Nervenstarkes Tor-Talent startet in Medizinberuf
Sophie Löbig von den Handball-Luchsen macht mitten in der Corona-Krise eine Ausbildung im Krankenhaus Buchholz
Ein "Luchs" im Krankenhaus
nw/tw. Buchholz. Sie gilt als Tor-Talent der Handball-Bundesligafrauen in der zweiten Liga, HL Buchholz 08-Rosengarten, „Die Luchse“. Im Spiel beeindruckt sie durch ihre Nervenstärke. Vor kurzem hat sie ihre Ausbildung als Operationstechnische Assistentin (OTA) im Krankenhaus Buchholz begonnen. Mitten in der Corona-Krise. Auch dabei ist Nervenstärke gefragt. Sophie Löbig (19) startet durch. Das WOCHENBLATT stellt sie vor.
Weiße Wände, kaltes Licht, blitzende Stahlschränke. Männer und Frauen in grünen Kasacks. Die Haare sind unter Plastikhauben verborgen, der Atemschutz lässt nur die Augen frei. Das ist seit kurzem die Arbeitswelt von Sophie Löbig. Doch ihre Augen strahlen. Was andere eher etwas unheimlich finden könnten, ist für sie die Erfüllung eines langgehegten Traums. Ruhig und konzentriert öffnet sie die Strahlschränke, überprüft Bestände, kontrolliert und füllt auf. Im OP-Saal wird sie bald diejenige sein, die Ärzten steriles Besteck anreicht, technisches Gerät bereitstellt und Verantwortung dafür trägt, dass alles funktioniert und schnellstmöglich in Griffweite ist.
Sophie Löbig ist Herausforderungen gewöhnt. Schon seit ihrem neunten Lebensjahr spielt sie Handball. Seit acht Jahren steht sie im Tor. Was da wichtig ist, beschreibt sie so: „Man muss alles im Blick haben, über gute Reflexe verfügen und wissen, wo man steht, um schnell reagieren zu können.“ Anforderungen, die mehr denn je auch in ihrer Berufsausbildung an sie gestellt werden. Noch ist es relativ ruhig in den Krankenhäusern Buchholz und Winsen. Doch jeder Mitarbeiter weiß, dass sich die Lage schon bald ändern könnte. Noch penibler als sonst wird in allen Abteilungen auf die Einhaltung der Hygienevorschriften geachtet. Erst recht im hochsensiblen OP-Trakt, in dem Sophie Löbig arbeitet. Wie oft sie sich heute schon die Hände desinfiziert hat, kann sie kaum noch schätzen. Und spätestens alle zwei Stunden muss sie die Atemschutzmaske wechseln. Trotzdem strahlt Sophie Löbig freundliche Gelassenheit aus. Ihr Erfolgsrezept: „Man darf nicht zu angespannt sein, sondern muss Spaß an der Arbeit haben, sonst kann man sein Leistungspotenzial nicht abrufen.“
Ihren anspruchsvollen künftigen Beruf hat die junge Hessin, die sich schon seit ihrer Kindheit für Medizin interessiert, in ihrer Heimat Frankfurt am Main in einem Praktikum kennengelernt. Als sie nach dem Abitur das Angebot bekam, beim Bundesligisten aus Rosengarten/Buchholz Handball zu spielen, war das für sie eine Riesenchance, die sie unbedingt nutzen wollte. Im Juli 2019 zog sie nach Buchholz. Das erste Mal weg von zu Hause. Und begann bald, im Krankenhaus Buchholz als Praktikantin zu jobben, denn das Geld, das sie als Handballerin verdient, ist eher überschaubar. „Ich habe schon viel gelernt, Schritt für Schritt darf ich größere Aufgaben erfüllen und freue mich, wenn mir etwas zugetraut wird“, sagt sie.
Ihre dreijährige Ausbildung umfasst Theorieblöcke, die sie in Hamburg an einer Schule absolviert, und Praxisanteile im Krankenhaus Buchholz. „Unterricht und Praxis sind sehr gut aufeinander abgestimmt“, sagt sie. Nach eineinhalb Jahren gibt es eine Zwischenprüfung. Und nach drei Jahren darf sie sich mit einem bestandenen Examen auf voraussichtlich viele Jobangebote freuen. Doch zunächst hat sie sich für die Ausbildungsdauer bei den Luchsen verpflichtet, wo sich das Jungtalent unter Anleitung von Torwartlegende Christine Lindemann und Trainer Dubravko Prelcec weiterentwickeln will.
Ihr Alltag verlangt viel Disziplin: Jeden Morgen steht sie um sechs Uhr auf, an Schultagen auch schon um fünf Uhr. Von 7 bis 16 Uhr arbeitet sie im Krankenhaus. Dann geht’s nach Hause. Kurz mal relaxen und etwas essen, bevor sie gegen 18 Uhr wieder losfährt. Dann: zweieinhalb Stunden hartes Training, viermal die Woche, dazu einmal die Woche eine Kraft- und Konditionseinheit an Geräten. Anschließend „quatschen, dehnen, duschen und ab ins Bett“. In jeder Pause heißt es für sie „lernen, was geht“. Und an den Wochenenden: Fahrten zu Auswärtsspielen, z.B. nach Freiburg im Breisgau. Oft ohne Übernachtung nach dem Spiel. „Manchmal wird ein 24-Stunden-Trip draus“, berichtet sie. Umso bitterer, wenn die Trauer über eine Niederlage mit im Mannschaftsbus sitzt. Dies war in der letzten Zeit jedoch eher selten der Fall. Wäre die Handball-Saison nicht vorzeitig beendet worden, hätten die Luchse den Siegerpokal in Händen gehalten. „Ich hatte uns schon jubelnd und feiernd in der Nordheidehalle gesehen und bin jetzt tief enttäuscht“, sagt Sophie Löbig. Doch in solchen Situationen fängt das Team sie auf.
Auch in ihrem Gesundheitsberuf ist es erst die Teamleistung von Chirurgen, Anästhesisten, OP-Assistenten und Pflegekräften, die eine erfolgreiche Operation ermöglicht. Sophie Löbig: „Die Atmosphäre ist locker und freundlich, trotz der Krise. Jeder verlässt sich auf den anderen.“ Auch auf sie, die Berufsanfängerin, die im Tor schon gezeigt hat, dass sie bereit ist, Verantwortung zu tragen. „Ich fühl mich hier richtig wohl und bin dankbar, dass ich diese Ausbildung machen darf“, sagt sie mit sympathischer Bescheidenheit, „und ich bin froh, dass in dieser Zeit manchem die Augen dafür geöffnet werden, wie wichtig Gesundheitsberufe für die Gesellschaft sind.“
- Informationen und Bewerbungen zum Ausbildungsberuf OTA unter www.krankenhaus-winsen.de/unternehmen/lehre-karriere/stellenangebote
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