Winsen
Eine reizvolle szenische Lesung Vicki Spindlers und Jutta Hoffmanns
Die Männer waren so bekannt wie unterschiedlich und durch ihre Arbeit eng verbunden - Johann Wolfgang von Goethe und Johann Peter Eckermann. Ihre Frauen aber, Christiane Vulpius, spät geehelichte von Goethe, und Johanne Bertram, spät geehelichte Eckermann, blieben zu ihrer Zeit, Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, unbeachtet. Wie erging es ihnen? Wie war es, die Frau eines berühmten Mannes zu sein?
Anlässlich des 230. Geburtstags Johann Peter Eckermanns bot die Berliner Autorin Vicki Spindler zusammen mit Jutta Hoffmanns ihren gespannt lauschenden Winsener Publikum in der Aula der Johann-Peter-Eckermann-Realschule eine phantasievolle Antwort. Sachkundig und einfühlsam sezierten sie in ihrem Stück "Jammern gilt nicht!“ mit filigranen Schnitten die Seelenwelt der beiden Dichterfrauen.
Anfangs distanziert, bald jedoch eng vertraut, saßen sie so eng beieinander wie einst ihre Männer und erzählten sich ihre Sicht auf ihr scheinbar unbedeutendes Leben im Hintergrund der Bühne des Lebens. Das Frappierende daran: Die beiden Frauen waren sich in der Realität nie begegnet, denn die eine war schon lange tot, als die andere in Erscheinung trat.
Vicki Spindler als vitale Christiane von Goethe und Jutta Hoffmann als kleinbürgerlich-biedere Johanne Eckermann füllten in ihrer szenischen Lesung anschaulich mit Leben und Emotionen, was Lehrerin Julia Beu und Geschichtsforscher Helmuth Hinkfoth zuvor in jeweils zwei authentischen Briefausschnitten Goethes und Johanne Eckermanns vorgetragen hatten: Goethe liebte seine Christiane und ihren gemeinsamen Sohn, war aber emotional und auch räumlich oft distanziert. Christiane, „Erotikon“, „Küchen- und Bettschatz“, empfing von ihm detaillierte Anweisungen, was sie zu Hause zu tun hatte. Durchaus anders verhielt sich dagegen Johanne Bertram während ihrer ungewöhnlich langen zwölfjährigen Verlobungszeit: Sie stellte ihrerseits unmissverständlich klare Forderungen an ihren „geliebten Ecker“.
Zunehmend angeregt durch den im Hause Goethe stets reichlich fließenden Wein, schwärmten beide Frauen nun auf der Winsener Bühne einerseits bewundernd von ihren großartigen Männern, beklagten jedoch andererseits, wie oft sie enttäuscht wurden oder sich im Stich gelassen fühlten.
Wie unterschiedlich aber waren ihre Sichtweisen? Johannes vernunftorientiertem Standpunkt „Ein Mann muss einer Frau schon etwas bieten können, und ich konnte warten, bis er uns später ein wohliges Heim sicher würde“, hielt Christiane entgegen: „Da beneide ich dich aber, dass du da so ruhig und stark warst. Ich hab mich schon nach einer Minute nach Goethe verzehrt, wenn er nicht bei mir war.“ Solche handfesten Dialoge machten deutlich, wie konträr die beiden Charaktere waren.
Anhaltender Beifall des begeisterten Publikums belohnte die Akteurinnen für ihre kurzweilige Darbietung. Mit besonderem Applaus der Zuhörer und herzlichen Dankesworten des Gastgebers, des Schulleiters der Johann-Peter-Eckermann-Realschule, Andreas Neises, wurde auch Reinhard Gräler geehrt, der mit seinen bedachtsam ausgewählten und wieder virtuos vorgetragenen Klavierstücken von Haydn, Beethoven und Dussek dieses noch lange nachwirkende Kulturerlebnis stimmungsvoll abrundete.
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