Tostedt
Streitschlichter zeigt Zivilcourage und bangt nun um seine Existenz

Der Streitschlichter (hier ein Symbolfoto) wurde von den aggressiven Mann am Tostedter Bahnhof geschlagen und getreten  | Foto: Adobe Stock / athapet / motortion / Repro: MSR
  • Der Streitschlichter (hier ein Symbolfoto) wurde von den aggressiven Mann am Tostedter Bahnhof geschlagen und getreten
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Mitte Juni hatte er im Metronom versucht, einen Streit zu schlichten und dem jugendlichen Opfer, das von einem Älteren ins Gesicht geschlagen wurde, Unterstützung signalisiert. Am Bahnhof in Tostedt hatte der aggressive Täter den Streitschlichter verfolgt, seinen Hinterkopf malträtiert, ihn die Treppe herabgestoßen und auch noch auf ihn eingeschlagen und eingetreten, als er bereits am Boden lag. Der 44-jährige Tostedter, der Zivilcourage bewies, kann seither nicht mehr arbeiten. Ob er seinen immer noch eingegipsten Fuß je wieder richtig und ohne Schmerzen belasten kann, ist ungewiss - eine psychisch äußerst belastende Situation. Er bangt nun selbst um seine Existenz. Denn zeitnahe finanzielle Hilfen für Menschen in seiner Lage gebe es nicht. Das bestätigt auch sein Anwalt Frank Giesler aus Buchholz.

Die Verletzungen des 44-Jährigen sind massiv: Die Außenbänder am rechten Fuß sind gerissen, der Gelenkkopf beschädigt, er hat mehrere Hämatome am Kopf und erlitt ein Nacken-Schulter-Trauma. Der Täter habe sogar vorgehabt, ihn vor den ausfahrenden Zug zu werfen. Das habe das jugendliche Opfer aus dem Metronom verhindert.

Der 44-jährige Vater einer vierjährigen Tochter ist selbstständiger Pizzabäcker in Hamburg, wo er seit dem Angriff nicht mehr arbeiten kann. Um seinen Verdienstausfall zu kompensieren, müssen Kollegen mehr arbeiten, und es musste zusätzliches Personal eingestellt werden, sodass am Ende kein Einkommen übrig bleibt. "Ein Verdiener fällt aus. Das ist ziemlich übel. Ich hatte bereits Umsatzeinbußen durch Corona, die Rücklagen sind aufgebraucht. Und nun das. Ich habe krasse Existenzängste", sagt er und ist am Boden zerstört. Schließlich müssen auch die laufenden Lebenshaltungs- und Energiekosten, Versicherungen und der Hauskredit gestemmt werden.

Über die Opferhilfeorganisation Weisser Ring bekam er einen kurzfristigen Termin beim Psychologen. "Es hätte auch ganz mit mir vorbei sein können. Und der Täter rennt frei herum und genießt sein Leben", sagt der 44-Jährige bitter. Die Familie unterstütze, so gut es geht. Aber ein Verdienst fällt längerfristig aus.

Kurz nach dem Vorfall und Zeugenaufrufen, u.a. im WOCHENBLATT, und einem Hinweis hatte die Polizei einen 19-Jährigen ermittelt, der die Tat einräumte. Die Ermittlungen der Polizei dauern an.

Rechtsanwalt Frank Giesler vertritt die Interessen des Streitschlichters, der in einem möglichen Prozess als Nebenkläger auftreten wird. "Die Akte liegt noch bei der Polizei und geht danach an die Staatsanwaltschaft Stade, die entscheidet, ob Anklage erhoben wird", erläutert Giesler.

"Mein Mandant hat die viel gepredigte Zivilcourage gezeigt. Was hat er jetzt davon?", fragt der Anwalt. Das finanzielle Überleben steht auf dem Spiel, denn es gebe eine Lücke in der Hilfestellung für Opfer. Frank Giesler erläutert: "Wenn der Täter vom Strafgericht schuldig gesprochen wird, kann mein Mandant Schmerzensgeld von ihm verlangen, über dessen Höhe das Zivilgericht entscheidet. Mein Mandant hat aber bereits hier und heute einen erheblichen Schaden, den er durchleidet und der existenziell ist."

Auch zeige die Erfahrung, dass bei vielen Tätern nichts zu holen sei. "Da kann man noch so rechtlich begründete Ansprüche haben", so Giesler.

Erst dann greife das Opferentschädigungsgesetz, "ein bürokratisches Monster", wie Giesler es nennt. "Das ist ein langer Weg, aber in der aktuellen Notlage springt niemand ein", erklärt der Anwalt.

• Der Kirchenkreis Hittfeld hat ein Spendenkonto für den Streitschlichter eingerichtet. Wer die kleine Familie und den couragierten Mann unterstützen möchte, spendet auf folgendes Konto: DE73 5206 0410 0200 0063 86 (als Verwendungszweck "Zivilcourage" angeben). Wenn der vollständige Name mit Anschrift bei der Überweisung angegeben wird, kann eine Spendenbescheinigung ausgestellt werden.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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