Schiff liegt vor Skagen statt in Stade
Stader LNG-Terminal ein Jahr ohne Gas: Das Energos-Force-Fiasko

- Statt im Stader Energiehafen zu liegen, schippert das schwimmende LNG-Terminal "Energos Force" durch die Nordsee, um vor dem dänischen Hafen Skagen vor Anker zu gehen
- Foto: SAD Cuxhaven
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Vor genau einem Jahr, am 15. März 2024, erreichte das schwimmende LNG-Terminal „Energos Force“ den Energiehafen in Stade-Bützfleth. Mit großen Erwartungen wurde die schwimmende Speicher- und Regasifizierungseinheit (FSRU) begrüßt – sollte das Spezialschiff doch einen wichtigen Beitrag zur Gasversorgung in Deutschland und damit zur Energiesicherheit. Doch ein Jahr später ist die „Energos Force“ immer noch nicht in Betrieb, kein einziger Kubikmeter LNG wurde über Stade ins deutsche Netz eingespeist. Schlimmer noch: Das Schiff befindet aktuell nicht einmal mehr in deutschen Gewässern. Die "Energos Force" hat Kurs auf die dänische Hafenstadt Skagen genommen. Dort wird das Schiff bis auf Weiteres auf Reede liegen.

- Die "Energos Force" hat am Freitagmittag ihr Ziel Skagen fast erreicht, wie die Schiffstracking-Seite vesselfinder.de zeigt
- Foto: vesselfinder.de
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Immer wieder Verzögerungen
Von Beginn an war das Projekt von Verzögerungen geprägt. Zunächst sollte die FSRU noch 2024 ans Netz gehen, dann wurde der Start auf das erste Quartal 2025 verschoben. Nun steht Mitte März 2025 fest: Auch diese Frist wird nicht eingehalten. Wann die „Energos Force“ endlich ihren Betrieb aufnimmt, ist völlig unklar.
Noch irritierender als die Verzögerungen ist jedoch die mangelhafte Kommunikation des Terminalbetreibers, der bundeseigenen Deutschen Energy Terminal GmbH (DET). Auf eine Presseanfrage des WOCHENBLATT zu den aktuellen Verzögerungen gab es lediglich eine nichtssagende Antwort: „Wir bitten um Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben zu einem Termin für die Inbetriebnahme des Terminals Stade machen können.“ Das Haus des zuständigen (Noch-)Bundes-Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) hielt es nicht einmal für nötig, dem WOCHENBLATT zu antworten.
Fragwürdige Kommunikation
Eine ernsthafte Erklärung bleibt aus. Warum liegt die „Energos Force“ in Skagen? Warum kehrte sie nach den Baggerarbeiten in Stade nicht zurück? Warum hält die DET die Öffentlichkeit im Unklaren? Klare Antworten auf diese Fragen gibt es nicht. Stattdessen weicht der Betreiber aus und verweist lediglich darauf, dass das Schiff dort „technisch und logistisch versorgt“ werde. Während sich die Verantwortlichen in Schweigen hüllen, entstehen weiterhin enorme Kosten. Die Charterkosten für eine FSRU wie die „Energos Force“ werden auf mindestens 200.000 Euro pro Tag geschätzt – finanziert durch deutsche Steuergelder. Seit März 2024 ist das Schiff in Deutschland – und produziert Kosten, ohne einen Nutzen zu bringen.
Ein Schlag ins Gesicht
Für diejenigen, die das Projekt schwimmendes LNG-Terminal in Stade maßgeblich vorangetrieben haben, dürfte das Verhalten der DET ein Schlag ins Gesicht sein. Zur Erinnerung: Der Stader Energiehafen war 2023 binnen eines Jahres in Rekordzeit errichtet worden, damit das Terminal dort so schnell wie möglich in Betrieb gehen kann. Die landeseigene Hafengesellschaft NPorts hat rund 300 Millionen Euro für den Neubau des LNG-Anlegers aufgewendet. Doch nach den ständigen Verzögerungen bei der Inbetriebnahme der "Energos Force" stellt sich nun ernsthaft die Frage, ob sich der damalige Kraftakt überhaupt gelohnt hat.
