Schulform ist politisch umstritten
Stader Landrat gibt Bekenntnis zur Förderschule ab
Wenn Ukraine-Krieg und Energiekrise aktuell nicht die politische Stimmung im Land beherrschen würden und wenn es einen größeren Kreis Betroffener gäbe, wäre dies wohl eines der wichtigsten Themen im Landtagswahlkampf gewesen: die Zukunft der Förderschulen. Hier liegen die beiden (Noch-)Koalitionäre der rot-schwarzen Landesregierung grundsätzlich über Kreuz. Während die SPD an der vor Jahren beschlossenen Abschaffung dieser sonderpädagogischen Einrichtungen für Kinder mit Lernbehinderungen bis 2028 festhalten will, setzt sich die CDU für deren Erhalt ein (siehe unten). Jetzt bricht auf Kreisebene ebenfalls ein Unions-Politiker eine Lanze für die Förderschule: Landrat Kai Seefried (CDU) erklärte kurz vor der Landtagswahl, dass der Landkreis als Schulträger hinter der Schulform Förderschule stehe.
Seine Erklärung pro Förderschule gab Seefried bei einem Besuch der Friedrich-Fröbel-Schule im Stader Stadtteil Campe ab. "Ich erlebe hier ein engagiertes Kollegium, das sich mit großem Engagement den Schülerinnen und Schülern zuwendet", sagte Seefried. Die Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen befindet sich in der Trägerschaft des Landkreises Stade. Die neue Landesregierung werde darüber entscheiden, ob diese Schulform Bestand hat oder ein Auslaufmodell wird, so Seefried. Er halte es aber für wichtig, dass den Eltern im Rahmen einer vielfältigen Schullandschaft im Landkreis Stade eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des richtigen Förder- und Lernortes für ihr Kind bleibe.
Viele schaffen den Hauptschulabschluss
"Hier wird jeder so angekommen, wie er ist", betonte die Schulleiterin der Fröbel-Schule, Kerstin Klindworth. 15 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten derzeit 150 Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I (Klasse 5 bis 10). 35 weitere Kolleginnen und Kollegen sind bereits abgeordnet an Regelschulen, um dort im Rahmen der Inklusion die Lehrkräfte zu unterstützen. Der Unterricht, der größtenteils vom Klassenlehrer erteilt wird, ermögliche eine enge persönliche Bindung zwischen Schüler und Lehrer und sorge für Verlässlichkeit, erläuterte Klindworth. Viele schafften den Hauptschulabschluss. Niemand bleibe außen vor, unterstrich die Schulleiterin: „Sie sehen, dass sie nicht die Einzigen sind, die anders sind.“ Zudem würde die Förderschule auch einen Rückhalt für die Familien darstellen.
Das pädagogische Konzept sei von Erfolg gekrönt, führte die Schulleiterin weiter aus, die ihre berufliche Laufbahn 1985 an der Fröbel-Schule begann. Das zeigten auch die Praktika der Schüler in regionalen Betrieben. Etliche von ihnen hätten ein Angebot für einen Ausbildungsplatz bekommen. „Das soll auch zukünftig so sein, wenn wir den rechtlichen Rahmen dafür bekommen“, sagte Seefried.
Aktuell besuchen 150 Schüler die Friedrich-Fröbel-Schule in Stade-Campe – Tendenz, wie auch in allen anderen Förderschulen des Landkreises, steigend. Die Kinder und Jugendlichen kommen aus dem gesamten Kreisgebiet. 223 Schüler gehen auf die Förderschule (Schwerpunkt Geistige Entwicklung) in Stade-Ottenbeck, die Balthasar-Leander-Schule (Schwerpunkt Lernen) in Harsefeld zählt 81 Schüler.
Die SPD will die Förderschule abschaffen, die CDU will sie beibehalten
Das Thema schulische Inklusion ist ein Zankapfel in der "Gro-Ko" in Hannover. Das Auslaufen der Förderschule Lernen zum Jahr 2028 ist in Niedersachsen eigentlich beschlossene Sache. CDU und FDP stellen sich aber dagegen und treten für den Erhalt dieser Schulform ein.
Nach dem Schulgesetz sind in den Förderschulen Lernen in diesem Schuljahr zum letzten Mal Schüler des 5. Jahrgangs aufgenommen worden. Die Landesregierung hatte sich in der Koalitionsvereinbarung auf eine Verlängerung der Übergangsregelung um fünf Jahre geeinigt. So sollte den Schulträgern mehr Zeit gegeben werden, den Übergang zu gestalten. Aktuell bestehen in Niedersachsen nur noch 55 von 175 Förderschulen Lernen.
Im Gegenzug sind bereits heute alle niedersächsischen Schulen inklusiv. Etliche Lehrer, die zuvor nur an Förderschulen tätig waren, unterrichten im Rahmen der Inklusion inzwischen an den "regulären" Schulen und fördern dort Schüler, bei denen ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung besteht.
Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hat beim Stichwort inklusive Schule immer wieder betont, dass hier "ein möglichst hochwertiges Bildungsangebot" geschaffen werde. Die Lehrkräfte aller Schulformen seien auf die Inklusion vorbereitet worden und alle Schulen erhielten pro Schüler zusätzlich drei Stunden für die inklusive Beschulung. Mit den geschaffenen Rahmenbedingungen sei es in jeder Region des Landes möglich, Schüler mit Defiziten im Förderschwerpunkt Lernen "bestmöglich und erfolgreich inklusiv zu beschulen", so Tonne.
Ganz anders sehen das die Christdemokraten: "Das seit 10 Jahren SPD-geführte Kultusministerium hat es einfach nicht geschafft, die Inklusion an unseren Schulen zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler zum Erfolg zu führen", erklärte vor einiger Zeit der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christian Fühner. Die CDU stehe zu den erfolgreichen und für die Kinder so wichtigen Förderschulen. "Wir wollen die beste, individuelle Förderung für alle Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen weiter gewährleisten und die Wahlfreiheit der Eltern erhalten", so Fühner. Ziel der CDU sei es daher, alle Förderschulen zu erhalten und zu inklusiven Kompetenzzentren weiterzuentwickeln.
Für die CDU-Landtagsfraktion sei daher klar, erklärt der CDU-Bildungspolitiker: Die Förderschulen "Lernen" und "Sprache" müssen weitergeführt und als reguläre Schulformen mit Bestandsschutz im niedersächsischen Schulgesetz abgesichert werden. "Leider ist die SPD hier einer ganz anderen Meinung und will die Förderschulen abwickeln. Offensichtlich ist den Sozialdemokraten Ideologie wichtiger als der freie Elternwille", kritisiert Fühner.
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