau übernehmen - wie zuvor den Abbau - die Kommunalen Betriebe Stade (KBS). Die muss der Stadt jetzt beide Aktionen in Rechnung stellen. Das WOCHENBLATT wird nachhaken, welche Kosten dieser Schildbürgerstreich verursacht hat.
Sein persönlicher Eindruck sei, dass die jungen, unerfahrenen Führungskräfte im Rathaus manchmal zu forsch handeln, ohne die rechtliche Seite abzuklopfen, so Müller. "Ich glaube, die wissen gar nicht, wie das Zusammenspiel mit den Ortsräten funktioniert", meint der langjährige Kommunalpolitiker. Einer im Rathaus müsste es wissen: Stades Bürgermeister Hartlef war selbst viele Jahre lang Ortsbürgermeister.
• In einer früheren Version des Artikels wurde behauptet, dass die Stader Verwaltung sich nicht innerhalb eines Werktages auf eine WOCHENBLATT-Anfrage zum Spielplatz-Fiasko geäußert hat. Das ist unzutreffend. Tatsächlich ging nicht einmal zwei Stunden nach der Presseanfrage ein Statement der Stadt ein, was aufgrund eines Fehlers im Maileingangssystem aber zunächst nicht angezeigt wurde.
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