Ertrinkungsunfälle
Selbstüberschätzung und Strömungen als tödliches Risiko

Bei einer Übung am Baggersee: Florian Rosenow und Torven Weitendorf (vorn) auf einem Rettungsbrett | Foto: DLRG Tostedt
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Vergangene Woche ist ein zehnjähriges Mädchen vor den Augen seiner Eltern in der Elbe ertrunken, am Wochenende ist ein achtjähriges Kind in letzter Sekunde vor dem Ertrinken an den Buhnen in der Ostsee gerettet worden.  Allein in Niedersachsen sind in diesem Jahr mindestens 30 Menschen ertrunken - zehn mehr als im vergangenen Jahr (20) im gleichen Zeitraum. In ganz Deutschland sind insgesamt bereits mindestens 253 Menschen ertrunken. Liegt es an mangelnden Schwimmfähigkeiten, Selbstüberschätzung oder der unterschätzten Gefahr von Strömung und Wassertemperatur? Das WOCHENBLATT fragte exemplarisch bei der DLRG Tostedt nach, warum das Schwimmen in Flüssen tabu ist und im Baggersee gefährlich werden kann.

Flüsse bergen viele Gefahren

"Flüsse bergen viele Gefahren und man sollte nie vergessen, dass es sich dabei auch um Schifffahrtsstraßen handelt. Und wer lässt schon Kinder auf der Autobahn spielen? Neben der Strömung, die meist unterschätzt wird und sich schnell verändern kann, gibt es auch oft an Hindernissen, wie zum Beispiel Buhnen, Sogwirkungen, die auch geübte Schwimmer schnell in die Mitte des Flusses ziehen können", erläutert Tostedts DLRG-Vorsitzende Margret Holste. "Die Schifffahrt verändert außerdem schnell die Gegebenheiten durch die Sog- und Schwallwirkung während der Fahrt und verändert so auch die Höhe des Wassers in Ufernähe. Die Elbe ist zudem ein Tidengewässer, das heißt, wir haben einen ständigen Wechsel zwischen Ebbe und Flut."

Baggerseen sind meist unbewacht und würden oft unterschätzt. "Dies liegt u.a. daran, dass es schnell und plötzlich sehr tief werden kann. Auch gibt es in Seen oft unterschiedlich temperierte Wasserschichten, die zu Herz-Kreislaufproblemen führen können. Auch die schlechte Sicht im Wasser oder auch Wasserpflanzen sorgen oft für Verunsicherung und führen so zu Badeunfällen. Insbesondere im Freigewässer sollte man nie allein schwimmen gehen", erläutert Margret Holste.

Das Freibad ist kein Kinderabgabeplatz

Das Schwimmbadpersonal in den Freibädern und die DLRG, die auch bei Bedarf bei der Freibadaufsicht unterstützt, haben noch mit anderen Dingen zu kämpfen, nämlich allzuoft mit Eltern, die meinen, sie könnten ihr Kind im Wasser unbeaufsichtigt lassen und die Verantwortung den Schwimmmeistern unterschieben. Das geht jedoch gar nicht.

"Schwimmmeister sind nicht für die Beaufsichtigung von Kindern zuständig. Dies ist die Aufgabe der Erziehungsberechtigten. Eltern haben eine dauerhafte Aufsichtspflicht im gesamten Bad. Besondere Beaufsichtigung ist z.B. im Bereich der Rutsche oder der Sprunganlage nötig. Seepferdchenkinder dürfen nur mit elterlicher Begleitung ins Schwimmerbecken", klärt Schwimmmeisterin Angelina Dennstedt auf und betont: "Das Freibad ist eine Familienfreizeitstätte und kein Kinderabgabeplatz."

Zu den Aufgaben eines Schwimmmeisters gehören neben der Aufsicht am Beckenrand unter anderem die Leistung von Erster Hilfe, die Wartung der Technik, Pflege des Freibadgeländes, ständige Sicherstellung der geforderten Wasserqualität und die Durchsetzung der Haus- und Badeordnung.
Das Badpersonal übt auch das Hausrecht aus, ist den Gästen gegenüber weisungsbefugt und darf Hausverbote bis zu einem Monat mündlich aussprechen. Längere Verbote werden schriftlich über die Samtgemeindeverwaltung ausgesprochen

Kinder unter sieben Jahren nur mit Begleitperson

Jüngere Kinder im Alter von sieben bis zehn Jahren, die mindestens das Schwimmabzeichen Bronze (Freischwimmer) erreicht haben, dürften alleine ins Bad. Kinder unter sieben Jahren aber nur mit einer geeigneten, mindestens 16 Jahre alten Begleitperson, die dann entsprechend aufsichtspflichtig sind.

DLRG-Vorsitzende Margret Holste ergänzt: "Wir erleben oft Verwunderung oder gar Unverständnis, wenn wir Eltern erklären, dass Kinder, die noch nicht sicher schwimmen können, nichts im Schwimmerbecken verloren haben. Oft werden Kinder mit Schwimmreifen oder Schwimmflügeln mit ins tiefe Wasser genommen oder dürfen in Begleitung der Eltern vom Beckenrand springen, insbesondere beim Sprung kann ein Kind schnell durch den Ring rutschen oder die Schwimmflügel verlieren."

Sie erklärt außerdem: "Es ist nur sehr schwer zu erkennen, wenn ein Mensch ertrinkt, da er nicht wie im Film um Hilfe schreit und mit den Armen winkt, sondern meist still und leise untergeht, da er mit allen Kräften darum kämpft über Wasser zu bleiben."

In Notfällen die 112 wählen

Wichtig sei, dass in Notfällen immer der Notruf 112 abgesetzt wird. "Man sollte der in Not geratenen Person möglichst einen Gegenstand mit Auftrieb reichen. Die Person wird dann den Gegenstand festhalten und nicht zusätzlich den Retter in Gefahr bringen", so Holste.

Gundsätzlich gilt für alle Badebegeisterten: Man sollte immer nur schwimmen gehen, wenn man sich körperlich fit fühlt und nicht überhitzt ist. Auch alkoholisiert sollte man den Sprung ins kühle Nass besser meiden. Durch das kalte Wasser bzw. kältere Wasserschichten kann schnell das Herz-Kreislaufsystem versagen. Gerade an unbewachten Gewässern sollte man nie allein ins Wasser gehen, so die DLRG-Vorsitzende.

Bei einer Übung am Baggersee: Florian Rosenow und Torven Weitendorf (vorn) auf einem Rettungsbrett | Foto: DLRG Tostedt
Die Tostedter Schwimmmeister Angelina Dennstedt und Andreas Petry | Foto: Samtgemeinde Tostedt
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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