Gleichzeitig ist fraglich, ob das Terminal in Stade überhaupt benötigt wird. Mehrere Studien, darunter vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), stellten bereits 2024 fest, dass die bestehenden LNG-Terminals in Deutschland bei Weitem nicht ausgelastet sind. Die Notwendigkeit eines weiteren LNG-Standorts wird zunehmend infrage gestellt. Eines ist jedenfalls klar: Die „Energos Force“ bleibt ein Symbol für Versäumnisse, mangelnde Planung und intransparente Kommunikation.
Fast 20 Schiffe liegen vor Skagen auf Reede
Die Reede vor Skagen ist ein beliebter „Parkplatz“ für Schiffe. Derzeit liegen dort außer der „Energos Force“ fast 20 Öl- und Gastanker. Skagen befindet sich am Übergang von Nord- und Ostsee und stellt einen zentralen Knotenpunkt für die Schifffahrt in Skandinavien dar. Diese strategische Position macht Skagen zu einem idealen Ankerplatz für Schiffe, die auf ihre nächsten Aufträge warten.
Die Unternehmen im Hafen bieten den Schiffen, die auf Reede liegen, eine Vielzahl von maritimen Dienstleistungen an, wie die örtliche Internet-Zeitung skagennyt.dk berichtet. Firmen wie Saga Shipping und L&N Supply Ships stellen quasi einen Rundum-Service für die vor Anker liegenden Schiffe Reede an, darunter den Wechsel der Besatzung, die Versorgung mit Proviant, einen Bunkerservice sowie die verschiedensten Reparaturen. Die Serviceschiffe können jeweils bis zu zwei Lkw-Ladungen und rund 120 Tonnen Frischwasser transportieren.
Nach Angaben der investigativen dänische Recherche-Plattfom danwatch.dk diente die Reede vor Skagen vermehrt als Ankerplatz für Tankschiffe der sogenannten "russischen Schattenflotte". Diese Schiffe transportieren russisches Öl, oft unter Umgehung internationaler Sanktionen. Mit der Einführung des 14. EU-Sanktionspaketes im Juni wurde es für diese Tanker schwieriger, die Ankerplätze bei Skagen zu nutzen. Dänische Behörden haben begonnen, bestimmten Schiffen den Zugang zu verweigern, um die Durchsetzung der Sanktionen zu gewährleisten.
Stellungnahmen aus der Politik
Das WOCHENBLATT hat den Stader Bürgermeister, den Landrat sowie die beiden größten Fraktionen im Stader Stadtrat - CDU und SPD - um eine Stellungnahme zu dem Thema gebeten. Diese Statements sind bisher eingegangen:
Stellungnahme von Kai Holm für die SPD-Fraktion im Stader Stadtrat:
"Mit Verwunderung nimmt die SPD-Stadtratsfraktion zur Kenntnis, dass eine Inbetriebnahme des LNG-Terminals offensichtlich in unabsehbare Ferne rückt. Auf konkrete Presseanfragen mauert der Betreiber DET regelmäßig und lässt so den ernsthaften Verdacht aufkommen, ob sich hier wohl Stück für Stück ein klammheimlicher Rückzug abspielt? Zur Erinnerung: Als Mitte 2022 die Entscheidung für den Standort Stade fiel, haben sich Verwaltung und Kommunalpolitik sofort maximal engagiert und zügige Abläufe ermöglicht, ganz im Sinne der „neuen Deutschlandgeschwindigkeit“. Andere Projekte wurden zurückgestellt, Geld und extrem viel Arbeitszeit insbesondere in Planungsverfahren investiert. Auch waren Proteste von Anwohnenden wie Umweltverbänden auszuhalten und viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Auf die Frage nach Überdimensionierung wurde unter anderem darauf hingewiesen, wie wichtig auch die Versorgungssicherheit mit Gas für Österreich und Schweiz durch das Stader LNG-Terminal wäre. Nun gibt es also eine riesige Baustelle neben dem Ausflugsziel Stadersand, ungeheure Investitionen sind getätigt, dazu Charterkosten eines mittlerweile in Dänemark auf Reede liegenden Schiffes von mindestens 200.000 Euro täglich. Unsummen an Steuergeldern gepaart mit unsicherer Zukunft, und dann kommt nicht mal eine verbindliche Auskunft zum weiteren Prozedere? Es bleibt der fade Beigeschmack: Solange Politik vor Ort gebraucht wird, funktioniert Kommunikation auf allen Kanälen. Danach bleiben Erläuterungen aus und es wird diplomatisch gemauert."
