Getrübte Partystimmung
Veranstalter üben auch Kritik an Corona-Bestimmungen / Hittfelder Dorffest abgesagt
(ce). "The Show Must Go On" - aber wie und wann? Das fragen sich zahlreiche Veranstalter aus der Region nach den jüngsten Beschlüssen von Bund und Land zu den Corona-Regelungen. Über die aktuelle Stimmung in der Branche sprach WOCHENBLATT-Redakteur Christoph Ehlermann im "Interview der Woche" mit Matthias Graf, Chef der Seevetaler Agentur "412 Events", die bundesweit die Gastronomie bei Festivals und Konzerten organisiert, sowie mit Onne Hennecke, Geschäftsführer des Buchholzer Veranstaltungszentrums Empore, und dessen Kollegin Silvia Stolz vom Stader Stadeum.
WOCHENBLATT: Herr Graf, wie bewerten Sie die neuen Corona-Bestimmungen?
Matthias Graf: Es geht nicht wirklich voran. Der Zustand bzw. Stillstand ist frustrierend. Events mit angezogener Handbremse sind nicht mein Ding.
WOCHENBLATT: Wie wirken sich die Regelungen auf die von Ihrer Agentur geplanten Veranstaltungen und auf die Branche allgemein aus?
Graf: Die ganz großen Events, auf denen wir zum Einsatz gekommen wären, sind seit Monaten abgesagt. Aktuell planen wir neue Projekte, diese meist mit Plan A, B und C. Das macht Vorbereitungen arbeitsreicher, und die Einschränkungen machen Umsätze wiederum schwächer. Dieses Zusammenspiel ist wirtschaftlich natürlich sehr bedenklich.
WOCHENBLATT: Welche Events Ihrer Agentur stehen für dieses Jahr nach derzeitigem Stand fest?
Graf: Fest steht nichts, weil laut Landkreis Harburg eh jede Genehmigung unter einem Vorbehalt des Widerrufs steht. Das killt jede wirtschaftliche Planung und macht keinen Spaß.
WOCHENBLATT: Nach unseren Informationen gibt es Schwierigkeiten mit dem Landkreis Harburg bei der Genehmigung des von Ihnen mitorganisierten Hittfelder Dorffestes.
Graf: Der Gewerbeverein, dessen Vorsitzender ich bin, hat alles versucht, um das Dorffest stattfinden zu lassen, und ging mit diesem Wunsch zur Gemeinde Seevetal. Die war zugänglich und angenehm im Gespräch, schob die Zuständigkeit aber weiter zum Landkreis Harburg. Nachdem 39 Jahre lang die Gemeinde die Genehmigung für das Dorffest erteilte, sei nun - "bedingt durch die weltweite pandemische Lage“ - zum 40-jährigen Festjubiläum der Kreis die zuständige Genehmigungsbehörde.
WOCHENBLATT: Zeigte sich der Landkreis kooperativ?
Graf: Dort stieß ich wiederum auf angenehme Verwaltungsmitarbeiter, die unserem Wunsch, das Fest unbedingt umsetzen zu wollen, kreativ, motiviert und hilfsbereit begegneten. Allein waren auch ihnen nach eigenem Bekunden die Hände gebunden. Alles hinge - so sagten sie - von der Corona-Verordnung Niedersachsens ab. Diese würde sich fortlaufend erneuern. Es gebe niemanden, der Klarheit schaffe, Genehmigungen erhielten grundsätzlich die Ergänzung des jederzeit möglichen Widerrufs. Planungssicherheit? Fehlanzeige!
Traurig und enttäuscht sagen wir daher das diesjährige Dorffest ab. Zu groß erscheint uns auf Basis dieser Sachlage das Risiko, unserem Verein wirtschaftlich zu schaden.
WOCHENBLATT: Sind Sie verbittert?
Graf: Als ehrenamtlicher Vereinsvorsitzender hechelt man monatelang Informationen hinterher. Bemühte Verwaltungsmitarbeiter stehen gefühlt genauso im Regen wie man selbst, wenn man sich und anderen zu erklären versucht, warum ein Dorffest nicht stattfinden kann oder soll.
WOCHENBLATT: Herr Hennecke, fühlen Sie sich als Veranstalter auch im Regen stehengelassen?
Onne Hennecke: Mit den Bestimmungen werden aus meiner Sicht vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen, allerdings geht mir das in Berlin zu langsam. Sollte Niedersachsen - wie vom Ministerpräsidenten am Mittwoch angekündigt - in Kürze eigene Regeln beschließen, bei denen für Veranstaltungen neben der Inzidenz als Maßstab für Einschränkungen weitere Zahlen wie die Krankenhausbelegung eine Rolle spielen, wäre dies für uns als Veranstalter viel besser. Wir haben auch die Diskussion um "3G" vorweggenommen und lassen bei dem geplanten Sommer-Open-Air im September nur Geimpfte, Genesene und auf Corona tagesaktuell negativ Getestete zu. Diese 3-G-Regel gibt allen Besuchern mehr Sicherheit.
WOCHENBLATT: Inwiefern?
Hennecke: Geimpfte und Genesene tragen immer noch ein minimales Restrisiko in sich, sich mit Corona anzustecken. Je mehr Leute kommen, die nicht zu diesem Personenkreis gehören, desto größer wird das Risiko. Für Ungeimpfte und nicht getestete Menschen hätte ein 3-G-Beschluss womöglich auch eine "anregende" Wirkung.
WOCHENBLATT: Von welchem Effekt sprechen Sie?
Hennecke: Wenn sie wirklich bei unserem Freiluft-Event dabei sein wollen, könnte das für sie ein Anreiz sein, ihren Widerwillen gegen das Testen oder Impfen zu überwinden.
WOCHENBLATT: Frau Stolz, was halten Sie von solch einem Effekt?
Silvia Stolz: Diesen leichten, sanften Druck finde ich auch gut.
WOCHENBLATT: Wie wird er bei den Besuchern des Stadeums ankommen?
Stolz: Ich bin auf die Reaktionen gespannt, wenn wir immer überprüfen müssen, ob jemand getestet, geimpft oder genesen ist. Viele Leute fühlen sich nach der langen Corona-bedingten Veranstaltungspause bei größeren Menschenansammlungen immer noch unwohl. Schon ihnen zuliebe sollte man sich mindestens testen lassen, bevor man zu uns kommt.
WOCHENBLATT: Inwieweit wirken sich die Corona-Regeln auf Ihr aktuelles Programm aus?
Stolz: Zu den Veranstaltungen unseres traditionellen Holk-Kulturfestivals ab Ende August kommen normalerweise jeweils bis zu 1.000 Besucher. Diesmal können wir aus Hygienegründen nur rund 250 Gäste hineinlassen.
WOCHENBLATT: Ihnen dreien vielen Dank für das Gespräch.
Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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