Stellungnahme von Arne Kramer und Daniel Friedl für die CDU-Fraktion im Stader Stadtrat:
"Die Entwicklung rund um die Energos Force verwundert uns. Insbesondere, weil wir als Stadt damals gezwungen waren, unser kommunales Einvernehmen zu geben – aus der Sorge heraus, in der Krise schnell handeln zu müssen. Die Energiesicherheit stand im Vordergrund, und es war wichtig, eine mögliche Mangellage zu verhindern. Glücklicherweise ist es nicht dazu gekommen, unter anderem dank eines milden Winters.
Doch nun müssen wir feststellen, dass das Terminal ein Jahr nach seiner Ankunft in Stade noch immer nicht in Betrieb ist. Das ist nicht nur für die Region, sondern auch für die Steuerzahler eine belastende Situation. Es wird hierfür sicherlich einen Grund geben. Die enormen Kosten für Bereederung und Liegezeiten sind Sache des Bundes, der hier dringend für mehr Transparenz sorgen muss. Krisen erfordern entschlossenes Handeln, aber rückblickend braucht es eben ausreichend Transparenz, um aus möglichen Fehlern zu lernen.
Gleichzeitig blicken wir optimistisch in die Zukunft, was das landseitige Terminal angeht. Dieses Projekt ist ein echtes Pfund für Stade als Industriestandort. Es ist Green Gas ready und wird damit langfristig einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Zudem verstärkt es die Synergien im Industriegebiet und schafft neue Chancen für unsere Wirtschaft. Die CDU Stade sieht darin eine wichtige Weichenstellung für eine sichere und nachhaltige Energieversorgung sowie die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt."
Stellungnahme des Landrates des Landkreises Stade, Kai Seefried (CDU):
„In Rekordzeit entstand 2023 der Stader Energiehafen, die landeseigene Hafengesellschaft Niedersachsen Ports hatte das damals größte Hafenbauprojekt Deutschlands mit einem Finanzvolumen von 300 Millionen Euro mit einem immensen Einsatz zum Erfolg geführt. Die Liegewanne hat einen Tiefgang von bis zu 16,4 Metern und die Länge der Kaianlage misst insgesamt 1,6 Kilometer. Beim Bau wurden Höhenunterschiede und die Deichsicherheit beachtet und ein Anschluss an das europäische Gasnetz in enormer Geschwindigkeit hergestellt. Das war und ist wirklich beeindruckend!
Der Landkreis Stade stärkt damit auch seine Position als Industrie- und Chemiestandort. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser hervorragenden Bedingungen, die dazu geeignet sind, der gesamten Region wirtschaftlichen Auftrieb zu verleihen, ist meine ganz klare Erwartung, dass die Öffentlichkeit alsbald einen Zeitplan für die Inbetriebnahme der FSRU erhält. Wir wollen und können im Landkreis Stade unseren Beitrag zur Versorgungssicherheit und Stabilisierung der Gaspreise in Deutschland und Europa leisten!“


Redakteur:Jörg Dammann aus Stade |
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